Review: 13 Sentinels: Aegis Rims belohnende Zeitreise

Der Westen wird nicht mit vielen Spielen aus Fernost versorgt. Zwar erscheinen auf digitalen Plattformen viele Spiele aus Japan, auch große Blockbuster-Titel finden ihren Weg zu den japanischen Fans. Abgesehen davon haben es diese Spiele aber schwer, mehr als den Status „Geheimtipp“ zu erreichen. Anders verhält es sich jedoch bei 13 Sentinels: Aegis Rim, für mich die vielleicht größte japanische Spiele-Überraschung des Jahres 2020.

„The Tower of Knowledge“

Zugegeben, man kann es niemandem verübeln, nichts von 13 Sentinels: Aegis Rim gehört zu haben. Das Spiel wurde nach über sechs Jahren in Entwicklung im November 2019 in Japan veröffentlicht. Spieler im Westen erhielten erst ein Jahr später eine lokalisierte Version. Im Westen kaum beworben, kursieren jedoch schon seit der Veröffentlichung in Japan dutzende Liebeshymnen und „Spiel es!“-Empfehlungen von verschiedenen Gamern auf der ganzen Welt. Verantwortlich dafür ist Vanillaware.

Vanillaware ist ein kleines Entwicklerstudio aus Osaka, Japan, das 2002 von George Kamitani gegründet wurde. Mit Titeln wie Odin Sphere und Dragon’s Crown konnte sich das Studio nicht nur früh eine treue Fanbase aufbauen, sondern bewies auch ein Händchen für traditionelle 2D-Optik und Experimente in der Erzählweise. Mit 13 Sentinels: Aegis Rim kamen nicht nur neue Produktionsmethoden hinzu, wie zum Beispiel das Verwenden von 3D-Hintergründen, sondern auch weitere Aspekte wurden anders umgesetzt als bisher von Vanillaware bekannt. Die Regie übernahmen nicht der Präsident und Ideenträger Kamitani selbst, sondern Yukiko Hirai und Emika Kida. Zuvor für die Sprites bei Dragon’s Crown zuständig, haben sie die Entwicklung von 13 Sentinels: Aegis Rim maßgeblich beeinflusst.

„Brat Overflow“

Genug über die Entwickler gesprochen! Jetzt geht es um die Geschichte.

Am 27. Mai in der Gegenwart wird in den japanischen Medien von mehreren riesigen Wesen berichtet, die plötzlich auf die Erde stürzten und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen haben. Der Ausnahmezustand wurde ausgerufen und die Menschen werden aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Inmitten des Chaos erkennt man mehrere Personen, die auf die Monster zurennen und dabei riesige Roboter beschwören, die sie steuern müssen. Ihre Mission? Die Wesen zu vernichten.

Was sind das für Wesen? Was ist ihr Ziel? Wer sind die Personen, die sich gegen diese Invasoren stellen? Wie kam es dazu?

Szenenwechsel, 15. Mai 1985. Wir übernehmen die Kontrolle von Juro Kurabe, einem durchschnittlichen Schüler an der Sakura-Oberschule. Seine Hobbys sind Science-Fiction-Werke und Mecha. Diese Begeisterung teilt er vor allem mit seinem Kumpel Kyuta. Allerdings wird Juro in letzter Zeit von merkwürdigen Träumen heimgesucht, die schon fast real wirken. Und er ist nicht allein. Auch andere Personen teilen dieses Phänomen.

13 Sentinels: Aegis Rim verbindet Juros Geschichte mit 12 weiteren Charakteren zu einer Geschichte, wie sie nur die Science-Fiction erzählen kann. Wenn man das Spiel startet, begibt man sich auf eine Reise durch verschiedene Epochen und die Erlebnisse der 13 Charaktere spielen dabei eine große Rolle.

„Unpredictable“

13 Sentinels: Aegis Rim lässt sich in drei Modi einteilen:

  • Story (Remembrance)
  • Kampfsequenz (Destruction)
  • Datenbank (Analysis)
„Remembrance“

Der Storymodus ist selbsterklärend und überlässt dem Spieler die Kontrolle über die 13 spielbaren Charaktere. Dabei schafft das Spiel nicht nur einen wunderbaren Spagat zwischen der Screentime der einzelnen Personen, sondern auch die Einzelschicksale heben sich erzählerisch voneinander ab. Während man bei einem Charakter eine klassische Zeitschleifen-Storyline im Stile von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ miterlebt, bekommt eine andere Figur die Geschichte eines Magical Girls. Dabei muss man immer die Zeitlinie im Blick haben, denn man kann die Hauptfiguren oft nur bis zu einem bestimmten Punkt spielen, bis dann ein Hinweis erscheint und ein Storypunkt einer anderen Hauptfigur erreicht werden muss. Die Erzählstruktur folgt dabei einer roten Linie, allerdings hat man bis zu gewissen Punkten freie Entscheidungsgewalt, mit welchen der 13 Charaktere man spielt. So oder so kommt man oft an einem Punkt an, der einer Sackgasse oder einem Game Over gleicht.

„Stagnation“

Bei vielen Visual Novels sieht man ein Game Over, aber 13 Sentinels: Aegis Rim geht einen Schritt weiter und wandelt diese in Ereignisse um, um den Spieler nicht frustriert vor dem Bildschirm sitzen zu lassen. Das Erlebte wird nicht von der spielenden Figur vergessen, sondern setzt weitere Puzzlestücke zusammen oder lässt den Spieler mit weiteren Fragezeichen zurück. Durch die Zusatzinformationen der „Game Over“-Route kann man nach einem neuen Lösungsansatz suchen, um die Geschichte weiter zu erleben. Das Storytelling verliert sich dabei nie in irgendwelchen Absurditäten, viele Dialoge und Hintergründe sind mit Popkultur-Referenzen gespickt. Das zentrale große Mysterium wird erst verstanden, wenn die Endsequenz beendet wurde und man wieder im Titelbild landet.

„Destruction“

Der Kampfmodus des Spiels ist ein Hybrid zwischen Echtzeit- und Rundenstrategie, gespickt mit einer Prise Horde-Modus, ähnlich einer klassischen Tower-Defense. Insgesamt gibt es über 30 Level zu meistern und man hat dabei die komplette Kontrolle über die 13 Charaktere und ihre Mecha. Die Roboter sind dabei in verschiedene Klassen unterteilt, auch lassen sich die Attacken individualisieren und aufrüsten. Das Tolle: Für Story-Puristen gibt es drei durchgehend wechselbare Schwierigkeitsgrade, während jene, die eine Herausforderung suchen, Extra-Challenges absolvieren können, um die Höchstpunktzahl zu erreichen. Storybedingt muss man aber auch hier aufpassen, denn die Charaktere unterhalten sich während der Gefechte. Das trägt nicht nur zur Immersion bei, sondern beleuchtet auch diverse Punkte der Story.

„Analysis“

Der dritte Pfeiler von 13 Sentinels: Aegis Rim ist die Analysis, eine Art Datenbank für die Geschehnisse des Spiels. Im Laufe der RTS-Gefechte bekommt man Punkte gutgeschrieben, die man zum Freischalten von Begriffen oder Personen im Analysis-Reiter verwenden kann. Sehr schön ist außerdem die Möglichkeit, die Ereignisse der Story chronologisch serviert zu bekommen. So kann man nach einer längeren Spielpause sehr einfach wieder in das Geschehen zurückkehren.

„The Chills“

Ein großer Spaßfaktor neben der gelungenen Story und dem soliden Gameplay sind nicht nur die japanischen Synchronsprecher, sondern auch die wahlweise deutschen oder englischen Texte, was für eine Visual Novel eher ein Novum ist. Ebenfalls erwähnenswert ist der Soundtrack des Spiels. Während die RTS-Gefechte eher chaotisch und industriell-elektronisch klingen, ist die musikalische Untermalung der Story selbst sehr passend gewählt und auch nie zu aufdringlich. Das Main Theme überzeugt mit einem Gesangspart in einer erfundenen Sprache, ähnlich wie bei Ghost in the Shell oder NieR: Automata. Verantwortlich für den Soundtrack war Hitoshi Sakimoto, der nicht nur andere Vanillaware-Titel komponiert hat, sondern auch bei Valkyria Chronicles und diversen Final Fantasy-Titeln mitgewirkt hat. Sämtliche Überschriften dieses Artikels sind Titel aus dem Soundtrack.

„Staring into the Void“

Geht man von einer Spielzeit von 30 Stunden (100%) aus, macht der RTS-Gameplaymodus 25% und Analysis 5% des kompletten Spiels aus. Der Fokus liegt klar auf der Story, die sich nach dem Tutorial entfaltet. Egal ob Spiele, Anime oder Manga, jedes Medium mit einer Zeitreise-Mechanik hat immer den Hang dazu, den Zuschauer/Leser/Spieler gemeinsam mit den Charakteren blind in die Welt zu werfen. Das ist auch bei 13 Sentinels: Aegis Rim der Fall. Deshalb macht der Titel auch so viel Spaß. Einen Großteil der Spielzeit rätselt man vor dem Bildschirm mit, was es mit den Sprüngen auf sich hat, wie die Charaktere zueinander stehen und vor allem deren Verbindung zueinander.

„Now or Never“

13 Sentinels: Aegis Rim war für mich ein absoluter Glücksgriff. Ich bin generell für Sci-Fi zu haben, und die Visuals haben bei mir gleich Vorfreude aufkommen lassen. Rückblickend ist 13 Sentinels ein großartiges Spiel für diejenigen, die eine gelungene Geschichte erleben möchten. Das Spiel schafft es, jedem Charakter genügend Screentime zu geben und spricht viele Themen an, die auch in absehbarer Zeit aktuell für uns Menschen sein werden.

Pro
Contra
Spielspaß
13 Sentinels: Aegis Rim (PlayStation 4) 94%
Vanillaware hat es wieder getan: Grandiose Sci-Fi-Novel mit RTS-Gameplay. Packende Story, tolle Charaktere, solides Gameplay-Fundament. Ein Muss für jeden JRPG oder VN-Fan!

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