The Caligula Effect 2 Review: Gelingt die erneute Flucht aus der virtuellen Realität?

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Mit The Caligula Effect 2 ist am 18.10.2021 ein Game-Sequel erschienen, das von manchen vielleicht nicht erwartet wurde. In diesem Test wird sich zeigen, ob sich die erneute Rettung aus der virtuellen Realität lohnt.

The Caligula Effect: Technische Probleme, Studiowechsel und Re-Release

Das Erstlingswerk erschien 2016 in Japan exklusiv für die PlayStation Vita, bevor es ein Jahr später weltweit digital über Atlus für eben diese Plattform veröffentlicht wurde. Das Spiel wurde von Aquria entwickelt. Bedingt durch die technischen Limitierungen der Vita war diese Version von The Caligula Effect ein Spiel mit vielen technischen Mängeln und Bugs. Allerdings gab es auch Probleme im Bereich der Qualitätskontrolle, wodurch viele Dialoge und Szenen absurd wurden. Kurz nach der Veröffentlichung im Westen kündigte der japanische Publisher FuRyu eine Neuauflage an: The Caligula Effect: Overdose sollte nicht nur technisch verbessert werden, sondern es wurde auch neuer Content hinzugefügt.

In Overdose war es möglich, zwischen einer männlichen und einer weiblichen Spielfigur zu wählen. Im Vergleich zur Ur-Version gab es auch einen neuen spielbaren Charakter und alternative Enden inklusive einer Storyline, um die Gegnerseite kennenzulernen. Overdose wurde jedoch nicht von Aquria, sondern von Historia Inc. entwickelt. Diese japanische Entwicklerschmiede war bisher eher für Hilfsarbeiten bekannt als für eigene Produktionen. The Caligula Effect: Overdose wurde nicht mehr von Atlus, sondern von NISA vertrieben. Außerdem wurde das Spiel für die Nintendo Switch, die PlayStation 4 und den PC veröffentlicht. Obwohl es typisch für JRPGs an einer biederen Präsentation krankt, kann es vor allem musikalisch punkten, da die Story um Mobius und die sogenannten Virtual Dolls stark von Vocaloid beeinflusst wird.

Am 18.10 erschien nun The Caligula Effect 2, eine Co-Produktion zwischen FuRyu und Historia Inc. Das Spiel wird erneut von NISA vertrieben.

The Caligula Effect 2: Fortsetzung mit neuen Charakteren und anderem Fokus

Regret, eine Virtuadoll, hat die Welt von Redo erschaffen, um die Menschen vor ihrer bedauerlichen Vergangenheit zu bewahren, indem sie die Menschheit unwissentlich in einer Simulation einsperrt. Dieses „Paradies“ wird jedoch tief zerrüttet, als ein virtuelles Idol namens χ in die virtuelle Realität von Regret eindringt und die Erinnerungen eines Schülers an die reale Welt wiederherstellt. Um Redo zu entkommen, rufen sie den Go-Home-Club erneut zusammen, eine Widerstandsgruppe, die Regret und ihre Vollstrecker, die Obbligato-Musicians, herausfordert. (Offizielle Spielbeschreibung laut Amazon)

The Caligula Effect 2 setzt fünf Jahre nach dem ersten Teil ein. Nachdem man sich entschieden hat, ob man mit einer männlichen oder weiblichen Hauptfigur spielen möchte, kann man auch den Namen des Charakters wählen. Schon nach kurzer Zeit erfährt man die Wahrheit über die Welt, in der wir leben. In typischer JRPG-Manier erweitert sich schnell die Go-Home-Truppe um neue Charaktere, die man im Kampf einsetzen kann. Jeder dieser Figuren hat ihre eigenen Motivationen und Probleme, die dazu geführt haben, dass sie in die Welt von Redo geraten sind.

Statt auf (gesellschaftlichen) Idealen wie im ersten Teil liegt der Fokus nun auf „Regret“, der namensgebenden Antagonistin. Was war der Wendepunkt im Leben der involvierten Wesen? Was wäre gewesen, wenn sie eine andere Wahl getroffen hätten? Sind sie damit zufrieden, hat ihnen Redo die Erlösung gebracht oder bereuen sie ihre Entscheidung?

All das erfährt man unter anderem in sogenannten Charakterepisoden. Pro Figur gibt es neun Stück. Diese sind komplett optional, erklären aber die Beweggründe und Reaktionen der jeweiligen Figuren.

Im Vergleich zum ersten Teil wirkt die Story runder und die Charaktere besser ausgearbeitet, auch wenn sie bekannte Stereotypen und Tropes darstellen. Was die Entwicklung der Figuren angeht, erkennt man deutliche Fortschritte. Wie im ersten Teil ist jedoch die Hauptstory, was die Erzählgeschwindigkeit angeht, sprunghaft. Mal bekommt man sehr viel Story-Input, nur um sich im nächsten Moment zu fragen, wieso schon wieder eine Leerphase folgt. Das Ende erfolgt trotz eines imposanten Bosskampfes leider sehr abrupt.

Mäßige Technik und Inszenierung

Während die Charakterdesigns von Oguchi wie im Erstlingswerk begeistern, ist die technische Seite von The Caligula Effect 2 nur mäßig beeindruckend. Zwar ist die Unreal Engine 4 wie beim Vorgänger und Remake im Einsatz, aber das Spiel wirkt wie mehrere Jahre zu spät erschienen. Abseits der Kämpfe kommt es durchaus zu kleineren Stottermomenten, wenn man sich in der Spielwelt umschaut. Je nach Situation sind diese stärker oder schwächer ausgeprägt, aber sie fallen definitiv negativ auf. Auch wenn die Grafik nicht auf dem neuesten Stand ist, sollten solche Probleme einfach nicht auftreten. Visuell erinnert das Ganze eher an ein spätes PlayStation 3/frühes PlayStation 4-Spiel aus dem Jahre 2013/2014.

Die Zwischensequenzen in Ingame-Grafik sind geprägt von hakeligen Animationen. Immerhin gibt es technischen Fortschritt: Schließlich wird nicht mehr die PlayStation Vita als Hardware-Basis verwendet. Dadurch sind die Texturen der Dungeons nicht mehr so polygonarm. Trotzdem wirkt die Umgebung steril. Auch bewegen sich die Münder der Charaktere zur japanischen Synchronisation, was bei JRPGs eher selten vorkommt.

Ansonsten gibt es optisch das komplette Repertoire, das Anime hergibt. Egal ob U-Bahn, Schule, die klassische Bibliothek oder das Planetarium. Jeden Schauplatz, den man in Caligula Effect 2 besucht, kennt man bereits aus anderen japanischen Medien. Das ist an sich nichts Schlechtes, aber japanische Entwickler könnten durchaus mehr Mut zeigen.

Wie auch das Erstlingswerk ein musikalisches Highlight

Technisch ist das Spiel also unausgereift, die Inszenierung altbacken. Wo The Caligula Effect 2 wie auch schon der Vorgänger punkten kann, ist der Soundtrack. Verdammt, ist der gut.

Ja, es ist im Endeffekt nur J-Pop/Rock bzw. Vocaloid, aber Mann, macht es Spaß, die Lieder im Dungeon-Kreislauf zu hören! Doch damit nicht genug: Während man beim Erkunden der Dungeons eine rein instrumentale Version ohne Gesang hört, wechselt diese im Kampf nahezu sofort zur Version mit Gesang. Und in den Boss-Kämpfen gibt es anschließend als Highlight zum finalen Kampf einen „besonderen“ Remix des Themes, das gespielt wurde.

Musik ist generell ein großes Thema bei The Caligula Effect. Nicht nur dreht sich die Story praktisch um eine Vocaloid-Antagonistin, auch die Lyrics behalten die Thematik der jeweiligen Antagonisten bei. Und optisch gibt es bei den Kämpfen ebenfalls ein cooles Highlight: Die japanischen Lyrics werden an den Spielrand projiziert.

Dass der Soundtrack so gut funktioniert, verdanken wir nicht nur Tsukasa Masuko, dem Sound Director. Auch sind die Lieder allesamt von Vocaloid-Produzenten komponiert worden. So ist das Theme von χ, dem virtuellen Idol und Begleiter bei Kämpfen, von sasakure.UK komponiert worden. Er ist, wie viele andere Vocaloid-P-Musizierende, für die Musik von Hatsune Miku bekannt geworden. Andere Vocaloid-P, die an Caligula Effect 2 mitgewirkt haben, sind unter anderem:

  • Nulut
  • Ayase.
  • kemu
  • Police Piccadilly

Für einige mit Sicherheit interessant und wichtig: Während der Text auf der Verpackung des Spiels Deutsch ist, wird der Text im Spiel lediglich auf Englisch angeboten. Hier und da wurden kleinere Satzfetzen aus dem Japanischen nicht übersetzt. Das stört zwar, beeinflusst den Lese- und Spielfluss aber wenig. Als Sprachausgabe gibt es lediglich die japanische Originalfassung.

Welches Kampfsystem wird verwendet?

Die Kämpfe sind eine Mischung aus rundenbasiertem und Echtzeitkampf, bei dem der Kampf unterbrochen wird, während man Charakterbefehle auswählt. Alle Angriffe und Fähigkeiten werden jedoch gleichzeitig ausgeführt. Bei der Auswahl eines Angriffsziels für eine Fertigkeit ruft das Spiel sein „Imaginary Chain“-System auf. Dieses zeigt die Ergebnisse aller Attacken und Aktionen von Verbündeten und Gegnern an und damit die Chance, dass ein bestimmtes Manöver erfolgreich ausgeführt wird. Jede der im Kampf steuerbaren Figuren besitzt dabei eine Rolle und ist in dieser besonders effektiv. Zwischen all den Kämpfen können über 500 NPCs besucht werden, um Sidequests zu erfüllen und die Statistiken der Spielfigur zu verbessern. Die Waffen der Charaktere können nicht ausgetauscht oder verbessert werden, dafür aber deren sogenannte Stigmata. Pro Spielfigur gibt es je 1x Angriff und Verteidigung sowie 2x „generelle“ Punkte, die sich entweder weiter spezialisieren lassen oder andere Fähigkeiten gewähren.

Als Superfähigkeit kann man durch Drücken der Dreieckstaste das Virtuadoll χ singen lassen. Dadurch werden der Vierer-Kampftruppe Debuffs zugefügt oder der Angriff wird verstärkt. Diese Fähigkeit lässt sich dann im Hub des Go-Home-Clubs (einer fahrenden U-Bahn) verbessern.

Zwar hört sich das Kampfsystem in der Theorie interessant an und die Kämpfe machen durchaus Spaß, aber es gibt kleinere Schwächen, die sich hätten vermeiden lassen können. Was bringt einem die Attacken-Vorschau, wenn man nicht genau weiß, ob die Attacke effektiv oder ineffektiv ist? Auch kann man die Attacken nicht sortieren, da sie fest verankert sind und sich nur nach unten erweitern. Es kam bei mir außerdem durchaus öfter vor, dass ich einfach nur die X-Taste durchgehend gedrückt habe. Vor allem bei gleichleveligen Mobs hat das Zeit (und Nerven) gespart.

Außerdem klingen 500 NPCs inklusive Nebenmissionen zwar nett und sind mit Sicherheit ein nettes Feature, aber die Missionen sind leider sehr belanglos und grindig. Es gibt nur eine Handvoll Sidequests, die man auch so nennen kann: Es gibt Zwischensequenzen, „hervorstechende Figuren“ und Anforderungen. Der Rest ist simples „ich brauche X und dann Y“. Erschwerend hinzu kommt das Suchen der Questgeber, wenn man die Anforderungen erfüllt hat. Immerhin wird eine Welt simuliert und die Charaktere bewegen sich zwischen den Leveln. Man fragt sich schnell, ob das Questen den (sehr geringen) Mehrwert in Form von Gegenständen/Währung und leicht besseren Werten lohnt.

Solide Fortsetzung mit dezenten Verbesserungen

Was kann man also über The Caligula Effect 2 sagen? Es ist eine solide Fortsetzung eines soliden JRPGs. FuRyu und Historia haben mit The Caligula Effect 2 eher kleine Schritte nach vorne gemacht und der Basis den ein oder anderen Feinschliff gegeben. Die negativen Aspekte wurden allerdings 1:1 vom Vorgänger übernommen. Der Grind ist immer noch enorm, viele Nebenmissionen sind einfach sinnlos und das Kampfsystem ist in der Theorie nett, aber in der Praxis wird man aufgrund seiner Langatmigkeit bei weitem nicht alle Aspekte ausnutzen wollen.

Fans des ersten Teils werden mit Sicherheit ihren Spaß haben, aber Neueinsteiger sollten diverse Schmerzresistenzen mitbringen, denn es wird leider schmerzhaft sein.

Pro
Contra
Spielspaß
The Caligula Effect 2 (PlayStation 4) 74%
Technisch stagnierende, solide Fortsetzung mit einem tollen Soundtrack. Fans des ersten Teils können ohne Probleme zugreifen, Neueinsteiger werden durchaus Schwierigkeiten beim Thema Technik und Grind bekommen.

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