Nach über 10 Jahren und einem Prequel-Spin-Off erschien im August 2021 nach einjähriger Verspätung No More Heroes 3 für die Nintendo Switch. Ob sich das Warten gelohnt hat, erfahrt ihr in dieser Review.
Suda51 – der kreative Kopf hinter No More Heroes
Doch bevor wir überhaupt mit der No More Heroes 3-Review beginnen, wollen wir uns erst den kreativen Kopf der Spielreihe genauer anschauen: Goichi Suda, aka SUDA51. Denn dann versteht man vielleicht mehr, wieso sich Spieler auf neue Projekte des Videospielregisseurs freuen und die Spiele so sind wie sie sind.
Suda (Jahrgang 1968) war vor seiner Zeit als Videospielentwickler als Leichenbestatter tätig, kehrte dem Beruf allerdings den Rücken, da die Arbeitsumgebung semi-optimal war; der Geruch von Leichen war ihm zuwider. Bei der Jobsuche wurdeer auf eine Stellenanzeige des japanischen Entwicklers Human Entertainment aufmerksam. Suda, bekennender Wrestlingfan, ergriff die Chance und bewarb sich – zunächst ohne Erfolg. Nach kurzer Zeit meldeten sich die Verantwortlichen des Studios dann alerdings von selbst bei Suda, da sie einen Szenarienschreiber mit Wrestling-Kenntnissen suchten.
So wirkte Suda bei den Super Famicom-Spielen Super Fire Prowrestling III: Final Bout und Super Fire Prowrestling Special mit. Gerade das Letztere, im Jahr 1994 erschienene Prowrestling Special machte Suda in Japan bekannter. Zwar folgte man im Spiel einer klassischen „From Zero to Hero“-Story, doch gab es am Ende einen storytechnischen Twist, welcher so in ähnlichen Spielen bisher nie vorgekommen war: Der Held, den der Spieler steuerte, beging aufgrund psychischer Probleme Selbstmord.
Nach den Box-Spielen war Suda noch an drei weiteren Titel von Human Entertainment als Director und Szenarienschreiber beteiligt, ehe er die Firma 1997 verließ. Anschließend gründete er ein Jahr später sein eigenes Entwicklerstudio, Grasshopper Manufacture Inc.
Das erste Game von Suda und seinem kleinen Team war The Silver Case, ein Adventure für die PlayStation. Dieser Titel führte diverse Merkmale und Markenzeichen ein, die auch in den heutigen Spielen Sudas noch zu finden sind. The Silver Case bekam zwei Nachfolger im Geiste mit den Namen Flower, Sun and Rain sowie das Action-Adventure killer7. Der Westen wurde auf Suda vor allen durch killer7, welches für den Nintendo GameCube und PlayStation 2 erschien, aufmerksam. Zugrunde lag eine Kooperation mit Shinji Mikami, dem kreativen Kopf hinter der Resident Evil-Spielreihe. So oder so: Das „Kill the Past“-Universum war geboren.
„Kill the Past“
Dieses Universum umfasst eine Reihe von Spielen, die ein ähnliches Themenspektrum aufweisen oder in direkter Verbindung mit einem gemeinsamen Universum stehen. Sie drehen sich um Charaktere aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, die sich weigern oder nicht in der Lage sind, die Vergangenheit loszulassen. Suda bedient sich dieser Thematik, seit er angefangen hat, Videospiele zu programmieren, und hat sie bereits in The Silver Case verwendet. Die Spiele lassen sich bis auf die offiziellen Nachfolgertitel allesamt unabhängig voneinander spielen und bieten allerlei Überschneidungen oder wiederkehrende Charaktere.
Von Fans zunächst als Trilogie (The Silver Case, Flower, Sun, and Rain, killer7) wahrgenommen, ist mit dem Ableger Travis Strikes Again: No More Heroes ein Spiel erschaffen worden, dass auch die No More Heroes-Reihe in das “Kill the Past”-Universum einreiht. Außerdem bestätigte Suda in einem Interview mit GameSpace, dass er all seine Charaktere und Spiele in der gleichen Welt und Universum sieht.
No More Heroes
Ursprünglich für die Wii entwickelt und 2008 im Westen erschienen, erzählt No More Heroes die Geschichte eines Diehard-Otakus, Travis Touchdown, welcher von einer Organisation namens UAA (United Assassins Association) einen Auftrag erhält: Die zehn besten Assassinen der USA zu töten, um am Ende die Nummer 1 zu werden. Das Spiel wurde von der westlichen Presse wohlwollend aufgenommen und war der internationale Durchbruch von Suda51 mit seinem Entwicklerstudio.
Suda51 hat sich aber nicht auf die Lorbeeren von killer7 ausgeruht. 2011 erschien mit Shadows of the Damned die zweite Kooperation mit Shinji Mikami. 2012 war Suda an Lollipop Chainsaw beteiligt und setzte mit Grasshopper Manufacture die Skriptidee von Drehbuchautor James Gunn um. 2013 erschien Killer Is Dead.
2010 erschien mit No More Heroes 2: Desperate Struggle ein Nachfolger zu No More Heroes, allerdings ohne größere Mitwirkung von Suda51, da dieser zur gleichen Zeit an anderen Projekten arbeitete. Er ist als Executive Director gelistet. Die kreative Gestaltung übernahm Toshihiro Fujikawa.
Danach war es lange still um No More Heroes. Erst mit Travis Strikes Again: No More Heroes aus dem Jahr 2019 wurde ein Spin-Off veröffentlicht, das nicht nur die verschiedenen Universen der bisherigen Spiele von Grasshopper Manufacture vereint, sondern auch als Überleitung zu No More Heroes 3 dient, welches ursprünglich 2020 hätte erscheinen sollen.
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No More Heroes 3 Review: ein würdiger Abschluss?
Zunächst muss ich sagen, dass ich mit Suda51-Titeln bisher nur bedingt in Berührung gekommen bin. Lollipop Chainsaw auf der Xbox 360 war ganz nett und killer7 habe ich bislang auf dem PC nur angespielt. Von No More Heroes habe ich immer viel Gutes gehört. Da ich aber nie im Besitz einer Wii war, kam ich nie in Berührung mit dem Action-Adventure. Nun spielte ich also das finale Spiel der Reihe. Hatte ich ein Problem, der Story zu folgen? Jein.
Ist Vorwissen aus den vorherigen Teilen notwendig?
No More Heroes 3 wurde für die Switch unter anderem mit dem Ziel entwickelt, langjährige Suda51-Fans wie auch komplette Touchdown-Neueinsteiger zu begeistern. Das ist leider nicht gelungen.
Während man schon früh mit der Grundprämisse in Kontakt kommt, werden anschließend einige Charaktere vorgestellt, aber bis auf einzelne Sätze in den Zwischensequenzen hat man keinerlei Interaktionen mit ihnen. Dementsprechend ist es schwer, eine Bindung aufzubauen, obwohl die Charaktere suggerieren, dass da eine längere Freundschaft/Feindschaft im Gange ist. Langjährige Fans werden aber alle auftretenden Personen ohne Probleme wiedererkennen und sich dementsprechend freuen. Neuankömmlinge schauen allerdings erst mal verdutzt in die Röhre. Storytechnisch sollte man trotzdem keine Probleme haben.
Story? Aliens kloppen!
Nach zehn Jahren kehrt Travis Touchdown nach Santa Destroy zurück – doch in seiner Abwesenheit hat sich Einiges geändert: Eine riesige künstliche Inselstadt treibt auf dem Meer und hoch am Himmel schwebt ein mysteriöses Flugobjekt. Welchen wahnsinnigen Assassinen wird sich Travis diesmal stellen müssen? Produktbeschreibung laut Amazon
Die Story ist, wie bereits erwähnt, sehr simpel. Aliens kommen. Aliens wollen Menschheit vernichten. Man ist der Hauptcharakter. Aufgabe? Den Plan der Bösen verhindern! Mehr steckt im Grunde nicht dahinter. Und trotzdem hat man seinen Spaß damit. Denn das Ganze ist wie ein 11-stündiger Animefilm aufgebaut. Jedes Kapitel beginnt mit einem Einführungslied und endet mit einem Ending. Dabei wirkt es vom Aufbau her wie ein typischer Tournament-Arc, bei dem sich der Hauptcharakter jedem Gegner stellen muss – komme was wolle. Dabei werden die Gegner immer stärker und ihre Methoden, Travis Touchdown zu besiegen, immer skurriler.
Außen pfui, innen hui!
Machen wir uns nichts vor: Obwohl das Spiel in den Kämpfen sehr effektreich daherkommt und die Charaktere in ihrer Gestik und im Design überzeugen, ist alles andere am Spiel schrecklich anzusehen. Fehlende Kantenglättung, matschige Texturen und eine (farb)leere Open-World lassen selbst den hartgesottensten Fan schlucken. Und auch die (sehr kleinen) Kampfareale sind nur sehr selten schön anzusehen. Da wäre eindeutig mehr drin gewesen.
Wäre das nicht schon Strafe genug, gibt es gerade auf dem Motorrad den ein oder anderen unschönen Framerate-Einbruch. Immerhin wird man von solchen Problemen im Kampf verschont.
„Welcome to the Garden of Insanity“
Zum Glück mag man meinen. Denn das größte Highlight sind die Bosskämpfe in No More Heroes 3. Beginnt man klassisch mit „normalen“ Kämpfen, bei denen man die Bewegungen des Gegners studiert und dann entsprechend reagiert, wird man kurze Zeit später mit dem konfrontiert, für das Suda51 steht: Abgedrehte Kämpfe, schräger Humor und der Überraschungseffekt lassen jedes Spiel des Entwicklers beim ersten Mal triumphieren. Kämpft man bei einem Gegner noch normal in einer Arena, ist man beim anderen plötzlich in einem rundenbasierten JRPG. Oder wie wäre es mit einem Dungeon Crawler in einer japanischen Schule mit Horrorflair? Generell ist No More Heroes ein Sammelsurium an Anspielungen und Hommagen. Das Ausmaß komplett zu erfassen, würde diese Review sprengen.
Auch ein Held braucht Geld
Auch wenn die Erde kurz vor der Auslöschung steht, darf man nicht die Eintrittsgebühren vergessen, um gegen die Bossgegner anzutreten! Das Ganze muss ja immer finanziert werden und da die UAA sozusagen die Sponsoren des Turniers sind, muss unser charismatischer Antiheld allerlei Aufgaben erledigen. Egal ob es sich dabei um Kloputzen (für die festen Speicherpunkte), Rasenmähen oder Müllsammeln handelt. Jedes der begehbaren Areale bietet eine kleine Auswahl an Minispielen an, damit man an das nötige Kleingeld kommt, um die Gebühren zu zahlen.
Ein weiteres Highlight sind die wenigen „richtigen“ Nebenmissionen, bei denen Travis zwar klassische Quests à la „Geh zu Punkt A und bring mir Gegenstand C“ erledigt, diese aber humorvoll und mit allerlei Popkultur-Referenzen gespickt sind.
Ärgerlich ist allerdings, dass man schnell merkt, dass No More Heroes 3 mehr sein wollte, als es nun am Ende ist. Viele Gebiete der Open World sind nicht zugänglich und auf der Minimap rot markiert und auch die Minispiele lassen sich von der Menge her an einer Hand abzählen.
Joy-Con-Nutzer haben einen Spaßbonus bei No More Heroes 3
Je nachdem mit welcher Switch man das Spiel spielt, gestaltet sich die Steuerung dabei ziemlich intuitiv. Spielt man etwa mit der stationären Switch und nutzt die Joy-Cons, darf man die Saugglocke beim Toilettenreinigen wie im echten Leben auf und ab schütteln. Generell hat man versucht, die Features der Switch beim Spielen auszunutzen. Um etwa sein Beam-Katana aufzuladen, muss man die Joy-Cons ebenfalls mit einer eindeutigen Handbewegung schütteln.
Bei der Switch Lite dagegen muss man den rechten Analogstick auf und ab bewegen. Weitaus weniger spaßig, aber es erfüllt seinen Zweck. Enttäuschend dagegen ist, dass No More Heroes 3 nicht die Touch-Funktion verwendet. Gerade im Hinblick darauf, dass Travis die vierte Wand zum Spieler durchbricht, hätte man da noch mehr rausholen können.
Anfangs oberflächlich, kann das Kampfsystem mit Tiefe überzeugen
Um die Alieninvasion aufzuhalten, reicht es natürlich nicht, das Klo zu putzen oder Rasen zu mähen: Man muss Gegner plätten! Und das funktioniert in No More Heroes 3 trotz technischer Schwierigkeiten überraschend flüssig und spaßig! Es gibt einen normalen und harten Schlag, dazu die vier Fähigkeiten von Travis‘ Death Glove. Das Ausweichen und Parieren geht im Kampf flüssig von der Hand und man muss für die wenigen, aber widerspenstigen Gegner verschiedene Angriffe verwenden, um zu überleben. Und das geschieht nicht nur auf Santa Destroy. Für diverse Kämpfe transformiert sich Travis, wie in Tokusatsu-Serien üblich, in eine Art Power Ranger.
Hat man die Gegner in der Arena besiegt, bekommt man neben einer Schulnote auch diverse Herstellungsmaterialien, um sich Mikrochips für die Death Gloves zu bauen.
Jam it!
Komponiert von Nobuaki Kaneko, dem Schlagzeuger der Musikgruppe Rize, ist die Musik von No More Heroes 3 geprägt von elektronischer Tanzmusik, sei es Drum’n Bass, Hardstyle oder chillige Lounge-Musik. Da Kaneko zuvor zwar schon Filmmusik, aber noch nie Musik für Videospiele komponiert hatte, hat er viele Musikstücke Suda zugeschickt und dieser durfte entscheiden, was im Spiel verwendet wird.
No More Heroes 3 bietet ausschließlich deutsche Texte mit englischer Synchronisation. Während diese überzeugt, sind die deutschen Texte des Öfteren nicht ganz fehlerfrei, hier und da gibt es Rechtschreibfehler, die den Lesefluss stören.
Nur engliche Synchronisation? In einem japanischen Spiel? Kein Kauf!
Dass es nur die englische Sprachausgabe gibt, mag für viele Japan-Fans unverständlich sein, aber es gibt gerade Ingame viele Gründe dafür. Ja, das Spiel mag aus Japan stammen, aber storytechnisch dreht es sich um einen amerikanischen Hardcore-Otaku. Auch die Spielwelt orientiert sich mit ihren verschiedenen Bereichen komplett am amerikanischen Weltbild.
Spaßiges Finale mit allerlei Schönheitsfehlern
Was lässt sich also zu No More Heroes 3 sagen? Es ist ein gelungenes Serienfinale, mit dem langjährige Fans mit Sicherheit ihren Spaß haben werden. Das Spiel bietet viel Fanservice für jene Spieler der ersten Stunde, sei es mit wiederkehrenden Charakteren oder neuen Hintergrundinformationen. Neueinsteiger, wie ich es einer bin, werden am Humor und den absurden Ideen ihren Spaß haben, aber Probleme kriegen, wenn es um die eingeführten Charaktere geht.
Das größte Hindernis für neue Spieler wird allerdings die Optik sein, die auch der größte Knackpunkt ist. Die Gamedesign-Ideen können noch so abstrus sein, das Ganze steht und fällt mit der technischen Seite. Spiele auf der Nintendo Switch haben da schon ihr Handicap, No More Heroes 3 legt da allerdings noch eine Schippe drauf.
Und das ist sehr schade. Denn wenn man sich erst mit der schwachen technischen Oberfläche abgefunden hat, bekommt man ein Spiel mit grandiosem Otaku-Witz, coolen Kämpfen und interessanten Ideen. Ich kann nur empfehlen, es auszuprobieren. Man wird es nicht bereuen.
No More Heroes 3 wurde mir freundlicherweise von Nintendo Deutschland für diese Review zur Verfügung gestellt.