Shinsekai Yori ist ein Geheimtipp für jene, die auf sehr gutes Worldbuilding stehen. Was der Titel noch für weitere Qualitäten bereit hält, möchte ich mit diesem Artikel erklären.
Ein Opfer des angeblich knappen Budgets
Shinsekai Yori ist erneut der beste Beweis dafür, was passieren kann, wenn andere Titel die gesamte Aufmerksamkeit einer kompletten Season auf sich ziehen. Während des Erscheinens von Shinsekai Yori lief nämlich der zweite Teil der ersten Staffel von Sword Art Online, dem wohl überschätztesten Titel des heutigen Jahrtausends. Dadurch hatte praktisch kein Anime abseits des Isekai-Themas überhaupt die Möglichkeit, sich einem größeren Publikum zu präsentieren. Es geschah also, dass viele Titel vollständig in der Masse untergingen und nur von einer kleinen Anzahl von Zuschauern – wenn überhaupt – wahrgenommen wurden.
Shinsekai Yori ist die Adaption eines Romans aus dem Jahr 2008 und wurde von A-1 Pictures produziert, den Machern des oben genannten Hits. Beim Vergleich beider Titel merkt man jedoch sofort, welcher Titel in der Führungsebene mehr Zuspruch bekommen hat – hier hat Shinsekai Yori sehr stark den Kürzeren gezogen.
Tiefgründige Fragen
Die Handlung von Shinsekai Yori spielt in einer dystopischen Welt, die durch ein „besonderes Ereignis“ zerstört wurde, wodurch die Menschheit in verschiedene Enklaven aufgeteilt wurde. Die Protagonisten Saki, Shun, Maria und Satoru entdecken Unstimmigkeiten in der Geschichte ihrer eigenen Menschheit, während sie in ihrer Enklave leben.
Die Geschichte von Shinsekai Yori entwickelt sich von einem anfänglichen Slice-of-Life-Drama zu einem tiefgründigen Anime, der eine komplexe Welt präsentiert. Im Laufe der Handlung werden philosophische Fragen aufgeworfen, die die Zuschauer zum Nachdenken anregen.
Zu diesen Fragen gehören beispielsweise: Was ist der Wert des Menschen? Dürfen wir uns als Spezies an die Spitze der Nahrungskette setzen? Haben wir das Recht, als Einzelne über das Leben vieler zu entscheiden? Die Serie beantwortet einige dieser Fragen, wirft aber gleichzeitig immer wieder neue auf.
Dieser Aspekt der Serie, in dem die vertraute Welt erkundet wird, ist ein wichtiger Faktor, der dazu beiträgt, dass die Serie in einem Stück durchgesehen werden kann. Es ist offensichtlich, dass der Autor der Serie viel Zeit und Mühe in die Erschaffung dieser Welt investiert hat.
Das Worldbuilding ist der große Star von Shinsekai Yori
Durch die hervorragend adaptierte Welt, die der Geschichte zugrunde liegt, kommt eine weitere Stärke von Shinsekai Yori zum Vorschein: Die Welt ist die Musik und die Charaktere richten sich nach ihr aus. Anders als bei vielen anderen Mangas oder Light Novels, bei denen die Welt um den Hauptcharakter herum gebaut wird, gibt in Shinsekai Yori die Welt den Ton an, und die Charaktere passen sich ihr an. Anfangs wirkt die Geschichte verwirrend und stellt mehr Fragen als sie beantwortet. Doch um sicherzustellen, dass das Publikum nicht das Interesse verliert, gibt die Welt immer wieder kleine Hinweise preis, die erst im Verlauf der Serie zum Verständnis des größeren Ganzen beitragen. Die Charaktere selbst müssen ihre anfängliche Sicherheit verlassen und sich auf den Weg machen, um die Fragen zu beantworten, die die Welt aufwirft.
Dies führt uns zu einem entscheidenden Punkt der Serie. Abgesehen von einer Ausnahme (die ich nicht erläutern werde, um Spoiler zu vermeiden) sind fast alle Charaktere leere Hüllen, die dazu dienen, die Welt mit Leben zu füllen. Jeder Charakter hat zwar gewisse Eigenschaften, die ihn von anderen unterscheiden, doch im Verlauf der Geschichte wird deutlich, dass hier viel Potenzial verschenkt wurde. Dennoch erfüllt jeder Charakter seine „Aufgabe“ mit Bravour – es gibt sympathische und unsympathische Charaktere.
Minimales Budget, riesige Regiekunst
Wie bereits erwähnt, wurde die Serie von A-1 Pictures produziert, den Machern von Sword Art Online. Man merkt jedoch, in welches Projekt sie mehr Chancen sahen, Geld zu verdienen. Denn bis auf die teilweise zauberhaften Hintergründe sind die Charaktere sehr detaillos und grob gezeichnet. Dennoch fasziniert der Stil, da in den wenigen Momenten der Hektik alles sehr flüssig läuft. Ob dies jedoch als Stilmittel fungieren kann oder ob man es der Knausrigkeit des Budgets zuschreiben muss, ist jedem selbst überlassen.
Die Serie ist selten farbenfroh, dunklere Farbtöne stehen im Vordergrund. Die wenigen visuellen Akzente sind jedoch besonders im ersten Ending der Serie zu sehen und führen uns auf eine Reise in den Buddhismus.
Visuell philosophisch starkes Ending
Wie bereits erwähnt, hat das erste Ending von Shinsekai Yori eine tiefe philosophische Bedeutung. Die Hauptprotagonistin sitzt auf einer Treppe und das Wasser steigt, bis es sie zwingt, nach oben zu laufen. Sie landet schließlich auf einer Brücke, auf der sie sieben Feuer sieht. Sie hält inne, als ob sie Angst davor hätte, trotz des Weges an diesen Feuern vorbeizugehen. Das Wasser steigt jedoch weiter an und löscht die Flammen, woraufhin Saki mit dem Mann auf ein Boot steigen kann, um das Feuerwerk anzusehen.
Die Elemente Feuer und Wasser spielen im Buddhismus eine zentrale Rolle. Wasser bedeutet im Buddhismus „Erbarmen“, da es den Durst der Menschen nach übermäßigen und weltfremden Dingen löscht. Wasser wäscht auch die Sünden der Menschen und ihr Leid weg, um sie wiedergeboren zurück auf die Erde zu bringen. Wasser spielt auch in einer Art Kerzenzeremonie eine wichtige Rolle. Dabei werden kleine Schiffchen mit Kerzen losgelassen, um dabei zuzusehen, wie sie verschwinden. Dies wird als eine Art Liebe gegenüber nahestehenden Personen gedeutet, die aus dem Leben ausgeschieden sind. Es ist auch ein Weg, um mit der eigenen Vergangenheit abzuschließen. Das Feuerwerk hat – gerade im japanischen – auch eine Bedeutung. Feuerwerke in Japan werden dazu veranstaltet, um Feste mit Freunden zu feiern. Beim Anblick des Feuerwerks weint Saki jedoch – was wiederum ein Zeichen für Wasser, der Säuberung bedeuten kann.
Ein weiteres Thema, das Shinsekai Yori auszeichnet, ist der geniale Soundtrack. Sowohl Shigeo Komori als auch Chikara Ozaki haben es geschafft, durch die Musik eine bedrohlich-mystische Stimmung aufzubauen, die man einfach nur mögen muss. Die Theme Songs der Serie, die (Traditional) Songs of Shadow, begeistern mit einem Kinderchor, heftigen Gitarrenriffs sowie einem Einfluss japanisch-traditioneller Klänge.
Das Fazit?
Das Fazit ist, dass Shinsekai Yori eine faszinierende Mystery-Serie mit einem ausgefeilten Worldbuilding ist, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Obwohl der Zeichenstil der Charaktere nicht jedermanns Sache ist, sollte man sich davon nicht abschrecken lassen. Der geniale Soundtrack und das visuell philosophisch starke Ending machen die Serie zu einem Erlebnis, das Fans von Mystery-Serien definitiv nicht verpassen sollten. Eine klare Empfehlung!
3 Antworten
Shinseikai Yori ist einer von den Anime, wo die Fanbase ziemlich beschützend dem Anime gegenüber ist und nur schwer Kritik akzeptiert von dem was ich gesehen habe. Das hat mich bis jetzt immer davon abgehalten den Anime zu gucken. Ich würde gerne sagen, dass du mich überzeugt hast ihn jetzt direkt anzuschmeissen, aber dass die Charaktere grösstenteils eher ernüchternd sind ist für mich kein besonders gutes Zeichen.
Gerade das von mir gelobte Worldbuilding ist einfach nur phantastisch – da wundert es mich nicht, das sich viele davor werfen.
Die „leeren Hüllen“ mögen schlimmer klingen als es ist, so richtig versteht man die Aussage erst wenn man die Serie gesehen hat. Gerade durch den pragmatischen Zeichenstil haben die Charaktere wenig wiedererkennungswert.
Anschauen, lohnt sich!