Das Thema Light Novel ist bei jedem Verlag, welcher Popkultur aus Japan nach Deutschland bringt, ein Dauerthema: Einerseits ist die Fanbase klein und relativ laut, andererseits ist die Produktion oft langwierig und teuer. Viele Fans finden es schade, dass das Thema Light Novel so stiefmütterlich behandelt wird. Doch das wird sich vielleicht ändern: Mit Dokico gibt es nun einen deutschen Verlag, welcher sich ganz dem Thema des „leichten“ Romans verschrieben hat. Passend zur Ankündigung darf ich euch exklusiv ein Interview mit dem Gründer, Maximilian Gottselig, präsentieren.
Dokico im Detail
Ich habe bereits einen Artikel über das Thema Light Novel in Deutschland geschrieben und bin dabei zum Entschluss gekommen, dass es für Verlage sehr hart ist, solche Titel zu veröffentlichen. Nun gründest du eine eigene Firma rund um das schwierige Thema. Wie kam es dazu?
MG: Mein Hauptgrund ist die mangelnde Auswahl hierzulande. Ich selbst bin großer Romance-, RomCom- und Shoujo-Fan, jedoch gehen die bislang veröffentlichten Light Novels meist eher in Richtung Mainstream / Best Selling oder Fantasy / Isekai. Blickt man auf den deutlich größeren US-Markt, dann vermisse ich bei uns eindeutig eine buntere Auswahl.
Ich wollte etwas an der momentanen Situation verändern und bin überzeugt, dass jeder Titel, der letztendlich auf dem Markt erscheint, eine Bereicherung für diesen ist. Vermutlich geht es einigen wie mir, die sich nach etwas anderem sehnen oder eine Light Novel lieber in der Muttersprache statt auf Englisch konsumieren möchten.
Was genau bedeutet Dokico? Und wieso hast du dich für ein Logo entschieden, welches eine Analogie zu der großen Welle vor Kanagawa darstellt?
MG: Schon vor der Gründung habe ich mir Gedanken gemacht, welche Titel ich am liebsten publizieren möchte, was mir auf dem Markt fehlt oder was dafür steht, was ich mit Dokico vermitteln möchte. Dabei entstand irgendwann „Dokico“. Die erste Herleitung war zwar dezent simpel – einfach eine Kombination aus Doki Doki (ドキドキ) und dem englischen Wort Comedy –, mein Gedanke dahinter ging aber in erster Linie in eine andere Richtung: Ich meine, dass eine gute Light Novel (oder auch Manga) beim Lesen unterhält; Gefühle vermittelt. Egal, ob diese positiv, negativ, Trauer oder Freude sein mögen. Vielleicht lässt es auch das Herz höherschlagen, weil die Geschichte einfach spannend oder lustig ist oder man sich vielleicht im umkämpften Protagonisten sieht. Dokico soll also mehr für all die verschiedenen Gefühle und Emotionen stehen, die man beim Lesen einer Geschichte empfindet.
Da greift dann die Welle. Für mich ist eine Geschichte nicht gleich wie die nächste. Ich musste also sofort an Wasser denken, denn Wasser hat zig unterschiedliche Formen. Geschichten können mitreißend wie ein Fluss sein, aber manchmal nehmen sie eher die Form wie ein vor sich hin plätschernder Bach oder Regen an. Da man die Welle vermutlich noch am leichtesten mit Japan assoziiert, empfand ich die Kombination von Welle als Wasserform mit dem Namen für mich perfekt.
Tatsächlich gab es nicht nur von der Welle zig Design-Entwürfe, sondern auch ein Entwurf, bei dem das Logo mit einem Herz kombiniert wurde, um das Doki Doki abermals hervorzuheben. Das wäre mir dann aber zu missverständlich gewesen, da ich am Ende nicht nur Romance- oder RomCom-Titel plane.
Mit dani books gibt es in Deutschland einen weiteren Manga-Verlag, welcher praktisch von einer Person, Jano Rohleder, gestemmt wird. Hast du dir von ihm oder anderen in der Branche arbeitenden Personen Tipps zur Unternehmensgründung geholt?
MG: Ja! Ein Verlag entsteht nicht über Nacht und wer denkt, so etwas ohne jegliche Pläne oder Konzept auf die Beine stellen zu können, ist sehr naiv. Ich habe mich zwar größtenteils mit Jano von dani books ausgetauscht, da dieser das Verlegen als Kleinverlag bestens kennt, aber habe auch ein wenig den Austausch mit anderen Kollegen aus Deutschland oder Amerika gesucht. Ich denke, Lea und Micha haben das letztens in einem Interview mit Prouwn recht korrekt ausgedrückt: Am Ende bietet man vielleicht auf die gleichen Lizenzen oder steht in Konkurrenz, dennoch kann man miteinander reden und geht sich nicht an die Gurgel.
Welche Hürden sind dir bei der Unternehmensgründung entgegengekommen?
MG: In vieles lässt sich mit etwas Recherche reinlesen, anderes ist etwas versteckter oder bekommt man nicht gerade auf die Nase gebunden. Ich denke, das „Schwierigste“ ist, neben dem Lizenzeinkauf, einen guten Vertriebspartner zu finden und sich schon frühestmöglich bei der Planung über all die anfallenden Kosten im Klaren zu sein.
Ein Thema, welches ebenfalls oft diskutiert wird, ist die Bezahlung der freischaffenden Mitarbeiter. Kannst du mir darüber einen Einblick gewähren?
MG: Konkrete Zahlen kann ich nicht nennen, aber meine Bezahlung befindet sich ungefähr auf Branchen-Niveau. Was ich aber zusätzlich etwas anders handhabe: Mit jedem Webshop-Verkauf des entsprechenden Titels beteilige ich den Übersetzer am Gewinn. Das ist mir persönlich äußerst wichtig, weil ich nicht nur Arbeit für Bestseller zusätzlich entlohnen möchte, sondern die Arbeit generell. Am Ende würde das Buch ohne Übersetzer ja gar nicht veröffentlicht werden können.
Viele kennen dich als Gründer und Initiator hinter dem Manga-Portal Manga Passion. Wirst du nun bei Manga Passion etwas kürzertreten? Kann man da nicht von einem Interessenkonflikt sprechen? Immerhin kommst du so an Details, die anderen Portalen verwehrt bleiben.
MG: Bislang wäre nichts dergleichen geplant, am Ende des Tages werde ich vermutlich einfach meine Zeit einteilen müssen, wie es passt. Ich selbst werde nicht jede Minute an den Light Novels arbeiten können – bei der Übersetzung kann ich beispielsweise nicht helfen~
Ob man von Interessenkonflikt sprechen kann? Bestimmt. Allerdings unterscheide ich da ziemlich. Ich bin am Ende nicht Manga Passion; Manga Passion sind mein Team und ich. Ich alleine bin aber Dokico und trage eine entsprechende Verantwortung für alles, was ich an Informationen erfahre. Leaks werden bei Manga Passion möglichst ohnehin vermieden, also würde ich auch meinen Vorteil von etwaigen Lizenz-Infos nicht nutzen. Alles andere findet man meist doch irgendwo publik – zumindest mit etwas Recherche.
Light Novels sind im Vergleich zu Manga oder Anime gefühlt immer noch nicht in Deutschland etabliert. Woran liegt das? Welche „Fehler“ haben andere Verlage gemacht?
MG: Ich würde nicht sagen, dass meine Branchenkollegen einen konkreten Fehler gemacht haben. Letztendlich versucht jeder seinen Teil beizutragen, auf seine Art oder mit seinen Titeln.
Große Verlage müssen am Ende auch ihre Mitarbeiter bezahlen und teils ganz andere Auflagen drucken, um für sich rentabel zu sein oder ihre Kalkulation zu erreichen. Light Novels sind eben in fast allen Bereichen deutlich zeitintensiver als Manga.
Ich selbst werde meine Preise entsprechend eher an normalen Büchern / Romanen orientieren. Das muss ich als Kleinverlag mit entsprechenden Auflagen einfach, da es sonst in keiner Kalkulation der Welt noch rentabel wäre oder man an anderen Stellen wie Aufmachung, Übersetzung etc. einfach massiv sparen müsste. Sollten nun innerhalb von kürzester Zeit die Auflagen zur Neige gehen oder das ganze Projekt einen großen Erfolg einfahren, würde ich die Preise entsprechend irgendwann anpassen. Aber das ist bislang eher Zukunftsmusik.
Das zukünftige Programm
Wie man der Pressemitteilung entnehmen kann, legst du zunächst einen großen Fokus auf das Genre der romantischen Komödien. Weshalb dieser Fokus und kann man irgendwann auch mit anderen Genre-Vertretern rechnen?
MG: Mein Programm wird zunächst danach ausgerichtet sein, was ich selbst gerne lese oder wovon ich denke, dass es auf dem deutschen Markt fehlt. Grundsätzlich einen Fokus auf RomCom plane ich nicht zwangsweise, ich habe auch schon die ein oder anderen Titel und Genre im Auge, kann aber noch keine konkreten Versprechungen machen. Sollte man einen Lizenzwunsch hegen, kann man diesen natürlich gerne einreichen. Ich werde mir zumindest jeden Wunsch anschauen und abwägen, ob dieser in mein Programm passt.
Wieso keine Isekai- oder Fantasy-Titel? Und wird es weitere Tabuthemen geben, die du auf jeden Fall nicht lizenzieren wirst oder kannst?
MG: Ein Tabuthema gibt es nicht. Ich lehne auch Isekai- oder Fantasy-Titel generell nicht ab. Ich selbst hätte da durchaus Titel, die ich hier gerne veröffentlichen würde. Aber wegen der bisher auf dem deutschen Markt erhältlichen Auswahl werden diese Titel auf jeden Fall nicht mein Fokus sein. Sollte es sich ergeben, kann es aber durchaus sein, dass mal ein Isekai- oder Fantasy-Titel in meinem Programm zu finden ist.
Mit wie vielen Titeln kann man pro Programm rechnen? Liegt der Fokus eher auf Einzelbänden oder längeren Reihen?
MG: Ich löse mich da etwas vom klassischen Konzept des Programms. Ich versuche circa ein Jahr vorzuplanen. Pro Jahr werden es dabei vermutlich mindestens drei Titel. Folgebände sind in dieser Zahl nicht inbegriffen.
Aktuell fokussiere ich mich eher auf kürzere Titel, Einzelbände oder für mich vielversprechend klingende, frisch gestartete Titel. Längere Reihen würde ich prinzipiell nicht ausschließen, sie müssten mir jedoch das Risiko wert sein. Wenn ein Titel genug positives Feedback bekommen würde, sodass ich weiß, dass auch längere Reihen bei mir angenommen werden und sich die Verkäufe mit einem 10. Band nicht im zweistelligen Bereich bewegen, dann würde ich dies auch nicht ausschließen.
Kann man auch mit deutschen oder anderen nicht-japanischen Produktionen rechnen?
MG: Der Fokus liegt in den ersten Jahren definitiv auf japanischen Produktionen. Ich möchte jedoch nicht ausschließen, mich irgendwann vielleicht auch an koreanische, chinesische oder deutsche Produktionen zu wagen.
In der Pressemitteilung wird der Preis mit 19,99 € für die Standardausgabe bzw. 29,99 € für die Limited Edition beziffert. Welche Art von Extras darf man erwarten und – vor allem – wieso wird mit einem höheren Verkaufspreis kalkuliert im Vergleich zur Konkurrenz?
MG: Dass meine Standardausgabe teurer ist, liegt an einer anderen Kalkulation. Als Kleinverlag ist es nicht möglich, wie die großen Verlage zu kalkulieren. Ich kann verstehen, dass dieser Preis aus Fan-Sicht zunächst hoch erscheint, aber je nach Erfolg könnte sich der Preis für zukünftige (Bände oder)Titel reduzieren. Jedoch muss man ebenfalls bedenken, dass die Herstellung einer Light Novel in manchen Bereichen teurer und umfangreicher ausfällt.
Bei den Extras kommt es auf verschiedene Faktoren an. Zum einen, welche Materialien eventuell in Japan verfügbar sind und zum anderen, was sich vertraglich machen lässt oder man machen darf. Bei meinen Limited Editions reden wir von viel kleineren Auflagen als die Standardausgaben, die trotz allem genauso Kosten verursachen. Pauschalisieren lässt sich das mit dem Extra also nicht zwangsweise. Aktuell kann ich nur konkret eine Kurzgeschichten-Sammlung als Extra bestätigen.
Wieso überhaupt eine Limited Edition, wenn sich – laut Kollegen – Light Novels nur bedingt verkaufen?
MG: Ich denke, dass sehr viele Leser in Deutschland Limited Editions lieben – mir inklusive. Aber gerade bei Light Novels hat sich bisher außer TOKYOPOP mit Yona – Unter demselben Mond noch keiner auf längere Sicht herangetraut. Ich möchte hier anders verfahren und zumindest die Option geben, dass auch Light-Novel-Fans in den Genuss einer Limited Edition kommen können.
Werden diese besonderen Editionen nur im eigenen Webshop vertrieben oder bekommen auch Großhändler wie Amazon, Thalia & Co. Ausgaben?
MG: Diese Ausgaben sind aufgrund der kalkulatorischen Herausforderung exklusiv für den Webshop vorgesehen.
Wird es die Romane auch als eBook geben?
MG: Ja! Vielleicht sogar ein paar Wochen oder einen Monat digital-first. Aber das kommt ein wenig darauf an, wie schnell / langsam am Ende alles vonstattengehen wird und auch wie Papier & Druckereien mitspielen.
Wann kann man die ersten Lizenzankündigungen erwarten? Und wie werden sie angekündigt? Mittlerweile gehen solche Ankündigungen entweder mit einem Rätsel daher oder per Livestream. Wie wird es bei dir aussehen?
MG: Die erste Lizenz wird voraussichtlich am 28. Oktober auf Manga Passion verkündet. Wie die kommenden Lizenzen danach angekündigt werden, habe ich noch nicht entschieden.
Wird man dich außerdem auf kommenden Messen sehen? Kann man da ein spezielles Programm erwarten? Gibt es schon Pläne in dieser Richtung?
MG: Konkret ist noch nichts geplant. Es wird aber bestimmt die ein oder andere Aktion geben. Ob diese dann auf Messen, im Handel oder Webshop geschehen werden, werde ich in Zukunft entscheiden.
Wie kann man dir Lizenzwünsche zukommen lassen?
MG: Gerne per Social Media (Twitter oder Instagram), Discord oder per E-Mail an lizenzwunsch@dokico.de.
Gibt es noch etwas, was du meinen Lesenden sagen möchtest?
MG: Ich hoffe, ihr freut euch genauso sehr auf die Zukunft, wie ich es tue! Eventuell findet ihr auch die ein oder andere Light Novel in meinem Programm, die ihr cool findet oder die euch anspricht.
Vielen Dank für die Möglichkeit des Interviews, Max!
Eine Antwort
Als großer Light Novel Fan wünsche ich Dokico alles gute. Ich liebe Fantasy (nicht Isekai, aber oft sind Fantasy Novels eben auch Isekais) aber RomCom kommt direkt an zweiter Stelle. So lange mich ein Titel auch nur im entferntesten anspricht, werde ich ihn mir auf jeden Fall zumindest als Ebook holen. Und sollten für mich echte Highlights dabei sein, gerne auch physisch als Special Edition 😉
Ich bin sehr auf die ersten Lizenzen gespannt