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Sing a Bit of Harmony Review: Nur ein weiteres Teenie-Drama?

Am 26. Juli erscheint mit Sing a Bit of Harmony das zweite Werk von Regisseur Yasuhiro Yoshiura in den deutschen Kinos. Dank Kazé Deutschland durfte ich vorab einen Blick auf das Werk werfen. Ob sich ein Kinobesuch lohnt, erfahrt ihr hier!

Interesse erst auf dem zweiten Blick

Anime-Filme haben als Medium oft das Problem, in zwei Schubladen gesteckt zu werden: Entweder werden sie als Universen-Erweiterung gesehen, etwa in Form von den vielen Detektiv Conan-Filme oder Demon Slayer: Entertainment District Arc oder als Werk eines Visionärs wie im Fall von Mamoru Hosodas Belle oder Makoto Shinkais Your Name. Es muss also mindestens einer dieser Punkte zutreffen, um einen Film für mich als Animefan interessant zu machen. Bei Sing a Bit of Harmony ging es mir nicht anders. Erst als „Liebesfilm“ abgestempelt und prinzipiell kein Interesse mehr daran gehegt, fiel mir beim Angebot von Kazé Deutschland, den Film vorab zu schauen, ein spezieller Name ins Auge: Yasuhiro Yoshiura.

Yasuhiro Yoshiura ist ein Filmregisseur, der neben Patema Inverted vor allem für sein Werk Time of Eve aus dem Jahr 2008 (bzw. 2010) bekannt ist. Diese sechsteilige Serie, die auch als Film mit erweiterten Szenen umgesetzt wurde, wird von vielen zurecht als heimlicher Schatz für Sci-Fi-Fans bezeichnet und gehört zu meinen absoluten Lieblingstiteln. Kernthema von Time of Eve ist das Asimov’sche Robotergesetz, verpackt in einen Slice of Life-Anime mit einer wunderschönen ruhigen Atmosphäre mit Charakterentwicklung.

Dementsprechend war die Vorfreude dann doch groß, als ich gelesen habe, dass Yoshiura nach sechsjähriger Abstinenz wieder bei einem Film Regie führen durfte.

Highschool-Teenie-Drama trifft Sci-Fi trifft High School Musical

Die mysteriöse Shion kommt neu an die Schule in Keibu und steigt schnell zum beliebtesten Mädchen auf. Kein Wunder, sie ist schön, hat eine offene Art, ist dabei aber gleichzeitig sehr geheimnisvoll und hat außerordentliches sportliches Talent. Besonders erstaunlich ist ihr Gesang, der alle bezaubert. Zur allgemeinen Verwunderung hat es ihr die Einzelgängerin Satomi angetan, der sie unbedingt eine Freude machen will. Deswegen singt sie ihr ein Ständchen – mitten im Klassenzimmer! Bald darauf entdeckt Satomi Shions großes Geheimnis: Eigentlich ist sie der Prototyp einer neuen künstlichem Intelligenz, einer Androidin! Satomis Kindheitsfreund, der Technik-Nerd Toma, der attraktive Gocchan, die dickköpfige Aya und der Judoka Thunder lassen sich alle von ihrer Singstimme verzaubern und versuchen Shion bei ihrer Mission zu helfen. Was braucht ein Mensch, um glücklich zu sein? Offizielle Beschreibung von Kazé Deutschland

Der fast zweistündige Film lässt sich in zwei Teile teilen: In der ersten Hälfte gibt es neben der Erklärung der Hauptprämisse leichtes Alltagsdrama, um unter anderen die (Neben)Charaktere vorzustellen. Es sind jeweils einzelne Geschichten, die nicht nur die anfänglichen Diskrepanzen innerhalb der Clique illustrieren, sondern auch zeigen, wie Shion als KI-Roboter mit solchen Situationen umgeht. All das mit der Frage, die vor allem an den Hauptcharakter Satomi gerichtet ist: Bist du glücklich?

Die Probleme der Teenies sind meist relativ banal, etwa die fehlende Kommunikation zwischen einem Pärchen. Thunder hingegen ist als Judoka von einer Pechsträhne verfolgt und benötigt unter anderem Shions Hilfe, um in einem Duell das erste Mal überhaupt zu gewinnen.

Sind all diese Probleme gelöst, kommt man zum zweiten Teil des Filmes: Eine Art Abenteuer-Drama im Heist-Stil. Natürlich sind in dieser Welt nicht alle glücklich mit den getroffenen Entscheidungen. So ist der „Hauptantagonist“ ein Arbeitskollege der Mutter von Satomi, welcher dem Projekt Shion von Anfang an skeptisch gegenüber war. Durch diverse Umstände gelang es ihm, das Projekt vorzeitig zu beenden.

Die Clique, der Shion im Laufe des Filmes ans Herz gewachsen ist, möchte sie nun zurückholen – was dank Satomis Mutter natürlich auf spektakuläre Weise gelingt.

Musikalisch auf den Spuren von Disney & Co

Generell muss man sagen, dass hinsichtlich der Gruppe Teenies keinerlei Experimente gewagt werden. Wir haben die anfänglich stoische Heldin Satomi (Tao Tsuchiya), den Kindheitsfreund (und Technikfreak) Toma (Endou Asuka), die sture Aya (Mikako Komatsu) und deren Gocchan (Kazuyuki Okitsu), welcher der heißeste Typ der Schule ist, sowie Sportfreak Thunder. Und als Hauptmerkmal eben Shion, die Roboter-KI – ein absolutes Energiebündel, welches neben der Comedy im Film auch für eine große Portion Drama sorgt. Immerhin sorgt keiner der Charaktere für Kopfschmerzen, allesamt sind ordentlich geschrieben und auf irgendeine Art sympathisch.

Immer präsent: Roboter-KI Shion und ihr Gesang. Mehrmals im Laufe des zweistündigen Films singt sie und zeigt in den Songtexten die Probleme der Charaktere auf. Natürlich mit einer passenden Lösung. So vertragen sich alle Charaktere nach dem Lied und/oder machen charakterliche Fortschritte, was dem Film gut zu Gesicht steht.

Musikalisch bekommt man bei den Insert-Songs von Shion klassische Disney-Musik, wie man sie etwa in High School Musical hört. Also inklusive leichten Tanzeinlagen und dergleichen. Man muss so was mögen, herausgestochen hat eigentlich nur das „Motivationslied“ von Thunder, da es auch visuell sehr cool umgesetzt wurde. Die restliche Filmmusik (komponiert von Ryo Takahashi) bleibt dagegen belanglos. Die Musik passt immer zur Situation, allerdings gibt es kein Stück, das im Ohr bleiben würde.

J.C. Staff zeigt sich diesmal von der guten Seite

Für die Animation war das Animestudio J.C. Staff zuständig. Für viele war das Studio animationstechnisch in den letzten Jahren unterdurchschnittlich unterwegs (z.B. bei Toaru Majutsu no Index III), bei Animefilmen zeigt es aber, was es kann. So sieht Ai no Utagoe wo Kikasete richtig gut aus. Schnitzer sind kaum welche vorhanden, vor allem die Hintergründe sowie Charakterdesigns überzeugen. Diese wiederum stammen von der Mangaka Kanna Kii, welche im deutschen Raum vor allem für Ein Fremder am Strand bekannt ist.

Werke von Regisseur Yoshiura haben oft einen großen Anteil von 3D-CGI. Auch Sing a Bit of Harmony bleibt davon nicht verschont, aber hier die große Entwarnung: Man erkennt es kaum. Bis auf farbenprächtige „Netzwerk“-Einlagen im Stile von Summer Wars bleibt alles sehr stimmig und realistisch gehalten.

Deutsche Sprachausgabe überzeugt

Ich hatte außerdem die Möglichkeit, den Film in deutscher Sprachausgabe zu schauen. Satomi wurde mit Johanna Schmoll (Miranjo, Ranking of Kings) besetzt, Lin Gothóni (Yachiyo Nanami, Magia Records) bekam Shion. Technikfreak Toma übernahm Patrick Keller (Noa Hathaway, Gundam: Hathaway) während Aya von Moira May (Yuzu Aihara, Citrus), Gocchan von Nico Sablik (Genos, One Punch Man) und Thunder von Oscar Räuker (Jilk, Trapped in A Dating Sim) gesprochen wurde. Das Dialogbuch übernahm Bartosz Bludau und aufgenommen wurde in den Oxygen Sound Studios in Berlin.

Das wichtigste vorab: Auf Namenssuffixe wurde bis auf den Spitznamen Gocchan verzichtet. Und auch sonst überzeugen die deutschen Stimmen. Gerade im japanischen Original ist Shion sehr quirlig, da macht die monotone, mehr roboterartige Stimme von Lin Gothoni um einiges mehr her.

Dadurch, dass der Film trotz dem immer wiederkehrenden Schulsetting und den Sci-Fi-Elementen sehr bodenständig bleibt, profitieren die Sprechenden und das Dialogbuch enorm. Das von vielen Animefans kritisierte „künstlich gespielte“ ist dem deutschen Ton komplett fern – auch wenn es im japanischen Gang und Gäbe ist.

Einziger Wermutstropfen ist, dass die Gesangseinlagen auch im deutschen Dub auf Japanisch gesungen werden. Dabei werden deutsche Untertitel eingeblendet. Verpasste Chance, aber ich persönlich kann darüber hinwegsehen. Und trotzdem: Es macht Spaß, den Film in der deutschen Sprachausgabe zu schauen.

Viele Themen werden leider nur angeschnitten

Das größte Problem des Filmes liegt eher zwischen den Zeilen. Es gibt viele einzelne Dialoge und Momente, die einen Einblick in die Welt der Charaktere ermöglichen. So will die Mutter von Satomi nicht den Job verlieren, weil sie sich in einer Männerdomäne durchgesetzt hat. Oder die generellen Auswirkungen der Existenz von künstlicher Intelligenz auf das Leben der Stadtbewohner. Oder das ewig währende Thema Jung versus Alt. Der komplette Film schneidet diese Themen an, behandelt diese aber maximal mit einem One-Liner.

Gerade dieser Aspekt ist sehr schade, denn Regisseur Yoshiura hat mit Time of Eve gezeigt, wie so etwas in animierter Form aussehen kann. Auch wenn es nicht zum Kernthema des Films, d.h. dem Glücklichsein gehört, möchte man irgendwie davon mehr haben. Ja, im Endeffekt ist es immer noch eine Art Feelgood-Abenteuer-Drama-Film. Und als dieser funktioniert er.

Spaßiger Abendfüller – für mehr reicht es leider nicht

Es kann sein, dass ich durch Time of Eve und Patema Inverted mit anderen Erwartungen an Sing a Bit of Harmony herangegangen bin. Denn eigentlich macht der Film nichts falsch – trotzdem wollte der Funke nicht so ganz überspringen, sodass ich ihn nicht richtig „mögen“ kann. Trotzdem: Die Charaktere sind sympathisch, die Comedy stimmt und auch sonst gibt sich der Film sehr wenig Blöße. Nichtsdestotrotz wollte ich mehr von der Welt sehen und weniger eine Heist-Actionsequenz wie in der zweiten Hälfte des Filmes. Denn durch diese driftet der Film leider in eine etwas andere Richtung als es der Anfang vermittelt. Und damit nicht genug, wird die anfängliche bodenständige Geschichte mit Sci-Fi-Anleihen auch irgendwie ins Absurde geführt.

Wer dennoch eine Geschichte mit bodenständigen Dialogen und Charakteren sucht, wird hier seinen Spaß haben!

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