Honkai Star Rail-Review: Eine Genshin Impact-Alternative mit großem Potenzial

Der chinesische Entwickler miHoYo präsentiert mit Honkai Star Rail nicht nur den neuesten Ableger des erfolgreichen Honkai-Franchises, sondern auch das erste Spiel nach dem bahnbrechenden Erfolg von Genshin Impact. Ich hatte die Möglichkeit, einen Platz im Zug zu ergattern, und möchte euch nun von den aufregenden Erlebnissen während dieser Reise berichten.

miHoYos nächster erfolgreicher Schachzug?

Es wäre angebracht, einen separaten Artikel über miHoYo zu verfassen. Der chinesische Entwickler wurde erst 2011 gegründet, hat jedoch in nur zehn Jahren durch geschickte Designentscheidungen und erfolgreiches Marketing ein milliardenschweres Studio mit Hunderten von Entwicklern aufgebaut. International wurde das Studio erst 2016 bekannt, als es das Handyspiel Honkai Impact 3rd für Android und iOS entwickelte.

Ein gewinnbringendes Geschäftsmodell

miHoYo verfolgt bei seinen Games ein ähnliches Geschäftsmodell wie andere Unternehmen, die für mobile Plattformen entwickeln: Alle Spiele sind Free-to-play und werden regelmäßig mit neuen Inhalten aktualisiert.

Der in Shanghai ansässige Entwickler setzt bei allen Spielen auf ein Gacha-System für die Monetarisierung: Es gibt einen Ingame-Shop, in dem alternative Gegenstände kosmetischer Natur angeboten werden, sowie das bekannte „japanische“ Gacha-System mit Lootboxen. In diesen Lootboxen findet man immer wieder neue Helden und Waffen. Die Helden gehören verschiedenen Kategorien an, während die Waffen die Fähigkeiten der Helden verstärken können oder über eigene Fähigkeiten verfügen.

Um Lootboxen zu erwerben, benötigt man eine Premium-Währung. In Genshin Impact wird diese „Urgesteine“ genannt, bei Honkai Star Rail ist dagegen von „Tickets“ die Rede. Es gibt Aktions- und Standardtickets, die sich im Star Rail unterscheiden. Aktionstickets haben eine goldene Farbe und können für zeitlich begrenzte Charakter-Ziehungen verwendet werden, Standardtickets sind unterdessen kontinuierlich verfügbar. Diese Tickets können einzeln oder im Zehnerpack eingelöst werden. Der „Zehnerpull“ ist oft attraktiver, da miHoYo den Spielern verbesserte Chancen beim Ziehen verspricht.

Neue Charaktere und Waffen nur über Warps

Dieses System bietet mehrere Vorteile für ein kostenloses Game. Zum einen können die Spieler regelmäßig verschiedene Charaktere ziehen, um ihre Vielseitigkeit im Kampf zu verbessern. Zum anderen ermöglicht es dem Entwicklerstudio, stabile Einnahmen zu generieren und somit die Entwicklung neuer Inhalte voranzutreiben.

Zusätzlich gibt es monatliche Erweiterungen, wie Minispiele und kleinere Welt-Vergrößerungen. Ein zweistufiger Battle Pass (kostenlos und Premium) mit einer Laufzeit von jeweils einem Monat steht ebenfalls zur Verfügung. Der Premium-Battle Pass ist mit 20 € eingeprest.

Wenn du also kein Geld investieren möchtest, aber dennoch spielbare Figuren und Waffen als Belohnung erhalten möchtest, lohnt es sich durchaus, an den regelmäßig stattfindenden Events teilzunehmen.

Die Rettung für viele nichtzahlende Spieler: das sogenannte „Pity“-System

Eine weitere Möglichkeit, seinen gewünschten Lieblingscharakter zu erhalten, ist das sogenannte „Pity“-System (englisch für Mitleid). Dabei gewähren Gacha-Entwickler eine gewisse Garantie, einen besonders guten Charakter oder eine Waffe zu erhalten. In Honkai Star Rail gibt es beispielsweise nach jeweils zehn Ziehungen garantiert eine Belohnung mit 4 Sternen oder höher. Das bedeutet, wenn man neunmal eine 3-Sterne-Belohnung zieht, ist der zehnte Zug garantiert (mindestens) eine 4-Sterne-Belohnung. Der interne Zähler wird jedoch jedes Mal zurückgesetzt, sobald eine solche Belohnung ausgeschüttet wurde.

Glichzeitig ist sichergestellt, dass  mindestens alle 90 Ziehungen eine 5-Sterne-Belohnung gewonnen wird. Bei limitierten Bannern besteht jedoch nur eine 50/50-Chance, einen der zeitlich begrenzten Charaktere, Fähigkeiten oder Waffen zu erhalten. Auch hier wird der Zähler zurückgesetzt, sobald eine 5-Sterne-Karte gezogen wurde. Wer jedoch bereits 180 Züge gemacht hat, erhält auf jeden Fall die zeitlich begrenzte Belohnung.

Das mag zunächst kompliziert klingen, aber keine Sorge: Das Spiel ist komplett spielbar, ohne jede einzelne Information dazu im Gedächtnis behalten zu müssen. Für miHoYo ist das Game schon ein großer Erfolg. Laut mehreren Medienberichten konnte Star Rail in den ersten 24 Stunden mehr als 6 Millionen US-Dollar einspielen und seit dem Release (24. April bis 24. Mai) insgesamt 129 Millionen US-Dollar generieren. Der chinesische Entwickler schafft es, die Spieler durch packende Inhalte an die Bildschirme zu fesseln.

Honkai Star Rail ist der nächste große Zeitfresser

Ohne große Spoiler lässt sich die Story folgendermaßen zusammenfassen:

Die Spielfigur Stelle oder Caelus (w/m, auswählbar) erwacht unter Erinnerungslücken mitten in einem Angriff auf einer Raumstation. Auf der Suche nach der eigenen Identität schließt sich die Figur einer Gruppe von Abenteurern an, die mit dem Astralzug („Star Rail“) durch die Galaxie reist, um sogenannte „Stellarons“ zu finden.

Welche Abenteuer erwartet dem Team des Astralexpress?

Motivierende Geschichte, aber ohne große Überraschungen

Eins ist klar: Die Prämisse verdient definitiv keinen Innovationspreis. Doch gerade innerhalb dieser vermeintlich einfallslosen Geschichte entfaltet Honkai Star Rail seine Magie. In der aktuellen Version 1.0 gibt es knapp drei Welten zu erkunden: die Raumstation der Raumforscherin Asta und ihrer Crew, den Planeten Belobog sowie das Xianzhou Luofu, ein riesiges Raumschiff mit Millionen von Einwohnern.

Innerhalb dieser linearen Level, die in verschiedene Areale unterteilt sind, offenbart sich eine Liebe zum Detail, die sich keineswegs vor großen Spiele-Blockbustern verstecken muss. Alle NPC haben einen eigenen Namen, mehrere Dialoge und vermitteln das Gefühl, ein lebendiges Wesen zu sein. Es gibt verschiedene Routen zu erkunden, wodurch man auf dicht besiedelten Karten das Gefühl hat, durch eine riesige Metropole zu streifen. Star Rail lädt förmlich dazu ein, mit allem zu interagieren und so die kleinen Details zu entdecken.

Wer all diese Feinheiten erleben möchte, kann mit dieser Version problemlos eine Spielzeit im dreistelligen Bereich erreichen. Wer jedoch von Mission zu Mission voranschreitet und die Vorspulfunktion in den Kämpfen nutzt, bei dem ist eine ungefähre Spielzeit von etwa 50 Stunden realistisch. Dabei ist der notwendige Grind allerdings nicht eingerechnet, der oft erforderlich ist, um im Spiel voranzukommen.

Gleiche Basis, andere Gameplay-Mechaniken

Der wohl größte Unterschied zum internen Konkurrenten Genshin Impact liegt im Kampfsystem. Während das im Jahr 2016 veröffentlichte Genshin Impact mit seiner Open-World und dem actionreichen Gameplay Millionen von Fans begeistert hat, hat Honkai Star Rail eine ähnliche Grundlage genommen und es in ein Spiel verwandelt, das am ehesten mit rundenbasierten Schwergewichten wie den kürzlich erschienenen Persona 5 RoyalShin Megami Tensei oder den alten Final Fantasy-Teilen vergleichbar ist. Konkret bedeutet das: maximal vier Charaktere auf der eigenen Seite und bis zu sechs auf der Gegnerseite. Gegner haben Schwachpunkte gegenüber bestimmten Typen, die ihnen bei einem Vorabangriff zusätzlichen Schaden zufügen (ähnlich zu einem Überraschungsangriff).

Um den Kämpfen taktische Tiefe zu verleihen und sie gleichzeitig schnell ablaufen zu lassen, gibt es einiges zu beachten. Jede Figur hat zwei Typen. Mit ihrer eigentlichen Klasse (hier als „Pfad“ bezeichnet) wird angezeigt, welchen Spielstil die Figur hat. Es gibt den klassischen Tank, der viel Schaden einstecken und austeilen kann, Figuren mit heilenden Fähigkeiten und vieles mehr. Das System lädt zum Experimentieren ein, da Elementaraffinitäten aus Genshin Impact und anderen ähnlichen Spielen übernommen wurden. Jede Figur verfügt über einen normalen Angriff, eine Spezialfähigkeit und eine Ultima-Fähigkeit. Letztere lädt sich auf, wenn die Charaktere den Gegner angreifen. Das rundenbasierte Kampfsystem spiegelt sich darin wider, dass es eine Zugreihenfolge gibt, die durch die Spezialfähigkeiten der Spielfiguren beeinflusst werden kann.

Auch das Artefaktsystem aus Genshin Impact wurde in Form von zwei Relikten und vier Ausrüstungsgegenständen übernommen. Ähnlich wie im Action-Adventure können diese aufgewertet werden – mit der Besonderheit, dass die Werte zufällig festgelegt werden. Es kann also passieren, dass man beim Stufenaufstieg nicht den kritischen Schaden, sondern Lebenspunkte oder die Verteidigung erhöht, was einige Gegenstände nutzlos macht.

Immerhin besteht die Möglichkeit, durch ein Crafting-System den gewünschten Gegenstand herzustellen. Die dafür nötigen Materialien können entweder durch Monsterkämpfe, das Interagieren mit der Spielwelt oder durch Synthese weniger wertvoller Rohstoffe bezogen werden.

Man kann sich einarbeiten, muss es aber nicht

Es ist wichtig zu erwähnen, dass all das Dinge sind, die man beachten sollte, aber nicht muss und nicht unbedingt benötigt, um Spaß mit Star Rail zu haben. Ja, es erweckt das Gefühl, dass sich einarbeiten zu müssen, und ja, es lohnt sich, da man die prozentualen Verbesserungen auch direkt im Kampf spürt. Aber es ist sicherlich nicht zwingend notwendig, denn es gibt genügend Quality-of-life-Funktionen, die vor allem zeitliche Abkürzungen ermöglichen. Es gibt einen Punkt für das automatische Anlegen der Ausrüstungsgegenstände, zudem kann man durch ein Menü praktisch überall hinteleportieren – und ist nicht nur auf einzelne Kartenpunkte angewiesen.

Optische Detailverbesserungen

miHoYo hat es also geschafft, ihre bekannten Gameplay-Mechaniken in einem rundenbasierten Format zu präsentieren. Und der Rest? Nun, grundsätzlich kann man auch über Honkai Star Rail sagen: Für ein Mobile-Game sieht das Spiel sehr gut aus.

Natürlich könnte man das auch über Genshin Impact sagen, aber man merkt bei Honkai Star Rail die Erfahrung, die das Studio seitdem gesammelt hat. Sie nutzen die Weitsicht in den linearen Leveln, um eine beeindruckende Größe der Spielwelt zu simulieren. Auch wenn in Belobog nur wenige Orte betretbar sind, fühlt es sich nicht so an.

Die Zwischensequenzen haben ebenfalls ein Stückchen an Qualität gewonnen: Zwar stehen viele Charaktere weiterhin nur starr herum, aber vor allem die Mimik ist ein ganzes Stückchen immersiver.

Optisch sind verständlicherweise keine großen Sprünge zu erwarten, wir reden hier immerhin von einem guten PC-Port eines Mobile-Games. Effekttechnisch fühlt sich Honkai Star Rail aber gerade im Vergleich zu Genshin Impact verspielter an.

Während die Spielwelt von Honkai Star Rail vor allem architektonisch einiges zu bieten hat...
...bieten auch die Charaktere durchaus viel Liebe zum Detail.

Auch musikalisch geht Honkai Star Rail andere Wege

Ein Punkt, der immer wieder aufgegriffen wird, wenn Genshin-Fans schwärmen, ist der Soundtrack. Dieser bietet je nach Region eine große Varianz, sei es beim Ausflug in eine Japan-ähnliche Region mit der Shamisen oder in ein fernöstliches China.

Bei Honkai Star Rail wollte das eigene Musikteam von HOYO-MiX keine Kopie von Genshin Impact erschaffen. So hat Qi „Gon“ Gong zum Beispiel mit Wildfire stattdessen ein Boss-Theme erschaffen, das musikalisch eine klare Anlehnung an Hiroyuki Sawanos Attack on Titan-Soundtrack zeigt  – inklusive englischen Lyrics.

Generell fühlt sich die Musik von Honkai Star Rail weitaus experimenteller und verspielter an. Es wird viel mit elektronischen Synths gearbeitet, und es gibt weitaus weniger orchestralen Bombast wie bei Genshin Impact.

Viele Komfortfeatures

Ein weiterer großer Vergleich zu Genshin Impact sind die vielen kleinen Komfortfeatures, die das Spiel bietet. Es gibt – bedingt durch das lineare Leveldesign – praktisch an jeder Ecke Schnellreisepunkte, auch zu den stationären Kämpfen (zum Beispiel „Goldener Echo“ genannt). 

Merkt man, dass man einen Kampf nicht schafft, da der Levelunterschied noch zu groß ist? Kein Problem. Zwei Knopfdrücke über das Menü und man ist wieder in der Spielwelt und muss keinerlei Konsequenzen fürchten. Auch ein Game Over bedeutet lediglich, dass der Kampf neu gestartet werden muss, die Wiederbelebung erfolgt direkt vor dem Kampf.

Schwächen vor allem im Detail

Handelt es sich also um ein perfektes Gacha-Game? Leider nein. Während vor allem der kommerzielle Aspekt vielen sauer aufstoßen dürften, leidet Honkai Star Rail auch erzählerisch an den gleichen Problemen wie Genshin Impact.

Die Dialoge ziehen sich in die Länge. Es wird viel geredet, selbst über die einfachsten Dinge. Statt „Wir sollten jetzt eine Pause machen“ heißt es: „Nach diesem langen und schwierigen Kampf, bei dem wir mehrere Gegner besiegt haben, ist es an der Zeit, uns zu belohnen. Lass uns an den See gehen, baden und danach eine Pause machen!“

Zudem ist es nicht möglich, die Kämpfe animiert zu überspringen. Das Spiel wäre viel kürzer, wenn nicht jede Spezialattacke abgewartet werden müsste. Ja, es ist möglich, die Kämpfe im Speed-up-Modus ablaufen zu lassen, inklusive Auto-Battle, aber trotzdem kann nichts unmittelbar übersprungen werden. Das gilt auch für die endlos langen Dialoge. Selbst wenn die Story und die Hintergrundgeschichte faszinierend sind, wird man irgendwann deutlich genervt sein.

Version 1.1 mit neuen Gameplay-Mechaniken und Story-Inhalten

Kürzlich wurde mit Version 1.1 Odysse in der Galaxie ein neues Inhaltsupdate veröffentlicht. Dabei wurden mit Silver Wolf, Yukong und Luocha drei neue Banner-Charaktere eingeführt. Erstere erhielt neben einer Einführungsmission auch ein eigenes Event. Außerdem gibt es mit dem “Belobogs Museum für Geschichte und Kultur” eine neue Ortschaft in Belobog. In diesem Museum findet auch das zweite Event, „Kuriositätenverzeichnis des Museums von Winterstadt“, statt.

Das Museumsevent kann am besten als eine Art Wirtschaftssimulator light bezeichnet werden, bei dem man bestimmte Segmente aufwertet und das verdiente Geld anschließend in verschiedene Bereiche wie Bildung investiert. Das Ganze wird durch Rätsel (Restauration von Ausstellungsstücken) oder andere (zufällige) Ereignisse aufgelockert.

Außerdem wurde eine Ingame-Chatfunktion eingeführt die es ermöglicht, mit anderen Trailblazern zu kommunizieren.

Bei jedem täglichen Login wird man von einer Chatnachricht von den vielen verschiedenen Charakteren begrüßt.
Das Spiel nimmt sich in Dialogen oft nicht ernst, schafft aber die Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit.

Fazit: Eine sehr gute Alternative zum großen Bruder

Trotz der aufgeführten Kritikpunkte ist miHoYo mit Honkai Star Rail ein weiterer großer Erfolg gelungen. Die Kombination aus rundenbasiertem Kampfsystem, reichhaltiger Folklore und episodischer Geschichte fesselt schnell. Obwohl das Kampfsystem anfangs einfach erscheint, entwickelt es nach einer gewissen Eingewöhnungszeit einen Spielfluss, den man selten in anderen Games erlebt.

Wenn also jemand wie ich Schwierigkeiten mit dem aktionslastigen Kampfsystem in Genshin Impact hatte, wird mit Honkai Star Rail eine äußerst gelungene Alternative aus dem gleichen Studio finden, ohne dabei etwas zu vermissen. Klar ist aber: Wenn man schon mit dem Gacha-System aus Genshin Impact nichts anfangen konnte, dem wird auch Honkai Star Rail nicht gefallen. Wenn auch der Titel um einiges einsteigerfreundlicher ist bei dem Thema. Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf, wie die Reise mit dem Astralexpress weitergeht und welche Abenteuer noch auf mich warten.

Pro
Contra
Spielspaß
Honkai Star Rail (PC) 90%
Honkai Star Rail ist eine gelungene Rundenstrategie mit riesigen Umfang und einer interessanten Story. Das Monetarisierungsmodell ist aber wie bei Genshin Impact ein Dorn im Auge.

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