Bloom Into You und die Suche nach der eigenen Identität

Bloom Into You Banner

Bloom Into You aus dem Jahr 2018 ist in vielerlei Hinsicht ein herausragender Titel. In Zeiten, in denen gleichgeschlechtliche Liebe immer mehr akzeptiert wird, suchen und erfinden sich immer mehr Menschen neu – trotz aller Hindernisse. Doch Bloom Into You ist nicht nur deshalb großartig, sondern bietet auch aus künstlerischer Sicht Mut zur Selbstverwirklichung im Genre Shojo Ai. In diesem Artikel zeige ich genau, was ich meine.

Spoilerwarnung! Ich werde auf die Charaktere und verschiedene Szenen genauer eingehen.

(K)eine klassische Shoujo-Ai-Geschichte

Bloom Into You ist ein abgeschlossener Manga in acht Bänden, der zwischen 2015 und 2019 in Japan veröffentlicht wurde. Geschrieben und illustriert von Nio Nakatani erzählt er folgende Geschichte:

Yuu hat gerade ihr erstes Jahr an der Oberschule begonnen. Bei ihrer Mittelschulabschlussfeier gestand ihr ein Junge, der sie stets mochte, seine Liebe, doch sie hat ihm bis heute nicht geantwortet, denn sein Geständnis berührte sie nicht. Sie liebt Shoujo-Manga und hat fortwährend ein bestimmtes Bild davon, wie sich eine solche Liebeserklärung anfühlen sollte; jedoch fühlte sie dies nicht und fand über Monate hinweg nicht den richtigen Weg, darauf zu reagieren.

Nach wenigen Tagen an ihrer neuen Schule erlebt Yuu mit, wie Touko Nanami, ihr Senpai und Mitglied des Schülerrates, ein derartiges Liebesgeständnis mit Taktgefühl zurückweist. Wie sie später von ihr erfährt, ist sie niemals auf eines dieser Geständnisse eingegangen, weil sie wie Yuu auch nichts dabei fühlte. Ermutigt durch Nanamis Ehrlichkeit, sieht sie in ihr eine Gleichgesinnte und bittet sie um Rat, doch nachdem ihr Nanami geholfen hat, tut sie im Gegenzug etwas, womit Yuu nicht gerechnet hat. ((Beschreibung laut aniSearch.de)

Ein Titel für jene, die Antworten suchen

Bloom Into You lässt sich den Genres Shojo Ai, Romance, Alltagsleben und Drama zuordnen, doch es ist viel mehr als das: Es erzählt die Geschichte vieler Menschen, die nicht wissen, wohin sie gehören. Der Autorin gelingt es, aus einem Genre auszubrechen, das oft von Fanservice geprägt ist, ohne die Stärken aus den Augen zu verlieren oder die typischen Schwächen übermäßig auszubauen.

Das beginnt schon bei der Hauptfigur Yuu, die man gut als demisexuell bezeichnen kann. Der Begriff beschreibt Personen, die keine sexuelle Anziehungskraft an Personen jeglichen Geschlechts aufbauen können, ohne dass eine starke emotionale Verbindung besteht. Für Yuu besteht das Problem nicht darin, dass sie nicht lieben kann, sondern dass sie sich fragt, ob ihre Liebe zu Touko echt ist.

Für Menschen, die keinerlei Probleme haben, ihre Gefühle zu zeigen, ist diese Problematik oft nicht verständlich, für Yuu ist sie sogar noch unverständlicher. Gerade bei einer Person wie Touko, die in vielen Dingen den ersten Schritt macht. Touko selbst wird als perfekte Person in vielen Dingen dargestellt – sei es im Schülerrat oder in Bezug auf ihre Noten. Doch auch sie sucht jemanden, bei dem sie sie selbst sein kann, und findet genau deshalb Interesse an Yuu. Toukos aggressive Art gegenüber Yuu mag den Eindruck erwecken, dass sie weiß, was sie tut, aber auch sie ist hoffnungslos.

Die dritte im Bunde ist Sayaka, die bereits gleichgeschlechtliche Liebe erfahren hat und Yuu und Touko in vielen Dingen beneidet, aber selbst auch mit vielen Problemen kämpft. Das Tolle daran: All diese Probleme sind menschlich. Sie sind nicht wie bei anderen Genrevertretern melodramatisch oder an den Haaren herbeigezogen. Nein, sie spiegeln die Unsicherheit vieler wider. Bloom Into You schafft es sogar, das Thema Homophobie nicht zu ignorieren, was bei vielen Serien derselben Art ein großes Problem ist. Dank der audio

Kunstvolle Umsetzung als Anime

Bloom Into You wurde vom Animationsstudio TROYCA (Re:Creators, Aldnoah.Zero) animiert. Als Regisseur fungierte Makoto Katou und für die Musik war Michiru Ooshima (Little Witch Academia, Rothaarige Schneeprinzessin) zuständig. Sowohl Katou als auch das Team hinter ihm haben basierend auf dem Manga eine visuell erstklassige Arbeit geleistet.

Bei der Produktion von Anime stellt sich oft die Frage, ob es gut ist, sich künstlerisch auszuleben oder nicht. Viele Fans möchten eine 1:1-Adaption ihrer Lieblingstitel, bei der der gleiche Charme wie beim Manga abgerufen wird. Je nach Team und Budget, welches eingesetzt wird, ist dieses Problem einfacher oder schwieriger zu lösen.

Allerdings gibt es selten Werke, die über das Originalwerk hinauswachsen. Bloom Into You ist eines dieser Werke. Obwohl der Manga ebenfalls sehr gut ist, übertrifft der Anime ihn noch. Makoto Katou hat für Bloom Into You die Sprache der Blumen gelernt, eine Methode der nonverbalen Kommunikation, um Gefühle, Bitten oder Beschwerden auszudrücken. In der Serie selbst wird über Hortensien gesprochen, aber der Anime geht visuell noch einen Schritt weiter. Katou war für drei Episoden (1, 3, 6) der Serie als Regisseur tätig und auch für das Opening und Ending verantwortlich. Diesen Einfluss erkennt man deutlich.

Gefühle ohne Worte ausdrücken – die Blumen in Bloom Into You

Schon nach wenigen Sekunden im Opening sieht man mehrere Arten von Blumen. Diese hängen von der Decke herab, liegen auf dem Boden oder fliegen einfach nur umher. Diese Anordnungen sind bereits Indikatoren für die Charaktereigenschaften. Die Blumen, die direkt an den Charakteren haften, zeigen ihren allgemeinen Gemütszustand. Die Blumen, die die Charaktere umgeben, zeigen ihre Wünsche. Bei unseren Hauptcharakteren Touko und Yuu zeigen die Blumen nicht nur ihre Beziehung zueinander, sondern auch ihre jeweiligen Ansichten zur aktuellen Beziehung als Ganzes.

Hinweis: Die Sprache der Blumen variiert je nach Land. Alle Beschreibungen stammen aus der japanischen Sprache der Blumen (Hanakotoba).

Eine der ersten Szenen im Opening zeigt, wie zwei Blätter auf die Handflächen der beiden Protagonisten fallen. Dabei handelt es sich um Hortensien in den Farben Blau und Pink. Blau steht für „wunderschön, aber gefühlslos“, während Pink eine „starke Zuneigung“ symbolisiert. Anschließend werden wir mit Bildern von den Freundinnen der Hauptcharaktere, Koyomi und Sayaka, konfrontiert. Koyomis Blume ist eine gelbe Gerbera, die in Deutschland oft mit Trauerfloristik in Verbindung gebracht wird, aber in diesem Kontext positive und glückliche Emotionen vermittelt.

Im Falle von Sayaka haben wir zunächst die Kronen-Anemone. Ihre Bedeutung stammt aus einer Geschichte, die erzählt wird: Die Nymphe Anemona verdrehte dem Gott des Windes, Zephyr, mit ihrer Schönheit den Kopf. Als Flora, Zephyrs Gattin, davon erfuhr, raste sie vor Eifersucht und verzauberte Anemona in eine Blume, die Anemone. Die Blume symbolisiert etwa „vergängliche Liebe“.

Als nächstes sehen wir die Blumen, die in Sayakas Haaren stecken. Es handelt sich um Primeln, die für Verzweiflung stehen und im Falle Sayakas für vergängliche (Jugend)liebe, die sie bereits erfahren hat.

Im Opening wird auch die Situation von Yuu und Touko angedeutet.

Die Szenen um das Logo zeigen Aufnahmen von Sayaka und Koyomi in entfernter Perspektive. Vor allem fällt Yuus Situation auf: Umgeben von Blumen, die von der Decke hängen, sitzt Yuu in der Mitte. Der Teppich aus blauen Blüten und die von der Decke hängende Blumenwand fallen hierbei besonders auf. Diese Elemente symbolisieren Yuus Unvermögen, dasselbe zu fühlen wie Koyomi oder Sayaka. Außerdem hat Yuu keine Blüte am Kopf. In einer späteren Szene im Opening sieht man nur noch den leeren Platz von Yuu mit einem Geschenk von Touko auf dem Tisch.

In demselben Moment sieht man Sayaka zu Touko blicken, ehe sie den Sitzplatz verlässt. Sayaka versucht nach ihr zu greifen, streckt ihre Hand jedoch nur gegen die Wand aus Blumen aus. Auch hier symbolisieren die Blumen eine Barriere, die vor allem Sayakas einseitige Liebe zu Touko zeigt. Während Touko und Yuu Fortschritte in ihrer Situation und Gefühlswelt machen, bleiben ihre Freundinnen starr sitzen und sind mit ihren Gefühlen zufrieden (Koyomi) oder eben nicht (Sayaka).

Das Opening besitzt viele solcher Bilder und Momente, die Ereignisse andeuten, die im Laufe der 13 Episoden eine Rolle spielen.

Trotz kleinerer Schwächen ist die Umsetzung eines tollen Mangas gut gelungen

Bloom Into You ist eine Serie, die viele Tugenden einer klassischen Romanze bricht. So ist die Charakterentwicklung für viele wahrscheinlich zu zögerlich und die romantischen Momente sind nur beiläufig. Es wird viel mit Körpersprache angedeutet, und oft widerspricht das Gesprochene dem Dargestellten. Dadurch zieht die Serie hin und wieder stark die Bremse, was nicht jedem gefällt. Trotzdem ist Bloom Into You für viele viel mehr: Es ist eine eigene Geschichte der Unsicherheit.

Eine Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Letzten Beiträge