So war die erste Connichi in Wiesbaden

Mit der Connichi endete jüngst die „große Summer-Season“ der Anime-Conventions. Ich berichte euch von meinen Eindrücken von den drei Tagen in Wiesbaden.

Der große Traditionsbruch

Wiesbaden? War die Messe nicht dafür bekannt, in Kassel zu sein? Das stimmt. Die durch den Verein Animexx eV ehrenamtlich geführte Messe war seit 2003 ein fester Bestandteil im Kasseler Kongress Palais. In dieser Form konnte die Convention zuletzt bis zu 25.000 Fans im Jahr 2022 versammeln – was nicht nur ein neuer Rekord für den Verein war, sondern auch die Lust auf Sozialisierung nach der Covid-Pandemie zeigte.

Neben dem Platzmangel waren vor allem die hohen bürokratischen Hürden ein Grund für den Ortswechsel; so musste der Verein einen Sondernutzungsantrag mit umfangreichen Sicherheitskonzepten und Auflagen zum Naturschutz vorlegen. 

Während einige von der Entscheidung enttäuscht waren und sogar Fan-Petitionen zum Erhalt der Connichi in Kassel gestartet wurden, kann man zumindest in einer Sache Entwarnung geben: Mit dem vom 27. bis 29. Oktober 2023 stattfindenden Anime Festival Kassel 2023 wurde vom Orga-Team hinter der Anime Messe Babelsberg eine Art Nachfolger angekündigt. Die aber natürlich nicht die Connichi ersetzen wird.

Da ich (Animespiegel) berufsbedingt leider nicht zur Connichi gehen konnte, folgen nun die Eindrücke meiner besseren Hälfte, die für mich die Grafiken und vieles mehr gestaltet:

Der große Spaß beginnt am Freitag

Für das Event bin ich schon am Donnerstag mit dem Zug angereist. Bereits vorabkonnte ich das RheinMain CongressCenter mit einer winzig kleinen Sightseeing-Tour von Wiesbaden begutachten. So richtig ging es aber erst am Freitag los. Eigentlich wollte ich mit meiner Begleitung, die als Künstlerin angemeldet war, schon um 10 Uhr (zum Helfen) auf das Gelände – das wurde allerdings verneint; auch für Presse gab es keinerlei Bevorzugung (wie etwa 30 Minuten früherer Eintritt, wie bei der DoKomi).

Mit dieser Enttäuschung ging es erst einmal zurück zum Hotel, zum Entspannen und für eine kleine Kaffee-Pause. Wie es schon bei den anderen Berichten zu lesen war, gab es auch auf der Connichi mindestens einen Tag Regen – ärgerlich, aber da muss(te) man durch. Gegen 14:30 Uhr war ich dann endlich auf der Messe. Für mich ging es zunächst zur Künstlerallee.

Lang war der Besuch nicht. Um 15:00 Uhr starte bereits das erste von vielen Panels der Connichi: „Als der Manga nach Deutschland kam“, Referent war Martin de la Iglesia. Behandelt wurde die grobe Geschichte von Manga in Deutschland. Zudem wurde im Rahmen des Vortrags aufgezeigt, weshalb die japanische Popkultur zunächst in Verruf geriet.

Nach dieser ersten Veranstaltung war es aber so weit: Ich erkundete die Connichi 2023! Wie auch bei den anderen großen Messen gilt: Freitag ist es immer am ruhigsten. So kann man sich problemlos einen Überblick verschaffen, ohne von großen Menschenmassen überrascht oder eingeschränkt zu werden. Außerdem gab es eine leckere Stichprobe bei den Essensständen, die – wie soll es auch anders sein – japanische Spezialitäten angeboten haben.

Um 19 Uhr ging es dann mit einem Panel weiter, das zugleich mit zwei Ehrengästen aufwartete: Sven Plate und Tim Kreuer erzählten eine Stunde lang allerlei lustige Anekdoten und gaben Einblicke hinter die Kulissen der Synchronarbeit. Für mich war es ziemlich spannend, vor allem da Tim meinen Lieblingscharakter aus The Case Study of Vanitas – Vanitas – gesprochen hat. In dem Panel haben beide erklärt, dass sie eigentlich viele verschiedene Aufgaben haben und auch gern machen, wie zum Beispiel Dialogbücher schreiben. Diese sind eine wichtige Basis für deutsche Sprachfassungen.

Unglücklicherweise habe ich erst nach dem Panel gemerkt, dass bereits um 17:45 Uhr das Tokyo Independent Festival mit zwei Filmen lief. Auf Papier klang die Kinovorstellung super interessant, leider verpasste ich die Vorstellung allerdings. 

Der straffe Zeitplan ließ kaum Luft zum Atmen. Nach einer kurzen Pause ging es um 20:45 Uhr direkt mit „Deutsche Otaku in der Anime-Branche“ direkt weiter. Darin präsentierte Jasmin Dose, alias sprechdose, interessante Insights aus der Anime-Industrie. Zudem erklärte sie die Schwierigkeiten und Probleme des Mediums. Beispielsweise erklärte sie, dass sie schon als Assistant Producer bei kleineren Anime-Projekten und als Redakteurin an einem Fachmagazin mitgewirkt habe. Anschließend ging es für mich (zum zweiten Mal) zurück zum Hotel. Der erste stressige Messetag lag damit hinter mir.

Samstag: Volles, interessantes Programm

Bereits kurz vor 10 Uhr stand ich bei einem der insgesamt drei Eingänge, dem Südeingang. Schon da war ersichtlich, dass der Samstag weitaus voller sein würde als der Freitag. Kaum war ich drin, ging ich zum ersten Programmpunkt. Viele weitere sollten an diesem Tag noch folgen. Der Anime-Publisher KSM Anime stellte um 10:45 Uhr nicht nur sein aktuelles Programm vor (Digimon, Yu-Gi-Oh!, Monster Rancher – Nostalgie!), sondern gab mit Shaman King aus dem Jahr 2001 auch eine neue Lizenzankündigung für 2024 oder 2025 bekannt.

Anschließend ging es schnell weiter zu „Schubladendenken – Verlagsedition“, bei dem es unter Einbezug des Publikums um die Demographieneinordnung der Verlage ging. Hier hat sich das Thema auf dem Papier besser angehört als es am Ende war, das (eigentlich interessante) Thema wurde nur sehr oberflächlich behandelt. Schade um die tolle Interaktion mit dem Publikum!

Danach ging es zu den ersten japanischen Ehrengästen: Autogrammstunden mit Nao Hirasawa, Kenichi Kutsuna, Ryo_timo und Kenji Itoso standen auf dem Programm. Der Andrang war riesig und als ich nach längerer Wartezeit an der Reihe war, gab es eine faustdicke Überraschung: Es gab keine Autogrammkarten oder leere Shikishi. Nur stinknormales DIN-A4-Papier oder den Abriss eines Connichi-Blockes standen mir zur Verfügung. Auch wenn ich alles bekommen habe, war ich am Ende etwas traurig, da man ohne Vorbereitung praktisch mit Nichts dastand. Darüber wurden die Fans nicht vorab informiert – zumindest habe ich das nirgends gelesen und war von anderen Conventions verwöhnt, dass es Shikishi vor Ort gibt.

Trotz Samstagsandrang viel Platz

Für kurze Zeit hatte ich programmtechnisch dann doch etwas Luft und konnte mich dem Shopping widmen. Was wäre eine Messe ohne Geld ausgeben? Erst dadurch ist mir bewusst geworden, wie groß das dreistöckige RheinMain CongressCenter ist. Ich hatte nie das Gefühl, eingeengt zu sein. Es gab durchgängig Möglichkeiten, entgegenkommenden Personen und anderen Hindernissen auszuweichen.

Kenji Itosos Panel „Anime, Klassiker und Musikvideos“ um 17:00 Uhr gab die nächsten Einblicke in die japanische Anime-Industrie. Itoso erzählte über sein Mitwirken an verschiedenen Titeln, sein Job-Interview bei Studio Ghibli und vieles mehr. Auch das Opening eines Mobile-Games namens Wind Boys wurde gezeigt. Nach kurzer Recherche hat sichallerdings herausgestellt, dass es (bislang) keine englische Version des Handyspieles gibt. Schade eigentlich – ich würde es gern spielen. 

Mit dem „Anime Deep Talk“ von Nao Hirasawa habe ich den Samstag ausklingen lassen. Auch wenn das Thema prinzipiell interessant war, hatte ich durch die Präsentation des Öfteren das Gefühl, in der Schule zu sitzen. Dementsprechend fand ich das Ganze etwas trocken. Bedingt durch eine kleine Überlänge beim Panel habe ich das Connichi-Gelände erst gegen 22:30 Uhr verlassen. Danach ging es schnell noch zu einem gewissen Sandwichimbiss – und dann zum Hotel.

Sonntag: Abreise und letzte Einkäufe

Am letzten Tag zeigte sich beim Einlass Schludrigkeit. Während an den erstenbeiden Tagen die Taschen der Besucherschaft relativ gut kontrolliert wurden, war das am Sonntag – jedenfalls bei mir – nicht mehr der Fall. Erst nach meiner Bitte, meinen Rucksack zu kontrollieren, wurde dies getan.

Zum Glück gab es für mich am Sonntag nicht so ein großes Programm. Um 11:15 Uhr war ich bei der Signierstunde von Mitsuo Iso. Über die geringe Anzahl an Fans vor Ort war ich etwas enttäuscht, aber ich hoffe einfach, dass am Freitag und Samstag der Andrang dafür umso größer war. Danach ging es für mich erst um 13:45 Uhr mit regulären Veranstaltungen weiter – also Zeit, wieder den Geldbeutel zu leeren.

Kenichi Kutsunas Essay zu „Anime Openings und Sakuga“ war ein besonderes Highlight für mich, da er anhand von konkreten Beispielen an Projekten, an denen er selbst mitgewirkt hat, gezeigt hat, wie diese entstanden sind. So gab es Szenen zu Attack on Titan, VLAD LOVE und Magical Destroyers. Gerade als Künstlerin war ich entsprechend enttäuscht, als das Panel sehr schnell vorbei war. Zum Glück hatte das Team ein Artbook zum Opening von VLAD LOVE dabei, das man mit Signatur erwerben konnte!

Mit einem abschließenden Rundgang endete die Connichi 2023 dann für mich.

Fazit zur Connichi 2023

Für mich war es die erste Connichi, weshalb ich leider keinen Vergleich zu Kassel ziehen kann. Ich muss aber sagen, dass die neue Location ein wahrer Glücksgriff ist. Die Messe war durchgängig sauber und die Toiletten gepflegt. Es gab viele (elektronische!) Beschilderungen und man hatte eigentlich immer Platz. Große Menschenansammlungen gab es nur draußen im direkt anliegenden Park oder beim Matsuri. Letzteres konnte ich mir wegen des vollen Programms aber nur kurz anschauen. Beim Durchlaufen sahen die Preise für mich akzeptabel aus.

Allerdings hoffe ich, dass man nächstes Jahr versucht, mehr Japan-Flair zu erzeugen. Die ganze Messe fühlte sich irgendwie steril und kalt an. Es gab hier und da einige Akzente, aber man merkte an jeder Ecke, dass es sich bei dem Gelände eigentlich um ein Kongresszentrum handelt.

Konflikte habe ich nur wenige mitbekommen: Tokyo Revengers-Cosplayer, die sich mit entsprechender Symbolik durch die Kontrolle geschummelt haben, mussten nach Security-Aufforderung das Logo überkleben, am Sonntag wollten wohl diverse Personen über den Zaun der Matsuri klettern. Zudem habe ich vonseiten der Artists mitbekommen, dass die Connichi für diese im Vergleich zu anderen Messen weniger rentabel gewesen sei. 

Es gab wohl eine App. Diese habe ich zwar nicht genutzt, aber schön, dass es so eine Alternative zu dem üblichen Programmheft gibt. 

Alles in allem fand ich die Connichi 2023 sehr gelungen. Es gibt eigentlich nur wenig auszusetzen. Vor allem gibt es, so wie ich es mitbekommen habe, auch ausreichend Möglichkeiten, den Platz und die Nutzfläche noch zu vergrößern. Man darf also sicherlich gespannt sein, was die Organisation 2024 aus dem Hut zaubern wird. Es wird auch interessant sein, ob das Programm weiterhin so vollgestopft sein wird. Denn gerade im Vergleich zu anderen Messen und Conventions kann man ohne Probleme den ganzen Tag in den vielseitigen Programmpunkten sitzen.

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