Shin Megami Tensei V Review: Entfessele deinen Dämonen!

Knapp fünf Jahre mussten Shin Megami Tensei-Fans auf einen neuen Ableger der Reihe warten. Im Test erfahrt ihr, wie sich Shin Megami Tensei V nach dem Persona 5-Hype spielt.

Shin Megami Tensei, Persona – Was gibt es noch?

Als Shin Megami Tensei V angekündigt wurde, waren viele JRPG-Fans zugleich verwirrt und begeistert. Ein neues SMT-Spiel für die Switch? Während die eine Seite einen großen Hype aufbaute, waren andere Gamer verwirrt: Was ist das für ein Spiel? Und was hat es mit Persona zu tun?

Wenn man sich die Wikipedia-Artikel zu Shin Megami Tensei oder Persona ansieht, wird man mit einer Unmenge an Spielenamen und -Ablegern praktisch erschlagen. Kein Wunder: Die Reihe hatte bereits 1987 ihren Ursprung als Videospiel-Adaption unter dem Namen Digital Devil Story: Megami Tensei. Basierend auf einer Romanreihe wurden zwei Versionen veröffentlicht: eine von Telenet Japan für verschiedene Heim-PCs entwickelte Version und eine NES-Adaption des japanischen Entwicklers ATLUS. Beide Spiele bedienten grundverschiedene Genres, aber die Story war im Wesentlichen gleich. 1996 wurde das Prinzip von Shin Megami Tensei If… aus dem Jahr 1994 aufgegriffen, bei dem Schüler aus der Highschool die Möglichkeit hatten, Dämonen in Form von Sammelkarten zu rekrutieren, um eine eigene Reihe zu starten. Dabei wurden die Dämonen als eigene übernatürliche Persönlichkeiten dargestellt. Revelations: Persona war geboren und wurde dann als Persona-Reihe weltweit bekannt.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Persona und Shin Megami Tensei?

Da Persona ein Ableger der Shin Megami Tensei-Reihe ist, gibt es Überschneidungen im Monsterdesign. Sowohl die Spiele der SMT-Reihe als auch die Persona-Reihe lassen sich unabhängig spielen. Der größte Unterschied zwischen den beiden Reihen liegt darin, dass SMT weitaus religiösere und „ernstere“ Grundthemen verwendet als Persona. Persona kann eher als traditionelles JRPG mit Fokus auf Charakterinteraktionen und Story betrachtet werden. Shin Megami Tensei hingegen baut viel auf die Monster, deren Lore und Kampfmechaniken auf.

Apocalypse: Now!

Schmiede in Shin Megami Tensei V für Nintendo Switch das Schicksal einer sterbenden Welt im Zwiespalt zwischen Göttern und Dämonen. In diesem RPG von epischer Größe übernimmst du die Kontrolle über ein mächtiges Wesen – den Nahobino –, ziehst gegen Hunderte von Dämonen in den Kampf um ein entweihtes Land und verbündest dich mit einigen von ihnen. Produktbeschreibung laut Nintendo.de

Man kennt es: Kaum beginnt der dröge Schulalltag im heutigen Tokyo, wird man in einen Konflikt hineingezogen, bei dem es um nichts Weiteres als die letzte Schlacht zwischen Engeln (Gott) und Dämonen (Luzifer) geht. Und dazwischen? Eine Geheimorganisation, der Hauptcharakter (dessen Namen man am Anfang selbst angeben darf), sowie eine Story, deren Schauplatz nicht nur die Moderne, sondern auch die Zukunft ist. Denn das Ganze spielt auf zwei Zeitebenen, die man als (stumme) Spielfigur bereisen kann.

Um ehrlich zu sein: Story-Connaisseurs werden mit SMT V keinen großen Spaß haben. Zwar wird die Geschichte in schicken Zwischensequenzen erzählt, bietet aber maximal ein Grundgerüst und die Begründung, wieso man Monster kloppen bzw. fangen sollte. Wichtige Charaktere lassen sich an einer Hand abzählen und viele Nebencharaktere bleiben so blass, dass man sie bis auf die Designs komplett vergessen kann. Und auch wenn die Prämisse Engel vs. Dämonen solide präsentiert wird, erschlägt SMT V einen mit den verschiedenen Mythologien, Legenden und urbanen Legenden der Welt, egal ob aus den abrahamitischen Religionen, der japanischen Mythologie oder der Gnosis stammend.

Das mag nun zwar abschreckend und negativ klingen, ist allerdings gar nicht so gemeint. Denn trotzdem gelingt dem Spiel das Kunststück, den Spieler dazu zu bringen, storytechnisch immer am Ball bleiben zu wollen. Hat man allerdings keinerlei Interesse an solchen Themen, wird man diese Begeisterung nur bedingt teilen.

So oder so, das Highlight versteckt sich im anderen, wesentlichen Bestandteil des Spiels: Das Gameplay begeistert mit seiner Tiefe.

Unscheinbares, taktisches Schwergewicht im Anime-Stil

Wer bereits mit der Spielreihe Persona in Kontakt gekommen ist, wird sich schnell wohlfühlen, denn wie auch im Spin-Off duellieren wir uns in SMT V mit bis zu vier Gegnern, rundenbasiert. Neben dem Hauptcharakter, der als (fusionierter) Dämon Aogami mitwirkt, stehen einem drei weitere Teamplätze zur Verfügung, die man als Spieler mit allerlei Kreaturen füllen kann. Auch gibt es, ähnlich wie im bekannteren Schwesterspiel, sieben Elemente, die sich untereinander blocken oder auskontern können. Gepaart mit allerlei Statuseffekten, kritischen Schadenspunkten und Levelbegrenzungen gibt es viele Punkte, die man bei der Monsterwahl beachten sollte.

Und wie bekommt man feindliche Dämonen ins Team? Indem die Sympathiewerte oder der Geldbeutel passen. Anfangs bekommt man die Wesen nur ins Team, wenn man mit ihnen redet. Im Idealfall fragt der Dämon etwas und wenn man die richtige Antwort gibt, schließt er sich einem an. Natürlich sind die Anforderungen bei jedem Monster individuell, so dass sich diverse Kreaturen nur anschließen, wenn man Materielles zum Tausch anbietet. Doch Vorsicht: Es gibt im Spiel zwar keinen Tag/Nacht-Rhythmus, stattdessen werden jedoch verschiedene Mondzyklen am Bildschirmrand angezeigt. Je nach Zyklus verneint ein Dämon jeglichen Kommunikationsversuch.

Hat man so drei weitere Partner gefunden, gibt es zudem eine Art Reserveteam mit begrenzten Plätzen, die man mit dem Finden von Fabelwesen namens Miman erweitern kann. Ist auch dieses voll, lehnen alle Monster die Anfrage ab, auch wenn man zuvor zu einer Einigung gekommen ist.

Die Mischung macht’s!

Damit ist es jedoch noch nicht genug: Das größte Potenzial der Dämonen kann man ausschöpfen, indem man sie untereinander fusioniert. Dies geschieht an den zentralen Speicherpunkten in den vier begehbaren Gebieten. Gegen eine Gebühr können dann Statuswerte, Level und Fähigkeiten auf das neue fusionierte Monster übertragen werden – oder auch nicht. Als Spieler hat man fast die freie Wahl, in welche Richtung man das Dämonenwesen bezüglich Fähigkeiten entwickeln möchte. Dadurch erhalten die Kämpfe in der Spielwelt eine unglaubliche Tiefe und es ist sehr motivierend, bestimmte Wesen zu kreieren. Dies ist ein großer Spaßfaktor des Spiels, der jedoch auch nach hinten losgehen kann: Es gibt kein System à la „zwei schwache Monster ergeben ein starkes“ und die Fusion kann nur gegen hohe Kosten und unter Verwendung weiterer Monster rückgängig gemacht werden. Im Mittelpunkt steht der Hauptcharakter, dessen Fähigkeiten man den Monstern anpassen kann und sollte. Während man im Verlauf der rund 80 Stunden dauernden Geschichte die Attribute des eigenen Charakters immer stärker werden lässt, ist es möglich, durch sogenannte Essenzen diverse Attacken und Typen von Monstern auf Nahobino (so der Name des Wesens) zu übertragen. So ist man beispielsweise mit der Essenz des Schneeelfen Jack Frost schwach gegen Feuer, aber resistent gegen Eis-Attacken.

Kein Selbstläufer

Ein gutes Team ist wichtig, denn im Gegensatz zur Persona-Reihe ist SMT gnadenlos. Wenn man nicht auf die Gegnertypen mit den passenden Gegenmaßnahmen vorbereitet ist, kann man schnell ein Game Over erleben. Selbst einfache Grind-Begegnungen in der postapokalyptischen Welt sollten mit Bedacht gewählt werden. Das Spiel verzeiht selten Fehler beim Teambuilding. Ein Buttonsmashing, wie es in anderen JRPGs häufig zu finden ist, führt selten zum Erfolg.

Ein Game-Over ist ärgerlich, da es keine Auto-Speicherfunktion gibt und man oft mit Grinding seine Spielzeit erhöhen muss. Die Monster leveln nicht mit und viele Nebenmissionen sind zwar im Gamedesign relativ belanglos, aber für Erfahrungspunkte essentiell.

Teils altbackene Gameplay-Mechaniken

Im Kampf werden besiegte Teammitglieder zwar mit halbierten Lebenspunkten wiederbelebt, aber man muss sie mühsam im Menü wieder in das Hauptteam setzen. Generell wünscht man sich öfter moderne Funktionen. Statische (gut platzierte) Speicherpunkte sind zwar noch erträglich, aber freie Speicherpunkte würden dem Spiel einiges an Frustpotenzial ersparen. Auch das Trefferfeedback, zum Beispiel um Kampfboni wie First Strike zu erzielen, ist unzureichend. Oft schlägt man in die Luft, obwohl man direkt vor dem Gegner steht, nur um stattdessen den Dämonen den First Strike zu ermöglichen. Zwar ist das das JRPG-Ding schlechthin, aber es kann dennoch ärgerlich sein.

Trotzdem darf man Entwarnung geben: der Schwierigkeitsgrad lässt sich jederzeit im Spiel anpassen. Auch wurde mit Day-One ein Schwierigkeitsgrad für Neulinge eingeführt. Das Gameplay bleibt zwar gleich, aber die Gegner teilen weitaus weniger Schaden aus.

Für die Switch stellenweise ein optisches Schmankerl

Um es einfach zu machen: Für Switch-Verhältnisse sieht das Spiel gut, teilweise sogar sehr gut aus. Zwar bieten die vier Areale optisch nur verschiedene Variationen von Grau- und Brauntönen an, aber die Monsterdesigns mitsamt Kampf- und Zwischensequenzen sind sehr gut anzusehen. JRPGs und die Unreal Engine 4 erweisen sich wie bei The Caligula Effect 2 als eine solide Kombination. Immerhin wird der Braunton des Öfteren von farbenfroheren Orten unterbrochen, an denen man sich auch in der Minimap orientieren kann.

Die Areale, die man bereist, sind außerdem verschachtelt, was den Erkundungsreiz erhöht. Technisch gesehen ist der Handheld-Modus zwar solide, trotzdem sollte man aber nicht nur wegen der fehlenden Übersicht im TV-Modus spielen. Das üblicherweise fehlende Anti-Aliasing der Switch, einzelne Framerate-Einbrüche und Grasaufploppen sind zwar unschön, aber keine Spielspaß-Bremsen.

Musik: Sunn O))) Extrem

Auch beim Thema Musik kann SMT V überzeugen. Der Soundtrack ist gerade während den Kämpfen passend komponiert worden, es dröhnt eine Shoegaze-Psychedelic-Rocknummer als klassische Kampfmusik. Das Komponisten-Duo Ryota Kozuka und Toshiki Konishi hat es geschafft, die Endzeit-Grundstimmung stimmungsvoll zu verpacken. Mit Sicherheit werden einige die Battle-Musik bei normalen Gegnern wegen der Repetitivität bemängeln, dafür begeistern die Bosskämpfe umso mehr.

Um die wichtigste Frage vorab zu klären: Fans, die die Originalsprache bevorzugen, werden nach Spielstart enttäuscht sein. Denn SMT V gibt es nur mit englischer Sprachausgabe zu genießen. Die Sprecher machen als Nicht-Native-Speaker eine solide Arbeit und es ist zum Glück keine Katastrophe. Ebenfalls keine Katastrophe sind die deutschen Texte. Einziger Wermutstropfen sind vereinzelte Phrasen, die nicht übersetzt wurden. So sind in den Menüs und im Ladebildschirm Phrasen wie „Now Loading“ nicht übersetzt, was angesichts der deutschen Übersetzung ganzer Dämonen-Enzyklopädien im Spiel eine merkwürdige Entscheidung ist. Das schmälert jedoch nicht den Spielspaß, anders als die fehlende deutsche Synchronisation. Deutsche Dubs bei Anime-Spielen bleiben eine absolute Ausnahme.

Fazit: Das Durchhalten lohnt sich

Shin Megami Tensei V macht es besonders für Serieneinsteiger nicht leicht. Neben der anfänglich biederen, dann doch überzeugenden Optik ist die Lernkurve und der Schwierigkeitsgrad etwas, mit dem viele sich nicht anfreunden können. Zu oft erlebt man den Game-Over-Bildschirm. Zu oft kann man im ersten Zug des Gegners besiegt werden. Trotzdem möchte man weiter spielen. Ja, die Story ist dabei wirklich eine Nebensache und viele Nebenmissionen sind der Erwähnung nicht wert. Es ist jedoch sehr belohnend, wenn man zunächst an einem Gegner scheitert, sein Team anpasst und ihn dann besiegt. Serien-Neueinsteiger sollten dennoch eine Frustresistenz mitbringen. Für Spielende, die die Reihe bereits kennen, kann man eine Spielempfehlung aussprechen.

Pro
Contra
Spielspaß
Shin Megami Tensei V (Nintendo Switch) 87%
Knüppelhartes, aber motivierendes, zugleich sehr taktisches JRPG mit Schwächen bei Story und Charakteren.

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