AniLog und das Spiel der falschen Erwartungshaltung

Jeder, der nicht nur die deutsche Anime-Community im Blickfeld hat, sondern auch in der englischsprachigen aktiv ist, hat folgende Meldung mitbekommen: Der YouTube-Kanal AnimeLog wurde ins Leben gerufen! Der Kanal hat ein hochgestecktes Ziel; dabei werden allerdings Erinnerungen an Daisuki.net wach. Dazu kommen noch weitere Faktoren, die die Erwartungshaltung ins Unermessliche steigen lassen. Was es mit AnimeLog auf sich hat und was man genau erwarten kann, erfahrt ihr hier!

AnimeLog – (K)Ein neuer Stern am Streaminghimmel?

Als Erstes sollten wir klären, was AnimeLog eigentlich ist. Leider gibt es zu diesem Betreiber diverse Falschinformationen, die vor allem aus der englischen Anime-Community stammen und dadurch verbreitet werden. Deutsche News-Seiten haben das ganze Thema sachlich beschrieben.

Mehrere japanische Firmen wie Toei Animation, Kodansha, Shogakukan, Nippon Animation und Tezuka Productions haben sich mit dem japanischen Unternehmen Analyzelog zusammengetan und das Projekt gestartet. Analyzelog wurde mit Geldern einer US-amerikanischen Investmentfirma gegründet und entwirft für Firmen digitale Unternehmensstrategien. Ziel des gemeinsamen Kanals ist es, bis 2022 etwa 3.000 Titel kostenlos auf YouTube anzubieten, wahlweise mit englischen oder chinesischen (Mandarin) Untertiteln. Je nach Erfolg möchte man bis 2022 die mitwirkenden Firmen auf 30 erhöhen. Damit soll gewährleistet sein, dass vor allem Familien auf ein stetig wachsendes Programm kostenlos zugreifen können.

Das klingt alles gut, und man darf gespannt sein, wie sich der Kanal entwickelt. Allerdings gibt es diverse englische Webseiten und YouTuber, die komplett falsche Dinge interpretieren und diese als Fakten weitergeben:

 

 

Es sollten einige Punkte klargestellt werden

Viele Anime-Seiten und Facebook-User nutzen vor allem Bilder bekannter Shounen-Hits wie Dragon Ball oder One Piece. Dadurch wird suggeriert, dass AnimeLog auch diese Titel in sein YouTube-Portfolio aufnehmen wird. Während der Kanal im Westen noch leer ist, ist er in Japan bereits mit diversen Anime gefüllt. Darunter befinden sich Serien wie Future Boy Conan (1978), Tico (1994) oder Porfi’s Long Journey (2008, World Masterpiece Theatre).

Anime, die etwa auf diesem Fake-YouTube-Channel auf dem Thumbnail zu sehen sind, sind eher nicht geplant; auch wenn es sich viele wünschen.
Ist AnimeLog eine Kampfansage gegen westliche Zensur? Eher nicht.

AnimeLog ist auch keine Antwort auf die angebliche Zensurpolitik von Funimation oder Crunchyroll. Zwar hat sich Funimation durch diverse Aktionen einen eher unvorteilhaften Ruf erworben, und auch Crunchyroll hat in der englischen Community bei einigen Die-Hard-Fans keinen guten Ruf. Aber AnimeLog ist weder eine Antwort auf die Dominanz der englischsprachigen Streaming-Anbieter noch haben die japanischen Lizenzgeber „genug von der westlichen Zensur“.

Was kann man also von AnimeLog erwarten?

Das wurde bereits in der offiziellen Pressemitteilung angedeutet:

There exists a problem of illegal video distribution service these days, but “AnimeLog” will distribute only officially licensed animations and operate as a safe channel that families can enjoy together.

Dieser Satz erklärt sehr gut, was AnimeLog sein möchte: Eine Art audiovisuelles Museum für ältere Titel, die sich an Familien richten und als Klassiker gelten. AnalyzeLog hat lediglich die Marktlücke erkannt, dass solche Titel nicht oder kaum im Westen streambar sind und die Chance genutzt.

Es ist also eher mit dem US-amerikanischen Anbieter RetroCrush vergleichbar. RetroCrush hat sich ebenfalls auf ältere Titel spezialisiert und erweitert regelmäßig seinen Katalog.

Kann es ein Daisuki 2.0 werden?

Erinnert sich noch jemand an Daisuki.net? Vergleicht man nämlich die Entstehungsgeschichte beider Plattformen, erkennt man diverse Gemeinsamkeiten. Ähnlich wie AnimeLog wurde Daisuki von mehreren japanischen Firmen gegründet. Toei Animation, Aniplex, Sunrise, TMS Entertainment, Nihon Ad Systems und Dentsu hatten gemeinsam mit Asatsu-DK das Ziel, dem illegalen Streaming den Kampf anzusagen und dabei Anime im Westen beliebter zu machen. Das Ganze wurde vom Anime Consortium Japan überwacht, das aus einem Joint-Venture bestand, das ebenfalls mehrere japanische Firmen umfasste: Asatsu-DK, Bandai Namco, Cool Japan sowie mehreren Anime-Studios.

Der Erfolg blieb aus, unter anderem weil man den japanischen Anime-Geschmack mit dem westlichen gleichsetzte und die Titel nicht das Geld einbrachten, das man sich erhofft hatte. Auf Daisuki konnte man zum Beispiel Mobile Suit Gundam ZZ und Aikatsu! streamen, unabhängig von der Region. Trotzdem waren es mit einigen Ausnahmen Titel, die in Japan erfolgreich und beliebt sind, aber im Westen weitestgehend kein Anklang fanden.

Daisuki war in der Theorie super, die Ausführung aber mangelhaft

Daisuki war von Anfang an kostenlos konzipiert, und die Geldgeber pumpten zwar fleißig Lizenzen in den Streamingdienst, aber der erhoffte Überflieger wurde der Anbieter finanziell nicht. Zwar stieg man im Laufe der Monate auf ein Bezahlmodell um, das ähnlich wie bei Crunchyroll funktionierte. Aber auch das konnte dem Dienst nicht zum Durchbruch verhelfen.

Auch hatte der Dienst selbst mit technischen Problemen zu kämpfen: Es gab keine HD-Option, die generelle Bedienung war suboptimal, und es gab weitere Probleme. Deshalb hat Bandai Namco, das mittlerweile der Haupteigner war, 2017 den Stecker gezogen. Der Dienst selbst wurde zwar nicht mehr aktiv unterstützt, trotzdem konnten Fans noch Dragon Ball Super im Simulcast schauen.

Damit schließt sich die Brücke von Daisuki zu AnimeLog.

AnimeLog hat mehrere Vorteile, die Daisuki nicht hatte

Daisuki war in der Tat eine nette Idee, aber das Ganze wurde schlicht zu früh und unausgereift auf den Markt gebracht. Seit Daisuki hat sich der Animemarkt stetig vergrößert, neue Player sind in das Streaming-Business eingestiegen, und auch die Sichtweise der japanischen Firmen auf dem westlichen Markt hat sich vor allem dank Netflix und Crunchyroll stark verändert. Und AnimeLog hat noch einen entscheidenden Faktor: YouTube. Das Ganze wird als YouTube-Kanal konzipiert. Dadurch entfallen ähnlich wie bei den Amazon Prime Channels die aufwendige App-Pflege oder andere technische Probleme. Man muss lediglich die Episoden hochladen und fertig.

Man darf also gespannt sein, wie AnimeLog einschlagen wird und welche Titel hochgeladen werden. Es wird jedoch keine Massen ansprechen, geschweige denn Crunchyroll herausfordern.

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