So wird Anime während Corona synchronisiert!

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Anime auf Deutsch zu synchronisieren ist eine weit unterschätzte Tätigkeit. Gerade aus der Sicht der Animefans hören sowohl die Publisher als auch die Synchronsprecher viele Vorurteile und Beleidigungen. Dass es eine anspruchsvolle Arbeit ist, will niemand so richtig wahrhaben. Dieses und viele weitere Themen konnte ich bei einem Besuch der Bavaria Musikstudios ansprechen und für euch aufklären!

Dabei habe ich die Möglichkeit bekommen, mit Julia Bautz, Maxi Belle und Yannick Forstenhäusler zu sprechen. Julia Bautz ist eine in Berlin lebende Synchronsprecherin, die vielen Animefans vor allem als Mansherry in One Piece und Holo aus Spice & Wolf kennen. Maxi Belle ist vielen als Taki Tachibana aus Makoto Shinkais Kassenschlager Your Name. und Weathering With You bekannt. Der dritte im Bunde ist Yannick Forstenhäusler, seines Zeichens Tonmeister, Drehbuchautor und Dialogregisseur unter anderem in One Piece (Stampede) und Inu Yasha.

Die Vorstellung der drei Synchronsprecher

Vielen Dank für die Möglichkeit des Interviews. Beginnen wir erst mal mit einer Vorstellung. Wer seid ihr, was ist euer Beruf und vor allem: Welches ist euer Lieblingsanime?

Julia Bautz: Ich bin Julia Bautz und Synchronsprecherin. Aktuell in Berlin wohnhaft, bin ich seit 2018 gelernte Schauspielerin und arbeite seit 2015, damals noch neben der Ausbildung, in dem Beruf. Mein bereits bekanntes Lieblingsprojekt ist aktuell Spice & Wolf. Dort durfte ich auch die Hauptrolle der Wolfsgöttin Holo sprechen, mein eigentliches Lieblingsprojekt, bzw. meine Lieblingsrolle erscheint im Juli.

Maxi Belle: Mein Name ist Maxi Belle und bin 25 Jahre jung. Ich bin bereits seit meinem fünften Lebensjahr als Synchronsprecher tätig und kann es meinen Hauptberuf nennen. Meine Lieblingsanime sind Chihiros Reise ins Zauberland und Your Name.. Bei beiden durften ich auch mitwirken.

Yannick Forstenhäusler: Ich heiße Yannick Forstenhäusler und habe mehrere Berufe. Eigentlich bin ich gelernter Tontechniker. Dadurch wurde es mir ermöglicht, neben der ersten Anime-Regie auch eine Sprecherrolle zu bekommen, inzwischen sogar schon so einige. Allerdings bin ich aktuell eher hinter den Kulissen tätig, führe Regie bei Anime-Synchronisationen und schreibe Dialogbücher. Lieblingsanime? Da ich in der Runde zum älteren Semester gehöre *lacht* sind es unter anderem Captain Tsubasa und Dragon Ball. Weitere Favoriten von mir sind Anime, die ich selbst betreuen darf, wie etwa One Piece und das kommende Astra: Lost in Space!

COVID-19 und die Auswirkungen auf die Synchronisationsarbeit

Vielen Dank für die Vorstellung! Nun zu einem ernsten Thema: die Corona-Krise. Wie ist es, nach einer längeren Pause, wieder im Studio zu stehen? Der Synchronverband „Die Gilde“ hatte für einen Monat die Arbeit komplett eingestellt; wart ihr davon auch betroffen?

Maxi: Wir hatten in München vom 20. März bis zum 20. April die Arbeit komplett eingestellt. Natürlich tat es nach so einer langen Abstinenz gut, wieder im Studio zu stehen. Die anschließenden Hygiene- und Distanzregelungen haben das Arbeiten bis jetzt nachhaltig verändert. So fehlt das eigentlich für selbstverständlich gehaltene Zwischenmenschliche vom Sprecher zum Regisseur zum Beispiel.

Yannick: Genau! So sind schon Änderungen bei der Planung vor der Aufnahme vorhanden. Es gibt Takes, die im sogenannten Ensemble aufgenommen werden. Das sind Aufnahmen, bei der mehrere Sprecher gleichzeitig vor einem Mikrofon sprechen. Sowas fällt durch die Abstandsregelungen komplett weg und die Synchronsprecher müssen einzeln den Raum betreten. Dazu kommen Lüftungspausen, die je nach Raumgröße um die 10 Minuten gehen. 

Neben solchen Regelungen gibt es natürlich auch die Sicherheitsbestimmungen. Es gibt mehrere Listen, in die man sich eintragen muss, wie lang man sich im Studio aufgehalten hat, in welchem man davor war, in welchem man als nächstes aufnimmt usw. 

Hat man noch weitere Auswirkungen gespürt? Denkt ihr, es wird Änderungen in der Auftragslage geben?

Yannick: Für die Publisher bedeutete es, dass Aufträge und Veröffentlichungen nach hinten verschoben werden. Änderungen gab es vor allem finanziell für Synchronsprecher und andere, in der Branche tätige Dienstleister. Diese Zwangspause von einem Monat hat bedeutet, dass kein Geld verdient wurde. Das ist vor allem für jene schlimm, die keine Rücklagen besitzen. Viele Kollegen mussten für diesen Zeitraum sogar einen Kredit beantragen! Es herrschten teilweise große Existenzängste, die sich zum Glück mit den Lockerungen gelegt haben. Dadurch, dass vieles stillstand, haben wir nun enorm viel Arbeit aufzuholen, was natürlich wiederum dem Geldbeutel zugute kommt.

Maxi: Noch sind wir am Aufarbeiten der Titel, die verschoben wurden. Zwar denken viele Kollegen, dass danach ein Auftragsloch kommen kann. Ich persönlich glaube aber nicht dran. Es gibt genügend bereits produzierte Anime oder Hollywoodproduktionen, die lizenziert werden können.

Schwere Informationsbeschaffung für Freischaffende

Synchronsprecher in Deutschland sind als Freischaffende tätig. Würdet ihr mir zustimmen, wenn ich sage, dass der Staat euch in dieser Zeit genug unterstützt hätte?

Yannick: Super schweres Thema! Die erste staatliche Hilfe für Unternehmen gab es leider nicht für Dienstleister wie uns. Natürlich sind Berufe wie Ärzte, Busfahrer und so weiter enorm wichtig und zurecht systemrelevant. Aber auch sie hören Musik, schauen Anime oder Filme. Die Zeit in der Isolation wäre für viele Menschen ohne die Unterhaltungsindustrie bei weitem nicht so einfach gewesen!

Maxi: Es gab eben auch das Problem der Informationsbeschaffung. Dadurch, dass wir als Synchronsprecher untereinander vernetzt sind, habe ich zum Beispiel die Diskussionen um die Soforthilfe mitbekommen. Denn die unterschiedlichen Berufe in der Synchro-Branche werden vom Gesetz her unterschiedlich gewertet. Soweit ich weiß, gelten Synchronsprecher nicht als Künstler. Autoren und Regisseure hingegen schon. Natürlich muss man auch sagen, dass das für jeden eine Ausnahmesituation darstellt. Eine Pandemie erlebt man nicht jeden Tag.

Habt ihr einen Druck seitens der Publisher gemerkt, wenn es zum Beispiel um das Einhalten von Deadlines geht?

Julia: Bei den Projekten, bei denen ich mitgewirkt habe, sind die Publisher eher zu uns gekommen und haben entschieden, die Anime zu verschieben.

Yannick: Man muss natürlich beide Seiten sehen. Sowohl die Studios, als auch die Publisher waren zu Home-Office verpflichtet. Dementsprechend ging da auch von Seiten der Planung und Organisation nicht viel. Ansonsten merken wir keinerlei Druck. Die Zeitvorgaben sind branchenüblich.

Maxi: Ich wurde allerdings schon auf die fehlenden Synchronisationen einiger Titel bei einem amerikanischen Streaminganbieter angesprochen, denn dort fehlt ja die deutsche Synchronisation bzw. wird erst nachgereicht. Anscheinend konnten die Firmen dahinter nicht warten und haben die Serien im O-Ton veröffentlicht.

Der Einsteig als Synchronsprecher

Vielen Dank für den Einblick in eine doch sehr schwere Zeit. Themenwechsel: Wie seid ihr Synchronsprecher geworden?

Maxi: Ich hatte das Glück, dass ich über meine Familie in die Branche hineingeboren wurde. Ich war schon früh bei sehr vielen Aufnahmen dabei. Dann durfte ich mit fünf Jahren meine erste Rolle spielen. Generell lässt sich sagen, dass Kinder weniger Probleme haben, sich in der Branche zu etablieren. Zwar gibt es in der Pubertät eine Phase, bei der man es entweder sau cool findet, Synchronsprecher zu sein oder eben nicht und aufhört. Übersteht man diese Zeit, gehört man zu den Menschen, die dann Dauergast in einem Synchronstudio sind. *lacht*

Julia: Als Kind war es immer mein Traum, dass die Menschen meine Stimme im Fernsehen hören sollten. *lacht* Als ich dann älter war, bin ich zufällig auf eine Workshop-Anzeige gestoßen. Dort wurde es einem ermöglicht, nach Beendigung des Workshops eine Sprecherrolle in einem Anime zu bekommen. Das war bei mir der Fall und mir wurde der Tipp gegeben, zusätzlich eine Schauspiel-Ausbildung zu absolvieren. Obwohl meine Familie durchgehend dagegen war, habe ich meine Ausbildung durchgezogen und erfolgreich abgeschlossen.

Hat es sich gelohnt? Kann man gut von der Synchro-Branche leben?

Julia: Man sollte nicht erwarten, sofort davon leben zu können. Es bedeutet vor allem eins: Man muss im Gespräch bleiben, sich beweisen, Klinkenputzen und an sich arbeiten. Aus vielen kleinen Rollen werden erst mit der Zeit größere, insofern man überzeugt. Es gilt zu zeigen, dass man es unbedingt will und sehr fleißig sein.

Maxi: Es sollte jedem klar sein, dass es eine freiberufliche Tätigkeit ist. Es kann Zeiten geben, da bekommst du durchgehend Jobangebote. Aber es kann auch passieren, dass niemand deine Stimme buchen möchte. Möchte man in der Branche durchstarten, wäre es wichtig, immer einen Notfallplan zu haben, falls es nicht funktioniert.

Yannick: Die Synchronisationsbranche ist extrem schnelllebig. Mal kommst du mit den Aufträgen nicht hinterher, dann kann es eine Jobflaute geben, weil deine Stimme zu keinem Projekt passt. Selbst wenn du gut bist und eine prägnante Stimme besitzt, gibt es diese Momente.

Du hast bereits von einem Take gesprochen. Was ist das genau und wie erfolgt die Bezahlung?

Maxi: Der Synchronverband „Die Gilde“ hat mal formuliert, dass ein Take ein Satz mit maximal 12 Wörtern ist. Das ist allerdings auslegbar, denn ein Take kann auch nur ein Atmer oder ein Laut sein. Da kommt es auf die Rolle an. Geschrieben wird ein Take vom Dialogbuchautor.

In vielen Facebook-Gruppen, in denen ich aktiv bin, kommt oft die Frage auf, ob man denn auch nur Synchronsprecher für Anime sein kann.

Julia: Wenn man den Beruf ernst nimmt, sollte man sich nicht absichtlich in eine Schublade stecken. So läuft das in der Branche leider nicht, zumal das auch nicht so gern gesehen wird. Außerdem läuft man Gefahr nicht ernst genommen zu werden, wenn man sich auf Anime fixiert, vorallem, da Realsynchron nochmal höhere Ansprüche hat.

Yannick: Man sollte den Anspruch haben, auch andere Rollen sprechen zu wollen. Wenn man nur Anime spricht, stößt man schnell an die Grenzen. Seien es Aufträge oder die Möglichkeit, Fuß in der Branche zu fassen.

Das Vorbereiten auf die Sprecherrolle 

Wie sieht eigentlich der Ablauf eines Synchronsprechers aus? Wie bereitet ihr euch auf eine Rolle vor?

Julia: Gar nicht. *lacht* In den meisten Fällen ist einem gar nicht bewusst, für was man in das Studio kommt.

Also bist du blind nach München gereist?

Yannick: Ich habe ihr zwei Dinge gesagt und den Satz mit „den Rest siehst du morgen“ beendet. *lacht*

Julia: Und das war schon sehr viel, was er mir gesagt hat! Ich habe zum Teil drei Termine an einem Tag und dann wird mir erst am Abend richtig bewusst, was ich überhaupt gesprochen habe.

Maxi: Ich finde, gerade das ist das Schöne am Beruf. Es kann sein, dass du dich an einem Tag in mehrere Rollen und Charaktere hineinversetzen musst. Und diese Herausforderung zu meistern, macht mir persönlich sehr viel Spaß. Auch bei mir kam es immer auf die Rolle an, die ich angeboten bekam. Normalerweise arbeite ich mit sehr wenig Vorbereitung. Bei anspruchsvollere Rollen geben einem die Studios schon mal vorab Material, aber das variiert stark.

Yannick: Ich denke, dass es die Rolle immer zu etwas Besonderem macht. Wenn ich als Regisseur dem Sprecher Informationen zur Rolle gebe und er sich vorbereitet, kann es sein dass er den Charakter anders interpretiert als ich. Was dann natürlich diskutiert und angepasst werden muss. Diese Gefahr hast du ohne Vorbereitung nicht. Oft ist es nämlich so, dass Emotionen unvorbereitet besser erzeugt werden als mit einer gewissen Vorbereitung.

Maxi: Das ist ein guter Punkt! Natürlich hilft es mir bei einer schweren Rolle, mich vorbereiten zu können. Oft ist es aber wichtig, nicht zu wissen, wie es mit der Figur weitergeht. Denn dann ist die Emotion echt.

Was ist denn eine leichte und eine schwere Rolle? Habt ihr ein Beispiel?

Julia: Schwierige Rollen sind die, bei denen die Figur komplett andere Charakterzüge als man selbst zeigt und fernab von dem handelt, wie man es selbst würde. Man muss sich dann erst einmal in den Charakter hineinversetzen.

Yannick: Du greifst als Sprecher auf Emotionen zurück, die du kennst. Man muss sich als Charakter sehen, um zu zeigen, wie er sich fühlt. Das ist das schwierige und die Herausforderung einer anspruchsvollen Rolle. So sind Rollen, die durch eine Krankheit gezeichnet sind, enorm schwer für mich.

Maxi: Für eine Rolle bei The Good Doctor, bei der ich einen Arzt mit Autismus synchronisieren durfte, habe ich vorab Material zugeschickt bekommen. Das hat mir dann unheimlich geholfen, mich in den Menschen einzufühlen.

Im Studio beginnt die Aufnahme direkt

Wie kann man sich die Arbeit im Studio vorstellen? Habt ihr einen Moment Zeit, um den Text durchzulesen?

Julia: Es geht nach einer Begrüßung und kurzen Projekteinführung direkt los!

Yannick: Man liest den ersten Take, dann hast du die Möglichkeit, die Szene komplett anzuschauen. Anschließend übst du, während der Tonmeister die Szene abfährt. Dann bleiben dir noch vier Sekunden, um dich in die Szene hineinzuversetzen, Luft zu holen und dann kommt die Aufnahme.

Wie steht ihr zur Aussage, dass die Anime-Synchronisationen „damals“ besser waren? Wie groß spielt die Nostalgie mit?

Maxi: Ja, Nostalgie ist ein großer Faktor. Allerdings sollte man erwähnen, dass damals weitaus weniger Anime als heute synchronisiert wurden. Durch die wenigen Projekte konnte man diese dementsprechend hochwertiger besetzen. Das hat sich alles gewandelt. Es gibt viel mehr Anime zu synchronisieren und diese müssen qualitativ besetzt werden. Das schaffen wir in Deutschland sehr gut.

Yannick: Viele „alte“ Synchronsprecher sind mittlerweile in Hollywood angekommen und synchronisieren große Rollen. Natürlich müssen sie abwägen, was wichtiger ist. Wenn du an einem Tag einen Anime synchronisieren musst, um dann zu erfahren, dass du am folgenden Tag eine große, bekannte Hollywood-Figur sprechen darfst, ist es meiner Meinung nach verständlich, wenn ein Synchronsprecher letzteres bevorzugt. Zumal die Anforderungen an eine Anime-Rolle oft ungemein höher ist, was zum Beispiel die Stimmbänder angeht. Wenn der Sprecher generell nicht mehr mit einer bestimmten Firma arbeiten möchte, ist das eine persönliche Entscheidung.

Ein Interview aus der Sicht eines Synchronstudios bekommt ihr hier!

„Eine Synchronisation zu erstellen, ist Teamarbeit“

Wie meinst du das?

Yannick: Eine Synchronisation ist nur gut, wenn alles miteinander abgestimmt ist. Wenn das Dialogbuch schlecht geschrieben ist, muss das im Studio direkt umgeschrieben werden. Das wiederum lässt den Synchronsprecher für nichts warten oder er wirkt ebenfalls am Buch mit – was nicht seine Aufgabe ist. Das erzeugt eine schlechte Stimmung, Takes müssen im Dialogbuch durch die Änderungen neu gesetzt werden und so weiter. Das alles wirkt sich dementsprechend auf die Synchronisation aus. Es kann natürlich sein, dass einem Synchronsprecher das komplett bewusst ist und er deshalb diverse Projekte nicht mehr spricht.

Maxi: Eine Synchronisation zu erstellen, ist Teamarbeit. Als Synchronsprecher kann es dir immer passieren, dass du gemeinsam mit dem anwesenden Team das Projekt rettest.

Yannick: Richtig. Wenn das Studio essenzielle Posten nicht richtig besetzt, kann es zu Qualitätseinbußen kommen. Es gibt einen Qualitätsstandard in Deutschland und dafür setzt sich „Die Gilde“ sehr stark ein. Leider ist das nicht immer gegeben.

Wie fühlt man sich als Synchronsprecher, wenn es im Team zu Problemen kommt?

Maxi: Du bist als Synchronsprecher so gesehen ein Werkzeug und der Take ist das Endprodukt. Vieles wird durch Kommunikation im Team geregelt. Wenn die Stimmung schlechter wird, wird der Ton untereinander rauer und das Endprodukt wird schlechter.

Dementsprechend gibt es wohl Tage, an denen ihr Entscheidungen bereut, oder?

Julia: Ich habe für mich letztlich entschieden, dass ich mit Studios, die keinen Qualitätsstandard haben, nicht mehr zusammenarbeite. Ein schlechtes Dialogbuch kann die Arbeit des Synchronsprechers maßgeblich negativ beeinflussen. Selbst wenn man am Dialogbuch noch was ändert, bleibt dann die Zeit liegen, um die Rolle gut zu sprechen.

Yannick: Das ist ein guter Punkt, den Julia anspricht. Man hört diese Qualitätsminderung sofort. Automatisch heißt es dann, dass die Synchronisation schlecht ist. Oder der Sprecher sei nicht gut genug. Viele wissen natürlich nicht, dass es gar nicht die Schuld des Sprechers ist, sondern den Umständen geschuldet, wie gearbeitet wurde.

Julia: Wenn dir der Regisseur, basierend auf dem Dialogbuch, keine genauen Anweisungen gibt, kann es passieren, dass vieles unnatürlich oder schlecht klingt.

Maxi: Man ist als Synchronsprecher das Aushängeschild der Serie. Und klar: Man sollte natürlich nicht das Projekt mittendrin abbrechen und sagen „So kann ich nicht arbeiten“. Das zeugt nicht von Professionalität. Allerdings merkt man es sich für die Zukunft, ob man unter den gleichen Voraussetzungen arbeiten möchte oder nicht.

Julia Bautz über ihre Rolle als Wolfsgöttin Holo in Spice & Wolf

Julia, deine aktuellste Rolle ist die Wolfsgöttin in Spice & Wolf. Ich kenne viele kritische Stimmen, die ein Problem mit deiner Redeart in der Rolle haben. Was kannst du dazu sagen?

Julia: Viele Fans kritisieren die Synchronisation ja, weil ich als Holo angeblich in der dritten Person spreche. Dabei ist das gar nicht so! Holo ist eine 600 Jahre alte Wolfsgöttin. Ich “erze” Lawrence. Das ist eine pronominale Anredeform, wie sie es seit Jahrhunderten gibt. Das ist ein Ausdruck des Respektes. Viele Fans wissen nicht, dass es diese Anredeform gibt. Sogar in der japanischen Synchronisation wird eine alte, japanische Anredeform verwendet. Als wir die Synchronisation aufgenommen haben, haben wir uns bewusst für diese Ausdrucksform entschieden. Zum Glück hören wir auch viele positive Stimmen, wenn es um unsere Entscheidung für ihre Synchronisation geht!

Maxi: Spice & Wolf kann man als gutes Beispiel bringen, wie viel ein gut geschriebenes Dialogbuch ausmachen kann. Es beginnt schon mit der Übersetzung, wie gut sowas werden kann. Seien es geschichtliche Hintergründe – es muss vieles bei Anime berücksichtigt werden.

Yannick: Man kann die japanische Sprache nicht 1:1 ins Deutsche übersetzen. Das funktioniert nicht. Ähnliches kann man über die Suffixe wie etwa -kun, -chan, -tan sagen. Sowas hat meiner Ansicht nach nichts in der deutschen Sprache bei einer Übersetzung zu suchen. Für mich ist es ein Qualitätsmerkmal einer deutschen Anime-Synchronisation, wenn es zwar berücksichtigt, aber nicht direkt ausgesprochen wird. Verniedlichungen wie -chan sind im Deutschen zum Beispiel möglich. Das ist praktisch in allen Bereichen so, sei es die Redeart, Emotion und so weiter. Die japanische und deutsche Sprache sind einfach viel zu verschieden.

Unsere Auftrag ist es zu synchronisieren, nicht zu übersetzen. Anime ist eine Kunstform und unsere Aufgabe ist es, diese in die deutsche Sprache zu bringen.

Und wie sieht es mit Dialekten aus?

Maxi: Auch ein sehr schweres Thema, was mit dem Dialogbuch einher geht. Einerseits gibt es mit Sicherheit Firmen, die das nicht gut finden, da es nicht dem Original entspricht. Andererseits kann das Benutzen von Dialekten die Szene oder Serie ins Lächerliche ziehen. Es muss definitiv zum Charakter passen.

Julia: Ein sehr gutes Beispiel ist die deutsche Synchronisation von Food Wars! Während im japanischen Original Megumi einen Hokkaido-Dialekt spricht, ist es im Deutschen bayerisch. Ela Paul hat da mit Richard Westerhaus einen unfassbar guten Job gemacht!

Yannick, du hast an vielen Werken nicht nur vor der Kamera, sondern auch hinter ihr mitgewirkt. Wie hoch ist die Lernkurve beim Schreiben beziehungsweise Sprechen?

Yannick: Als Autor ist es sehr schwer, wie ich finde. Entweder bist du mit deinen eigenen Büchern im Studio aktiv oder du schreibst für andere. Ich finde, es sollte wichtig sein, dass du gerade am Anfang vor Ort bist, wenn du für andere schreibst. Man muss sich bei sowas eine eigene Meinung bilden und schauen, wie die Sprecher reagieren. Diese Zeit sollte man sich nehmen. Durch solche Referenzen lernst du viel und weißt, was du beim nächsten Buch besser machen kannst. 

Beim Sprechen geht das schneller, da du direkt Feedback bekommst was du besser machen kannst oder sollst.

Und wie ist es als Synchronsprecher?

Maxi: Man lernt nie aus! Nicht nur du als Person wächst mit der Erfahrung, auch die Rollen wachsen mit. Zum Beispiel ist es ein großer Unterschied, ob du einen kleinen Jungen oder einen Teenager sprichst.

Julia: Man sollte nicht nur selbst an sich arbeiten. Es hilft auch viel, bei anderen Kollegen zu schauen, wie sie ihre Rolle sprechen.

Yannick: Es sind die kleinen Momente, die einem helfen, besser zu werden.

Es gibt keine direkte Konkurrenz bei Synchronsprechern

Wie kann man sich eigentlich das Konkurrenzverhalten bei Synchronsprechern vorstellen? Ich meine, es ist bestimmt nicht jedem recht, dass der Kollege sich reinsetzt und mithört.

Julia: Natürlich, sowas gibt es in jeder Branche. Ich würde aber trotzdem sagen, dass das nicht so ausgeprägt ist, wie man denken mag.

Maxi: Ich würde auch sagen, dass kein großes Konkurrenzverhalten existiert. Man ist als Synchronsprecher extrem individuell, was nicht nur die Stimme angeht. Jeder Sprecher kann eine Rolle anders angehen als man selbst. Und dann kommt es natürlich noch auf den Regisseur an, der dich als Sprecher haben will.

Ihr schaut mit Sicherheit auch privat Anime. Achtet ihr besonders auf die Arbeit der Kollegen? Ich bin zum Beispiel gelernter Hotelfachmann und kann bei keinem Restaurantbesuch die Arbeit der Kellner NICHT beurteilen.

Julia: Sobald man einmal mit dem Beruf angefangen hat, geht das nicht mehr weg. Egal was es ist, dir fällt sofort jeder Fehler auf, der begangen wurde. 

Yannick: Ich denke aber, dass ist überall so. Ich bin aber auch froh, nach einem 8 bis 9 Stunden Arbeitstag nichts mehr mit Synchronisation zu tun haben. Trotzdem versuche ich, nicht immer diesen Berufsblick zu haben, sondern genieße einfach nur die Serie oder den Film.

Woher denkt ihr, kommt diese durchgehende Negativität und Ablehnung gegenüber der deutschen Synchronisation bei Anime?

Julia: Früher war es so, dass man die Anime nicht vergleichen konnten. Du kanntest oft nur die deutsche Sprachausgabe und das war es. Heutzutage hat jeder die Möglichkeit, die Serien und Filme im Originalton zu schauen und zu vergleichen. Dadurch entsteht ein Bild der Charaktere, wie sie gesprochen werden sollen bzw. müssen. Wenn der Charakter dann nicht so klingt, wie es sich die Fans vorgestellt haben, ist die Synchronisation automatisch schlecht.

Yannick: Natürlich ist es Geschmackssache und selbstverständlich gibt es Fans, die alles im Originalton schauen wollen. Allerdings reicht oft auch nur ein Trailer aus und viele sagen dann, dass die Synchronisation nicht gut ist. Es kann auch ein Synchronsprecher sein, der bereits in Hollywoodproduktionen gesprochen hat – die Synchro ist trotzdem schlecht. Allerdings macht der Ton die Musik. Hass im Internet verbreiten kann jeder. Wichtig ist, dass die Kritik sachlich vorgetragen wird. Leider machen das nur die wenigsten. Steht mal einer dieser Dub-Hasser live vor dir, hört man immer nur Positives.

Julia: Wie oft lese ich in den Kommentaren, dass die deutschen Synchronsprecher emotionslos klingen. Leider muss ich jenen Menschen immer sagen, dass in Deutschland auch eben niemand so übertrieben sprechen würde, wie es der japanische O-Ton vorgibt. Und das wollen nur die wenigsten wahrhaben.

Yannick: Es ist nun mal ein Teil der japanischen Anime-Kultur, dass alles so Over-the-Top ist. Und wo schreit man sich durchgehend in Deutschland an? Beinahe jede Konversation wird in normaler Lautstärke gehalten.

Was ist der Reiz an einer deutschen Synchronisation, gerade im Vergleich zur japanischen?

Maxi: Man sollte den Anime, den man betreut, so gut wie möglich dem deutschen Zuschauer nahe bringen. Viele Animefans wissen nicht, dass der japanische Fan auf komplett andere Dinge achtet, als der deutsche. Gleichzeitig wollen wir dieses Wohlfühl-Erlebnis, was wir beim Schauen einer guten Synchro haben, auf den Fan übertragen.

Julia: Man muss das nicht nur auf Anime beschränken. Der Reiz ist es, eine so gute Synchronisation zu erzeugen, dass man denkt, dass die Charaktere von Beginn an Deutsch sprechen.

Yannick: Das ist eben die Kunstform dahinter. Man muss dem Zuschauer ein Erlebnis bieten, als würde er das Original schauen.

Nun bräuchte ich noch eine Einschätzung eurerseits: Was wird die Zukunft bringen? Wie stark wird sich die Branche verändern?

Yannick:

Durch Corona wurden viele Themen hinterfragt, die zunächst einmal beantwortet werden müssen. Dadurch ist es schwierig zu sagen, wie die Zukunft aussehen wird. Es wurde bereits mit dem sogenannten Cloud-Dubbing versucht, eine Anime-Synchronisation zu produzieren. Das hat allerdings zu Mehrkosten geführt, da man diverse Takes neu aufnehmen und der Synchronsprecher trotzdem in das Studio reisen musste. 

Beim Cloud-Dubbing erfolgen die Synchro-Arbeiten, ähnlich wie beim Home Office, von zuhause aus. Was als Sicherheitsmaßnahme argumentiert wird, gilt vor allem zur Kostendrückung. Das wirkt sich auf die Qualität der Synchronisation in jeglichen Belangen aus.

Mehr zum Thema Cloud-Dubbing erfahrt ihr unter diesem Link!

Maxi: Es wäre blauäugig, wenn man glaubt, dass sich die Synchronisation nicht verändern würde. Vergleicht man zum Beispiel die heutige Produktion mit der damaligen, erkennt man die großen Fortschritte. Dinge, die damals kritisch beäugt wurden, sind jetzt etabliert. Egal wie man es sieht oder was noch kommen mag: Es sollte nicht die eigentliche Qualität beeinflussen.

Da sind vor allem die Fans gefragt und da kann ich auch für Julia und Yannick sprechen: Wenn man merkt, dass die Synchronisation schlecht ist: Sagt es – aber bitte konstruktiv! Einfach nur zu sagen, dass die Synchro grauenhaft ist, bringt niemanden etwas. Weder uns Sprechern, noch dem Studio, noch dem Publisher. Wir können sagen, dass alles gelesen wird; solange es eben konstruktiv und sachlich gehalten ist.

Zum Abschluss: Gibt es etwas, das ihr den Fans sagen möchtet?

Yannick: Ich kann hier nur das wiederholen, was Maxi gesagt hat. Wenn ihr uns helfen wollt, seid bitte konstruktiv und unterstützt die deutschen Veröffentlichungen! Ich kann sagen, dass jeder sein Herzblut in die Projekte steckt.

Maxi: Richtig. Ohne die Unterstützung der Fans können wir nicht arbeiten. Natürlich kann es sein, dass es den Ansprüchen nicht gerecht wird oder einem etwas nicht gefällt. Wenn es aber begründet wird, sind wir die letzten, die es beim nächsten Mal nicht besser machen wollen.

Julia: Viele Animefans denken, sie wüssten ziemlich genau, wie die Branche funktioniert. Leider sind das jene, die lautstark und vor allem unbegründet gegen Synchronisationen wettern. Bitte macht euch ein eigenes Bild und hört nicht auf solche „Fans“! Scheut euch auch nicht, uns direkt zu fragen! Insofern es uns möglich ist, beantworten wir gern jede Frage. Danke für euren Support und dass ihr synchronisierte Werke konsumiert!

Vielen Dank euch drei, dass ihr euch die Zeit für das Interview genommen habt!

Ein großes Dankeschön an Julia Bautz, Maxi Belle und Yannick Forstenhäusler! Nun meine Frage an die Community! Wie steht Ihr zu den Arbeiten der Synchronsprecher? Welche mögt ihr besonders, welche nicht? Schreibt es gern in die Kommentare! 

4 Antworten

  1. „Ähnliches kann man über die Suffixe wie etwa -kun, -chan, -tan sagen. Sowas hat meiner Ansicht nach nichts in der deutschen Sprache bei einer Übersetzung zu suchen. Für mich ist es ein Qualitätsmerkmal einer deutschen Anime-Synchronisation, wenn es zwar berücksichtigt, aber nicht direkt ausgesprochen wird.“

    Sehe ich anders. Diese suffixe verdeutlichen oft die Beziehung in denen die Charaktere zueinander stehen und zwar viel differenzierter als das im Deutschen möglich ist. Wird dann versucht das ganze ins Deutsche zu übertragen, gehen diese verloren.

    Deutsche Synchronisationen haben es ja schon schwer bei Englishen originalen den richtigen Moment zu erwischen, wenn man vom „Sie“ ins „Du“ wechselst, so dass es oft lächerlich ist wie nage sich Charaktere eigentlich stehen und im Deutschen dann immernoch gesiezt wird.

    Und im Japanischen ist das Ganze noch komplexer und die Übertragung gelingt noch schlechter. In manchen Synchronisationen werden die Suffixe manchmal 1 zu 1 mit ins Deutsche übernommen. Ich persönlich bevorzuge das.

    1. Wenn mann ein krasser Anime Freak ist und Nerd versteht man sicher was solche Suffixe bedeuten sollen. Freunde von mir würden dumm aus der Wäsche gucken bei San tan Chan… Und animes sollen ja die allgemeinheit ansprechen und unterhalten. Nicht nur Otaku Leute.

    2. Die Meinungen zu japanischen Suffixen in deutschen Synchronfassungen gehen da auch ziemlich auseinander. Das sieht man auch in diversen deutschen Animeveröffentlichungen. Einige übernehmen das 1-zu-1, andere versuchen da irgendwie deutsche Entsprechungen zu finden und andere bügeln das weg.
      Da sind nicht nur die Fans geteilter Ansichten und ich glaube auch nicht, dass sich in Zukunft noch alle einig werden was nun der eleganteste Weg ist.

      Grundsätzlich muss man da den Spagat zwischen „Anime Freak“ und „Gelegenheitsgucker“ erwischen. Die einen können sich unter den Suffixen direkt was vorstellen, andere wiederum nicht.
      Für mich ist es elegenter, aber auch deutlich anspruchsvoller entsprechende Beziehungen auf andere sprachliche Formen zu verdeutlichen als einfach die Suffixe zu übernehmen. Das macht man wenn einem sonst nichts mehr einfällt, nicht mehr genug Zeit für was besseres hat oder einfach nur faul ist.

  2. Ich glaube, die meisten, die damals mit den etwas harschen (aber herrlichen!) Synchronisationen wie zb von DBZ aufgewachsen sind und dann die großen „Synchron-Flops“ von Naruto und co mitbekommen haben (aktives Vermeiden von bestimmten Begriffen wie „tot“ etc., zusätzlich heftige Zensierung) , sind immer noch etwas vorsichtig deswegen. Mittlerweile zu Unrecht, wie ich finde. Nach einer (völlig subjektiv gesehenen!!) Flaute in der deutschen Synchronisation (wo aber auch generell der Anime-Konsum im deutschen Free Tv zurückging) war ich zuletzt vom deutschen Haikyuu Dub oder auch der deutschen Fassung von „Your Name“ vollkommen positiv überwältigt!
    Dieser Hass oder zumindest Unmut, in die deutschen Fassungen reinzuhören, stammen meiner Meinung nach zu einem Großteil noch von damals.
    Zu der Zeit (aka Naruto Krise) sind viele erstmalig zum japanischen Original ihrer Lieblingsserie gewechselt und haben dann erst festgestellt, wie wenig der Witze, Wortspiele oder auch ganz einfach emotionale Stimmung mit ins Deutsche genommen wurden. Teilweise wurde das ganze dadurch verstärkt, dass die jeweiligen Soundtracks nicht außerhalb Japans lizensiert wurden und man sich mit mittelprächtigen amerikanischen Tracks abfinden musste (schlimmes Beispiel wäre da bspw. Pokemon X /Y).

    Alles in allem bin ich froh und dankbar, dass wir so eine herzliche und gute Synchronarbeit in Deutschland haben? natürlich weit über die Animes hinaus!

    Euch allen alles erdenklich Gute!!!

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