Eternights Review: Zwischen Postapokalypse und Liebe

So schnell kann es gehen. 2022 auf einer State of Play von PlayStation angekündigt und mit einem „Early 2023“-Release versehen, war es am 12. September so weit: Eternights ist für PS4/PS5, den Epic Games Store und Steam (PC) erschienen. In dieser Review berichte ich, ob es meinen Erwartungen gerecht werden konnte.

Die Vision eines Einzelnen

Drei Jahre. So lange hat Studio Sai, beziehungsweise der Entwickler Jae Yoo, für Eternights, ein „Dating Action Game“, benötigt. Was als Einzelprojekt begann, wuchs zu einem Vorhaben heran, das für einen Indie-Entwickler durchaus beachtlich ist. Das Entwicklerteam wurde schließlich von einer auf drei Personen erweitert. Außerdem wurde mit Kepler Interactive ein Distributions- und Marketingpartner gefunden.

Nun erschien das Spiel also. Dabei wurde es sogar um neun Tage vorverlegt – eine wahre Seltenheit in der heutigen Gaming-Industrie, bei der eher das Gegenteil der Fall ist. So oder so, mit dieser Unterstützung kann das „Dating Action Game“ mit Sicherheit funktionieren. Oder?

Das Dating-Action-Game Eternights vermischt eine Liebesgeschichte mit adrenalingeladenen Kämpfen. Koste dein Leben in der Zeit der Apokalypse voll aus. Plündere Vorräte, erkunde Dungeons und … date, was das Zeug hält!

Etwas oder jemand hat die Menschen in gefährliche Monster verwandelt. Jetzt gieren sie nur noch nach Gewalt und Macht. Sie stehen zwischen dir, einem Heilmittel und der Welt, die du dir wünscht. Eins aber ist das Wichtigste. Du kämpfst nicht nur um dein eigenes Überleben, sondern um das Überleben derer, die du liebst. (Synopsis via PlayStation.de)

30 Tage bis zum Weltuntergang

Eternights beginnt, wie jedes JRPG nur beginnen kann: Wir sind ein ganz normaler Student, dessen Name frei wählbar ist, der zu Beginn mit seinem besten (und einzigen!) Kumpel Chani abhängt. Wie pubertäre Jungs eben so sind, gibt es versaute Unterhaltungen sowie die glorreiche Idee, ein Profil bei einer Dating-Plattform zu erstellen.

Als das erste Treffen mit einer unbekannten Schönheit vereinbart ist, geht die Welt unter. Plötzlich erscheinen riesige Mauern, die die Stadt von der Außenwelt abschirmen, während zahllose Einwohner durch eine Anti-Aging-Droge in Monster verwandelt werden. Auf der Flucht stoßt ihr mit einer unbekannten Schönheit zusammen und beschließt, gemeinsam Reißaus zu nehmen. Dabei entdeckt ihr, dass Menschen geheime Fähigkeiten besitzen.

Der erste Match direkt ein Treffer?

Mit dem plötzlichen Angriff durch eine unbekannte Dame sowie dem Verlust des rechten Armes und dem Anbringen eines neuen, transformierenden Armes durch eine Göttin ist der Tag dann komplett gelaufen.

Das, was nach der ersten Episode eines platten Ecchi-Anime klingt, ist der Start der elf- bis dreizehnstündigen Kampagne von Eternights.

Generell ist festzuhalten, dass Eternights nicht die beste Geschichte hat. Obwohl versucht wurde, dem Ganzen etwas Erzähltiefe und damit Nachdruck zu verleihen, sind es oft die Kleinigkeiten, die am Ende einen „Meh, was auch immer“-Eindruck hinterlassen.

Es fängt schon am Anfang mit den häufigen Dialogen um Chani an. Ich saß des Öfteren augenrollend am PC und wunderte mich nur, was ich da gerade gelesen habe. Einerseits ist es mutig, so etwas in ein Spiel einzubauen, da es eben auch Menschen gibt, die solche Dialoge führen, andererseits … muss es irgendwie nicht sein.

Hat man den Schock mit den Dialogen überstanden, hetzt man von Location zu Location, ohne eine wirkliche Pause. Der Spielbeginn ist dabei ein perfektes Beispiel: Um zu flüchten, muss das zusammengewürfelte Team zunächst von Bunker zu Bunker rennen. Sobald diese Flucht-Optionen verstrichen sind, muss man plötzlich zu einem Rettungszug. Hat man diesen erreicht, ist es nach dem nächsten Ladebalken plötzlich die Heimatbasis – nach nur einer geringen Erklärung wieso und weshalb.

Eternights hat viele dieser sprunghaften Momente im Storytelling, auch wenn es gegen Ende besser wurde. Immerhin fühlen sich die Charaktere dieser Welt organisch an.

Charaktere sind Licht und Schatten zugleich

Apropos Charaktere: Alle nennenswerten Figuren lassen sich an zwei Händen abzählen. Abseits des Teams um Yuna, Chani, Min, Sia und Yohan gibt es höchstens noch vier weitere Charaktere, denen Beachtung geschenkt werden sollte. Mit Yuna haben wir ein Idol, Sia ist der Nerd, Chani der perverse Kumpel, Min ist die athletische Kouhai und Yohan der Mysteriöse in der Gruppe. In der Tat lesen sich die Charaktereigenschaften wie aus einem x-beliebigen Anime. Dennoch schafft es Eternights nicht nur, dass sich die Figuren spürbar entwickeln, auch storytechnisch wurde versucht, den gesamten Main Cast einzubauen – egal ob es sich dabei um die Story oder das Gameplay handelt.

20 Tage bis zum Weltuntergang

Nun, die Story kann nicht ganz überzeugen, die Charaktere sind zwar liebenswert, aber nichts Besonderes. Wie sieht es mit dem Gameplay aus?

Jae Yoo ist nicht verlegen genug zu sagen, woher er den Einfluss nimmt: Eternights bedient sich vieler Elemente des Persona-Universums, vermischt es aber mit eigenen Ideen oder nutzt einen „Twist“.

Im Grunde verbirgt sich hinter Eternights ein Actionspiel mit leichten RPG-Anklängen. Es gibt Echtzeitkämpfe sowie schwere und leichte Angriffskombinationen. Einzelne Gegner besitzen eine Art Schild, die nur mit der entsprechenden Fähigkeiten wie beim Schere-Stein-Papier-Prinzip durchbrochen werden können. Dabei repräsentiert jedes Mädchen eine spezifische Fähigkeit. So ist Yuna die Healerin der Gruppe, während Sia Gegner, die einen Feuerschild haben, mit ihren Eisattacken zerstört.

Fähigkeiten können allerdings nur aktiviert werden, wenn die entsprechende Anzeige oben links gefüllt ist. Eine wichtige Komponente neben dem Angriff ist zudem das Ausweichen. Denn während den gegnerischen Angriffen hat man in einem (durchaus großzügigen) Zeitfenster die Möglichkeit, auszuweichen. Gelingt das, bewegen sich die Feinde in Zeitlupe, wodurch sich Gelegenheit bietet, die eigene Anzeige zu füllen.

Und das war es im Grunde eigentlich auch. Im Prinzip ist das Kampfsystem sehr rudimentär, trotzdem schafft es das Studio Sai, einen durchaus befriedigenden Spielfluss im Kampf zu generieren.

Abgerundet wird das Kampfsystem durch ein lineares Leveldesign, das nur wenig Raum zur Erkundung lässt – bis auf eine Währung zum Aufleveln im Skilltree gibt es nichts zu entdecken. Immerhin wird versucht, Abwechslung zu generieren, indem zwischen den Kämpfen Rätsel zu lösen oder Reaktions-Minispiele zu bewältigen sind.

EternightsPersona-Aspekt zeigen sich dagegen bei den Nicht-Kampfsequenzen. Mit der Zeitanzeige am rechten oberen Bildschirmrand im Blick, hat man es neben dem Kämpfen und Rätsellösen vor allem mit der sozialen Interaktion zu tun.

Man lernt Gruppenmitglieder genauer kennen, wenn man mit ihnen nachts – unter Zeitdruck – auf eine Suche zur Erfüllung gewisser Bedürfnisse (etwa Binden, Pflaster oder Flammenwerfer) geht. Dinge, die man eben tagtäglich braucht.

Dieses Gameplay-Element spielt sich relativ kurz, ist aber nötig, um das Teammitglied passiv zu verstärken und damit tagsüber auf Exkursionen beziehungsweise Dates gehen zu können. Pro Figur gibt es sieben Stufen zum Aufleveln. Je weiter ein Charakter aufgewertet wird, desto höher die Chance, das entsprechende Herz zu erobern.

10 Tage bis zum Weltuntergang

Optisch ist Eternights ein zweischneidiges Schwert. Auch wenn die Lichteffekte die Szenerie teilweise hervorragend in Szene setzen, sind es die hakeligen Bewegungsanimationen beim Rennen und die sterile Welt, die die Freude dämpfen. Immerhin wird versucht, eine visuelle Abwechslung zu generieren. Mal spielt die Geschichte im Industriegebiet der namenlosen Stadt, mal wird ein Krankenhaus besucht. Ein Großteil des Spiels ist in dunklen Gebieten angesiedelt, der weiß glühende Arm der eigenen Figur bildet hierbei einen direkten Kontrast. Auf diese Weise wird eine gewisse Atmosphäre aufgebaut.

Klares Highlight sind die animierten Zwischensequenzen und die Charakterdesigns. Erstere wurden, eventuell aus Budgetgründen, an verschiedene südkoreanische Animationsstudios outgesourct. Dadurch sind Unterschiede zwischen den einzelnen Sequenzen zu erkennen. . Aber: Das 2D-Artwork kann sich sehen lassen.

Musikalisch gibt es – vor allem am Anfang – eines: Stille. Die ersten Stunden sind geprägt von einer minimalistischen Musikkulisse, manchmal sind nur die Figuren beim Sprechen zu hören. Sonst nichts. Erst im Laufe der weiteren Spielstunden entfaltet sich ein Soundtrack, welcher dann durchaus divers ist: von Lo-Fi über episches Orchestra und klassischen Ballade im Ending bis hin zum Poplied von Yuna als Insert-Song. Kommt die Musik endlich in die Gänge, unterstreicht sie die Atmosphäre von Eternights gut.

Weitere Quality-of-Life-Features unterstreichen das Spiel ebenfalls. Untertitel werden in mehreren Sprachen angeboten –. von vereinfachtem Chinesisch bis Portugiesisch, auch Deutsch steht zur Auswahl. Doch damit nicht genug: Weiter gibt es die Möglichkeit, zwischen einer englischen und japanischen Synchronisation. Gerade die Möglichkeit, das Spiel auf Deutsch zu spielen, ist wrklich löblich.

Weniger erfreulich sind die Rechtschreibfehler bei den deutschen Untertiteln. Da es sich dabei zumeist nur um Buchstabendreher handelt, sind diese zum Glück aber kein Gamebreaker. Einige Dialoge lesen sich sehr steif und trocken, andere Passagen sind dagegen zu frei übersetzt. Zu guter Letzt, auch weil es in meiner Bubble viel diskutiert wurde: Alle Künstler und Mitwirkenden sind in den Credits zu finden. Auch die Namen der deutschen Übersetzer sind gelistet.

Drei Tage bis zum Weltuntergang

Keine Frage: Eternights ist ein ambitioniertes Projekt, das durch die Präsentation auf der State of Play einer großen Spielerschaft gezeigt wurde. Dementsprechend waren die Erwartungen mit Sicherheit höher – oder niedriger. Jedenfalls hat es Studio Sai geschafft, ein grundsolides Erstlingswerk zu veröffentlichen. Natürlich sollte es einem klar sein, dass hier kein taktisches Monster mit 100 verschiedenen Kombo-Fähigkeiten geboten wird. Für den Preis von 26,99 € können hier vor allem Fans zuschlagen, die ein kleines Indie-Studio unterstützen möchten und keine Probleme mit einem etwas seichteren Videospiel haben. Ich persönlich bin jedenfalls trotz der genannten Schwächen von Eternights sehr gespannt auf den zukünftigen Weg von Studio Sai.

Pro
Contra
Spielspaß
Ethernights (PC, Steam) 70%
Trotz seiner Ecken und Kanten ist Eternights ein kleines, charmantes und gelungenes Action-JRPG im Stile von Persona und Devil May Cry.

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