Moral und Sexualität in Japan – ein kultureller Vergleich mit dem Westen 1/2

Heute spreche ich über ein Thema, das die Anime-Community spaltet: Fanservice und Ecchi in Anime und Manga. Ich werde auf den Einfluss der Religion auf die Sexualität in Japan und die geschichtliche Entwicklung eingehen.

Bevor es jedoch zum Thema Anime und Manga geht, muss ein bisschen Grundwissen her:

Grundwissen

Sexualität und Pornografie sind in Japan bis zum Edo-Zeitalter (1603-1868) oder sogar früher zurückverfolgbar. Das Edo-Zeitalter war durch offene Sexualität geprägt, da die Stadt Edo (die damalige Hauptstadt Japans) zu 60% von Männern bewohnt wurde. Um die sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, wurde Prostitution unter staatlicher Kontrolle eingeführt.

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Shunga namens „Der Traum der Fischersgattin“

Dank der Shunga, die Bilder sexueller Handlungen darstellten, entstand auch die Pornografie. Es gab ein florierendes Geschäft mit Shungas und Holzblockdrucken, die sogar als Bücher an öffentlichen Bibliotheken ausgeliehen wurden. Nach der Meiji-Restauration 1868 ging die Produktion von Shungas aufgrund des Drucks der japanischen Regierung zurück. Man hatte Angst, dass der Westen Japan als rückständig ansehen würde.

Obwohl die Produktion von Shungas zurückging, existierte die Kunst im Untergrund und auf dem Schwarzmarkt weiter. Im 20. Jahrhundert galt sie jedoch als minderwertig und wurde im Ausland verramscht.

Der zweite Weltkrieg veränderte vieles

Während des Krieges war pornographisches Material komplett verboten. Nach dem Krieg waren jedoch gerade in Romanform sowie als Manga die explizite Darstellung von pornographischen Bildern erlaubt. Im Gegensatz dazu gab es in der Filmindustrie noch immer strenge Kontrollen. In den frühen 60er Jahren versuchten mehrere Filmstudios Filme für das neu aufkommende Konzept namens Pornokino zu produzieren. Da die strengen Kontrollen noch immer aktuell waren, wurde versucht, diese zu umgehen. Die Umsetzung davon ist das, wofür wir Japan heute kennen: Schmuddelfilmchen mit kontroversen Szenen wie Vergewaltigung, Bondage, und anderen umstrittenen Inhalten. Auch der Einsatz von anderen Lebewesen als Genitalersatz wurde eingesetzt.

Mit der steigenden Digitalisierung wurden immer weitere Arten ermöglicht, sexuell orientiertes Material zu produzieren. Dazu gehören Direct-to-DVD-Produktionen, Doujinshi oder eigene Videospiele.

Der Einfluss von Religion hinsichtlich Sexualität in Japan

Es ist wichtig anzumerken, dass es in Japan auch eine religiöse Tradition gibt, die sexuelle Aspekte umfasst. Die Shinto-Religion, die vor der Einführung des Buddhismus in Japan vorherrschend war, betont die Bedeutung von Fruchtbarkeit und Sexualität in ihrer Verehrung von Gottheiten, wie z.B. der Fruchtbarkeitsgöttin Okuninushi-no-Mikoto und der Göttin der Sonnengöttin Amaterasu-Omikami. Dies zeigt, dass Sexualität in Japan nicht nur als natürlicher Teil des menschlichen Lebens, sondern auch als spirituelle Angelegenheit betrachtet wird.

Es ist jedoch auch wichtig zu beachten, dass Japan, obwohl es offiziell eine Trennung von Staat und Religion gibt, immer noch von einer kulturellen Konditionierung geprägt ist, die von buddhistischen und konfuzianischen Werten geprägt ist. Diese Werte betonen oft die Bedeutung von sozialer Harmonie und Konformität und können dazu führen, dass bestimmte sexuelle Praktiken als unangemessen oder unmoralisch angesehen werden.

Im nächsten Teil geht es um die Zensur sowie die Auswirkung dieser auf Anime und Manga. Und auch was es mit dieser doch sehr unscheinbaren Werbung auf sich hat.
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3 Antworten

  1. „So ist der sexuelle Scham, den wir bei uns kennen, ein ganz anderer als der in Japan – während in Deutschland noch immer ungern über das Thema Sex gesprochen wird, ist dieses in Japan allgegenwärtig, und das empfinden viele Japaner sogar störend.“

    Wie kann ich mir denn das bitte vorstellen. Wird in den japanischen Medien ständig über Sex geredet bis es den letzten Japaner auf die Nüsse geht oder wird dieses Thema einem in Japan ständig vors Auge gedrückt?
    In Deutschland wird zwar untereinander tatsächlich eher ungern über Sex gesprochen, jedoch hab ich das Gefühl, dass die deutsche Medienlandschaft stark sexualisiert ist. Nackte Tatsachen bei „Berlin-Tag und Nacht“ oder in irgendeiner Scripted Reality Sendung auf RTL sind mittlerweile längst Normalität und auch in der Werbung wird das gerne genutzt.

    Dadurch ergibt sich in Deutschland eine extreme Diskrepanz in der man zwar ständig mit irgendwelchen sexualisierten Inhalten oder auch Pornographie konfrontiert wird, aber über den Sex an sich dennoch ungern redet. Dennoch gab es in Deutschland in der Vergangenheit mehrere Versuche das Thema Sex im Fernsehen als Gesprächsthema seriös aufzubereiten. Manche Sendungen hatten das gut hinbekommen, bei anderen hatte man das Gefühl, dass es den Moderatoren selbst peinlich war darüber zu sprechen und hatten sich wie präpubertäre Kinder benommen.

    Ich kann mir im übrigen nur schwer vorstellen, dass die Japaner tatsächlich so offen und liberal gegenüber diesem Thema sind. Da hab schon mal Japaner/innen gesehen, die deutlich verklemmter und verlegender reagiert haben als Deutsche nachdem man sie auf dieses Thema ansprach.

    1. > Wie kann ich mir denn das bitte vorstellen. Wird in den japanischen Medien ständig über Sex geredet bis es den letzten Japaner auf die Nüsse geht oder wird dieses Thema einem in Japan ständig vors Auge gedrückt?

      Damit ist eher die Auslebung der Fetishe gedacht – siehe Zensurumgehung, Loli, Shota, etc.

      In Japan ist vor allem die Persönlichkeitszone (kein Plan wie es heißt) eine ganz andere – werde das im zweiten Teil ansprechen.

      1. Alles klar.
        In Japan werden in der Tat deutlich mehr Fetische ausgelebt bzw. offener damit umgegangen. In Deutschland ist man ja gerade erst dabei BDSM anzuerkennen.

        Freue mich schon auf den zweiten Teil. 🙂

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