Fragt man deutschsprachige Anime-Fans, was sie vom Mecha-Genre halten, reagieren viele angewidert. Oft wird es als „langweilig“ abgetan und es heißt, dass es nur um kämpfende Roboter gehe. Die einzigen akzeptierten Mecha-Serien sind Titel wie Code Geass, Darling in the FranXX und Neon Genesis Evangelion. Doch woher kommt diese vollständige Abneigung gegenüber dem Genre und warum sollte man Mecha eine Chance geben? Ein Versuch der Erklärung.
Zunächst sollte geklärt werden, was das Genre Mecha überhaupt ist. Nicht jeder Anime mit Robotern ist gleich.
Der Ursprung des (japanischen) Mecha
Die Ursprünge des japanischen Mechas lassen sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs zurückverfolgen, als Japan die zerstörerische Kraft der damaligen modernsten Kriegstechnologie in Form von Atombomben erlebte, die über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden und die Städte zerstörten. Während der US-amerikanischen Besetzungsjahre (bis 1952 und dann Anfang der 60er Jahre) kam es in der Manga-Industrie zu einer Explosion von „künstlerischer Kreativität“, welche möglicherweise durch den Ausschluss des Mediums von der Zensurpolitik der US-Besatzung unterstützt wurde. Einer dieser Mangaka, Mitsuteru Yokoyama, nutzte dieses Schlupfloch, um eines der einflussreichsten Mangas aller Zeiten zu zeichnen.
Dieser erschien 1956 unter dem Titel Tetsujin 28-go. Tetsujin 28-go war der erste Manga, bei dem ein Kind als Hauptcharakter einen Mech extern per Fernbedienung steuerte. In der japanischen Popkultur akzeptiert und erfolgreich wurde das Genre allerdings erst mit Go Nagais Mazinger Z. Der Roboter Mazinger Z nutzte im Gegensatz zu Tetsujin einen Mech, welcher direkt von einem Menschen kontrolliert wird. Dieser musste dabei im Roboter sitzen. Mit dem großen Erfolg kamen natürlich auch die Nachahmer, die ein Stück vom Kuchen haben wollten. Bereits in den 1970er Jahren, die als „goldene Zeit der Mecha-Anime“ bezeichnet wird, gab es bei all den Mecha diverse Gemeinsamkeiten:
- die Mecha waren einzigartig,
- unzerstörbar,
- im „Enemy of the week“-Format präsentiert,
- Attacken wurden wie bei gängigen Shōnen-Serien geschrien/gerufen,
- Stärke der Roboter war immer überdurchschnittlich im Kampf,
- Super Robots wurden als „Helden“ dargestellt.
Mit dieser Formel erschienen einige Anime, bis Mobile Suit Gundam 1979 das Genre auf den Kopf stellte. Trotz anfangs schwachem Erfolg wuchs der Anime immer weiter und erlangte schnell Kultstatus. Das Mecha-Genre Real Robot war geboren. Auch die Story war für damalige Verhältnisse wegweisend: Anstatt einem „Enemy of the Week“ gab es in Mobile Suit Gundam eine fortlaufende Geschichte mit zwei politischen Extremen. So wurde ein Teil der Menschheit aufgrund der wachsenden Bevölkerung in den Weltraum deportiert. In einem Interview mit dem amerikanischen Anime-Magazin Animerica aus dem Jahr 2001 sagte Schöpfer Yoshiyuki Tomino folgendes zur Idee hinter Mobile Suit Gundam:
„Ich wollte eine Mecha-Serie haben, die im Gegensatz zum Super Robot-Genre realitätsnäher ist. Von Anfang an waren die Mobile Suits etwas Konzipiertes, was immer wieder durch technologischen Fortschritt verbessert wurde. Das waren die Roboter, die ich immer im Sinn hatte. Ich wollte eine Geschichte schreiben, die von dem Realismus umgeben ist.“
Folgende Dinge hat Mobile Suit Gundam verändert, um das neue Genre zu gründen:
- Der Hauptmecha ist eine Art Prototyp und einzigartig im Gegensatz zu den massenproduzierten Mecha.
- Sein hauptsächlicher Nutzen liegt in Kriegszeiten, obwohl er eingeschränkte Fähigkeiten hat.
- Die Geschichte des Mecha ist kontinuierlich und nicht episodisch und hat oft eine düstere Note (mit Ausnahmen).
Trotz miserabler TV-Quoten bei der Erstausstrahlung konnte sich Gundam dank später aufkommender Spielzeugverkäufe etablieren. Die durch Mobile Suit Gundam eingeführten Charaktereigenschaften sind in fast allen Mecha-Anime zu finden, die dem Real Robot-Subgenre zugeordnet werden können. Mit Anime wie Neon Genesis Evangelion und Darling in the FranXX ist diese Genre-Differenzierung jedoch nur bedingt anwendbar. Gerade letztere verwenden Eigenschaften des Super Robot-Genres (einzigartige Mecha), kombinieren diese jedoch mit dem Real Robot, der als Massenproduktion eingesetzt wird. Bei Gundam gibt es zwar ebenfalls einzigartige Mecha, aber diese sind als Prototypen deklariert.
Verschiedene Mecha wurden im Westen lizenziert
Denn: Trotz des Kultstatus vieler Mecha-Titel in Japan ist die Begeisterung für sie nur bedingt auf den Westen übergeschwappt. Der erste Mecha-Anime, der in Deutschland ausgestrahlt wurde, war 1979 UFO Robo Grendizer oder auch Goldorak: Kampf der Welten genannt. Auch danach gab es den Willen, mechanisierte Roboter nach Deutschland zu bringen, jedoch waren die Ergebnisse je nach Titel mehr oder weniger erfolgreich:
- Sci-Bots erschien in Japan zwischen 1978 und 1979, kam Ende der 80er auf 13 VHS-Kassetten, was maximal 40 Episoden entsprach. Status: Abgebrochen.
- Macross: In Deutschland erschienen 1986 nur 4 Episoden. Status: Abgebrochen.
Tatakae! Chou Robot Seimeitai Transformers, auch bekannt als Transformers, lief in Deutschland von 1989 bis 1994, jedoch wurde die Serie verwirrend auf RTL veröffentlicht. Status: Abgebrochen. - Saber Rider und die Star Sheriffs hingegen kann man als vollen Erfolg verbuchen. Nicht nur wurde die Serie in Deutschland komplett veröffentlicht (trotz diverser Einschnitte dank der US-Politik), sondern sie ist auch heute noch ein Kult-Klassiker und für viele alteingesessene Fans der Grund, warum sie sich überhaupt mit Anime beschäftigt haben.
- Im Jahr 2000 versuchte der mittlerweile in Vergessenheit geratene Publisher Kuraoka Entertainment die überarbeitete, farbige Version von Astro Boy in Deutschland zu vertreiben. Von der Serie, die ursprünglich 1980 in Japan erschien, schafften es jedoch nur 6 Episoden nach Deutschland.
- Trotz all der abgebrochenen Serien brachten der OVA-Boom und viele Filmlizenzierungen in den 1980er und 1990er Jahren diverse Mecha nach Deutschland. Dazu gehören Klassiker wie Patlabor, Bubblegum Crisis, Appleseed sowie verschiedene Mobile Suit Gundam-Filme wie etwa die Compilation-Filme oder Char’s Counterattack. Auch nicht zu vergessen: Mobile Suit Gundam Wing hat nicht nur in Deutschland eine große Fanbase, sondern erfreut sich auch international in den USA noch immer großer Beliebtheit.
Trotz einer Zusammenarbeit von Firmen wie Hasbro mit der japanischen Spielzeugfirma Takara bei Franchises wie Transformers brauchte es einen Titel, der zeigte, dass Mecha nicht nur den gängigen Schemata entspricht. Erst die Veröffentlichung von Neon Genesis Evangelion im Fernsehen zwischen Oktober 2000 und 2001 zeigte, dass Mecha (oder generell Sci-Fi) viel mehr sein kann als das, was die „Big Three“ (Arthur C. Clarke, Isaac Asimov, Robert A. Heinlein) mit 2001: A Space Odyssey, Starship Troopers oder Ich, der Roboter darstellten.
Doch wie sehen Mecha im Westen aus?
Während asiatische Mechas meist humanoid aufgebaut sind, sind westliche Mechas meist panzerähnliche, nicht humanoide Fahrzeuge mit festen Kanonen. Bekannte westliche Mechas wären aus Star Wars die AT-ATs oder die Dreadnoughts aus dem Warhammer 40.000-Universum. Auch das BattleTech-Universum sollte nicht vergessen werden. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Mechas im Westen als reine Kriegsmaschinen genutzt werden. Es geht hierbei ausschließlich um den Nutzen und die Funktion als Waffe. Gefühlt ist dies bei jedem Sci-Fi-Szenario so. Westliche Mechas konzentrieren sich sehr stark auf die Lore; auf die Welt, in der die Mechs eingesetzt werden. Japanische Mechas haben oft einen oder mehr Protagonisten, die die Mechas als „erweiterte Kampfmöglichkeit“ sehen. Dieser Fokus existiert in der westlichen Medienwelt nicht.
Natürlich gibt es Ausnahmen wie Titanfall 2, bei dem der Roboter neben dem Piloten „leben“ kann und mit dem Hauptprotagonisten interagiert. Das Spiel ist jedoch eine der seltenen Ausnahmen. Dieser Unterschied ist etwas, das man bei der Frage „Warum ist Mecha im Westen unbeliebt?“ beachten sollte. Denn dadurch, dass wir Mechs als Kriegsmaschinen verwenden, wirken Animes, die Mechas als stählerne Heldenkolosse verwenden, SEHR befremdlich und abschreckend. Durch diesen Umstand ist man als „normaler“ Anime-Fan bei diesem Thema oft überfordert. Dadurch kann es passieren, dass trotz Interesse eine Abneigung entsteht.
Trotz alledem gibt es noch weitere Vorurteile, die dem Mecha-Genre vorbelastet sind und teilweise schlichtweg nicht stimmen:
„Neon Genesis Evangelion ist zusammen mit Tengen Toppa Gurren Lagann und Code Geass wesentlich anders als andere Mecha-Serien. Deshalb mag ich nur diese und alle anderen Serien sind doof!“
Neon Genesis Evangelion hat, wie jeder andere bahnbrechende Titel, enorm viele Klone (z.B. RahXephon) hervorgebracht (siehe Sword Art Online mit dem Isekai-Genre). Tengen Toppa Gurren Lagann hingegen ist eine Hommage an das Super Robot-Genre und eine Anpassung an die moderne Otaku-Kultur. Zusammengefasst ist TTGL nur eine Art Best-Of von Getter Robo und Gunbuster.
Lest hier über das Isekai-Phänomen und was die Probleme des Genres sind
Code Geass hingegen ist ein moderner Mecha wie er im Buche steht. Vergleicht man Code Geass mit anderen Mecha aus dem Studio Sunrise, wie Mobile Suit Gundam 00, erkennt man, welche Schiene die damaligen Mecha fuhren. Gerade im Vergleich zu 00 gibt es nur sehr wenige Punkte, die Code Geass abheben lassen.
„Mecha-Anime sind immer gleich!“
Wie jedes große Genre hat auch Mecha seine Abwandlungen bekannter Konzepte. Gerade das größte Franchise im Genre, Mobile Suit Gundam, bietet hierfür enorm viele Beispiele, die dagegen sprechen. Mobile Fighter G Gundam vereint zum Beispiel klassische Fightning-Shōnen-Elemente wie Turnier-Arcs, gepaart mit Super Robot-Kämpfen älterer Mecha (was ein Bruch der Gundam-Tradition war). Gundam Build Fighters kann man als reine Werbeaktion für die Spielzeugreihe von Gundam, Gunpla genannt, sehen, bietet allerdings klassisches Highschool-Popcornkino wie man es aus vielen anderen Shōnen-Anime kennt. Mit Gundam 00 haben wir das bereits erwähnte, ähnliche Konzept wie bei Code Geass (übernatürliche Elemente in einem realistischen Setting) und mit Gundam: War in the Pocket sehen wir ein Antikriegsdrama aus der Sicht von Zivilisten. Bei Mobile Police Patlabor haben wir eine Krimi-Slice-of-Life-Geschichte. Und mit Macross erlebt man eine Space-Opera mit Musikeinlagen inklusive sehr guter Romanze. Wie man sieht: Es muss nicht immer um Politik, Krieg oder ähnliches gehen. Auch für viele ein vielleicht wichtiger Faktor: Mecha-Anime sind zu 95% Original-Anime, was bedeutet, dass es hier keine Manga- oder Romanvorlage gibt. Es gibt keine offenen Story-Enden und die Animes sind oft abgeschlossen.
„Ich kann mich bei den Kämpfen nicht in große Kampfroboter hineinversetzen; ich muss die Charaktere fühlen!“
Wie bereits erwähnt sind in vielen Mecha-Anime die Roboter eine Art „verlängerter Arm“ des Hauptcharakters, wie es etwa bei anderen Serien zu sehen ist – dort sind sie nur Schwerter, Geister oder haben andere Fähigkeiten. Emotionen lassen sich trotzdem auch in Mecha-Serien sehr gut übertragen, etwa wenn Waffensysteme streiken und dadurch Person X vernichtet wird. Durch Mecha ist es möglich, eine glaubwürdigere Situation zu erschaffen, als bei anderen Serien,
„Immer wenn ich Mecha sehe, sehe ich viele Ecchi- und Fanservice-Momente. Außerdem bestehen Mecha nur aus Actionszenen!“
Dieses Problem betrifft jedoch jedes Anime-Genre. Es gibt immer wieder Titel, die extreme Ausreißer machen, um für eine bestimmte Zielgruppe attraktiver zu sein, wie zum Beispiel die Existenz der 14-jährigen Yoko Littner in Tengen Toppa Gurren Lagann oder Anime-Serien wie Cross Ange. Das Problem dabei ist, dass diese Anime dementsprechend auch beliebter sind. Was die Action angeht, so besteht hier ein Vorurteil, das sich jedoch nur bei Mecha festgesetzt hat. Auch andere Genres haben ähnliche Probleme, die jedoch keine Probleme auslösen. Wie bereits erwähnt, kommt es hier auf die Titel an. Mecha ist nicht immer gleich Mecha, es gibt unzählige Varianten, wie man sie nutzen kann. Eine Action-Mecha-Serie wie Mobile Suit Gundam hat seine Action-Momente, unterbricht diese jedoch, um auch die Welt kennenzulernen und Charakterinteraktionen außerhalb der Mechs zu bieten.
Welche Mecha sind empfehlenswert?
Bei der riesigen Bandbreite an Mecha-Anime ist es schwierig, klare Empfehlungen zu geben. Dennoch möchte ich versuchen, hier eine Reihe von Anime zu nennen, damit man sieht, dass Mecha weitaus mehr sein kann als der erste (vielleicht negative) Eindruck vermuten lässt. Außerdem mögen viele Menschen Empfehlungen.
Titel | Jahr | Folgen | Besonderheit | Wo streambar? |
Mobile Suit Gundam: SEED | 2007 | 100 | Kein Gundam-Vorwissen nötig | Crunchyroll |
Mobile Suit Gundam: Iron-Blooded Orphans | 2015 | 50 | Kein Gundam-Vorwissen nötig | Crunchyroll |
Mobile Suit Gundam: The 08th MS Team | 1996 | 12 | Kein Gundam-Vorwissen nötig | – |
Mobile Suit Gundam: War in the Pocket | 1989 | 6 | Kein Gundam-Vorwissen nötig | – |
Mobile Suit Gundam: The Origin | 2015 | 6 (OVA)/ 13 (TV) | Prequel zu Mobile Suit Gundam aus 1979 | Crunchyroll |
SSSS.Gridman | 2018 | 13 | Super Robot-Vertreter | WAKANIM |
Macross Frontier | 2008 | 25 | Klassische Macross-Elemte gut verpackt | – |
Macross: Do You Remember Love? | 1984 | 1 | Kein Macross-Vorwissen nötig | – |
Full Metal Panic | 2002 | 49 | Mecha + Schoolcomedy & Romance | – |
Kidou Keisatsu Patlabor | 1989 | 7 OVA, 3 Filme, Serie | Mecha + Politthriller | – |
Kuromukuro | 2016 | 26 | Mecha mit Action und Slice of Life | Netflix |
Mellowlink | 1988 | 12 | Kein Votom-Vorwissen nötig | – |
Bokurano | 2007 | 24 | Psychological-Drama mit Kindern | – |
Vision of Escaflowne | 1996 | 26 | Isekai, Female Lead, Mecha mit Magie | – |
Oftmals lohnt es sich, Genres, die man anfangs nicht mag, genauer anzuschauen. Der Tellerrand sollte auch bei Mecha definitiv mal überschritten werden. Mecha wird oft Vorurteile nachgesagt, die nicht stimmen oder bereits bei anderen Anime-Genres gängig sind, dort aber akzeptiert werden.
7 Antworten
Wer sich mit Mecha befassen möchte, sollte sich auch mal an die größten Franchises wie das Brave und Eldran Franchise wagen. Deren Serien sind vorwiegend an Grundschul-Kinder gerichtet, haben aber grad in Amerika unter den Mecha Fans viele Anhänger.
Den wichtigsten Inhalt der großen Mecha Animes hast du nicht verstanden, und gerade diese in den Schmutz zu ziehen weil man nicht in der Lage war zu erkennen worum es eigentlich ging ist bemitleidenswert.
Wer einen Anime aufgrund einer Kategorie aufzugeben ebenso.
Bis auf die Geschichte über die Entstehung hättest du lieber ruhig sein sollen.
Wo ziehe ich die Anime in den Schmutz? Außerdem, jeden einzelnen der großen Anime zu analysieren hätte hier den Rahmen gesprengt. Und „Mecha und die Antikriegsthematik“ ist hier nicht das Thema.
Nur ein paar Tage, nachdem Gigguk sein zweites Mecha-Video hochgeladen hat? Lässt sich da jemand inspirieren? 😛
Der erste Entwurf war aus dem September. 😀
Was ist Dougram, Deiner Einschätzung nach?
Gruß Tron
Vielen Dank für diesen sehr aufwändigen und tollen Beitrag.
Tron