Seit über 28 Jahren begeistert der japanische Entwickler Omega Force mit der Dynasty Warriors-Reihe Fans von actiongeladenen Massenkämpfen. Mit Dynasty Warriors: Origins gibt es seit dem 17. Januar nicht nur den neuesten Ableger der Hauptreihe – es handelt sich zugleich um ein wegweisendes (Soft-)Reboot der Warriors-Saga. Mehr dazu im Test.
Von Massenkämpfen und Franchise-Titeln
Fragt man Gaming-Fans, was sie von den Dynasty Warriors-Titeln halten, hört man oft die gleichen Antworten: spaßige, aber monotone Massenkämpfe zur Zeit der Drei Königreiche im antiken China. Entweder liebt man die (stumpfen) Schlachten – oder eben nicht. Ein Mittelding? Gibt es kaum.
Zwar hat sich das Franchise mit seinen zahlreichen Fortsetzungen fest im Gaming-Sektor etabliert, doch gerade die Spin-offs, die wenig mit Dynasty Warriors selbst zu tun haben, gelten für viele Fans als die eigentlichen Highlights: Hyrule Warriors, One Piece: Pirate Warriors oder das gelungene Fire Emblem Warriors: Three Hopes. Jeder dieser Titel übernimmt die bekannte Musou-Formel, passt sie perfekt an das jeweilige Universum an und bringt gleichzeitig frischen Wind in das Warriors-Franchise.
Und das so sehr, dass man sich – gerade vor Origins – gewünscht hätte, dass Elemente wie das Socializing aus Three Hopes schon früher Einzug in die Reihe gehalten hätten.
Entdecke die Helden –Bringe dem Land Frieden
In der späten Östlichen Han-Zeit befand sich die Welt durch den Einfluss
korrupter Regierungen und ständige Hungersnöte in großem Chaos.
Die Menschen waren verarmt, ängstlich und frustriert.
Die Geschichte beginnt damit, dass ein Kampfsportler,
der unter Amnesie leidet, durch das verwüstete Land reist.
(Synopsis via Koeitecmoeurope)
Eine Geschichte? In Dynasty Warriors?
Eine der größten Änderungen in Dynasty Warriors: Origins betrifft die Geschichte: Anstatt wie in den Vorgängern die Perspektiven der drei Dynastien Wu, Shu und Wei durch deren wichtigste Protagonisten zu erleben, geht Origins einen etwas anderen Weg.
Diesmal schlüpfen wir in die Rolle eines eigenen Charakters, dessen Namen wir selbst bestimmen können. Dieser taucht in zahlreichen (CGI-)Zwischensequenzen tief in die Gefühlswelten der Beteiligten ein. So erfahren wir viel über die Beweggründe der Koalition gegen die Gelben Turbane, darüber, wie sich das Bündnis auf wackeligem Fundament hält – und letztlich doch zusammenbricht.
Ja, die Geschichte an sich ist nichts Besonderes und wurde schon unzählige Male (eben durch das Franchise) erzählt. Doch die Inszenierung mit den vielen Zwischensequenzen und Ingame-Dialogen ist gelungen und sorgt dafür, dass man durchgehend wissen will, wie sich die Ereignisse entfalten.
Schade ist allerdings, dass der an Amnesie leidende Protagonist abseits von Schlachtrufen kein einziges Wort spricht. Trotz Dialogoptionen hat man oft das Gefühl, eine leere Hülle zu spielen. Man dient eher als Mittel zum Zweck für das Geschichtenerzählen, anstatt wirklich Einfluss auf die Handlung zu nehmen. Hier wurde eindeutig Potenzial verschenkt – zumal „der Wanderer“ (so der Standardname, falls ihr keinen eigenen wählt) ein sehr begrenztes Emotionsspektrum zeigt. Meist bleibt es bei einem Nicken oder einem leichten Grinsen – mehr ist da leider nicht drin.
Spielerisch (fast) wie immer – aber eben nur fast
Was das Gameplay betrifft, bietet Dynasty Warriors: Origins vieles vom Altbekannten. Heißt: Ihr stellt euch oft allein tausenden von Gegnern. Die Schlachtfeld-Atmosphäre weiß dabei zu überzeugen – dank Wetterwechseln, dynamischen Missionszielen und unzähligen Feinden schafft es Koei Tecmo hervorragend, das Dauer-Geknüppel weniger monoton wirken zu lassen.
Klar, am Ende der ein- bis zwanzigminütigen Missionen läuft es meist auf dasselbe hinaus: Ihr betretet ein Schlachtfeld, erfüllt Nebenaufgaben, rettet Verbündete, durchsiebt hochrangige Gegner – und am Ende erwartet euch ein starker General, den es zu besiegen gilt. Dieser Ablauf ist seit jeher ein Markenzeichen der Reihe, und Origins hält daran fest. Allerdings leisten die Gegner nun deutlich mehr Gegenwehr: Unter den tausend Soldaten, die ihr in einem Gefecht niedermäht, gibt es einige, die sich formieren und in Angriff oder Verteidigung gehen. Das durchkreuzt das sonst seelenlose Durchprügeln und sorgt für Überraschungen. So kann es passieren, dass die KI außerhalb des Kamerawinkels Angriffe vorbereitet – und plötzlich fragt ihr euch, warum eure Kombos abgebrochen werden und ihr Schaden kassiert.
Dieser Kniff im Gameplay mag simpel klingen, doch er beseitigt einen der größten Kritikpunkte des Dynasty Warriors-Franchise: die fehlende Herausforderung abseits der Bosskämpfe. Oft wurde bemängelt, dass gegnerische Armeen nichts weiter als Kanonenfutter für hohe Kombos sind. Doch durch diese neuen Angriffs- oder Defensivformationen müsst ihr eure Umgebung ständig im Blick behalten. Denn die Inventarplätze für Buffs und Heilgegenstände sind begrenzt – und schon auf normalem Schwierigkeitsgrad kann ein einziger Fehler schnell den Game-Over-Screen bedeuten, wenn ihr nicht rechtzeitig ausweicht oder pariert.
Ich bin mein eigener Kommandant!
Doch nicht nur eure Gegner haben dazugelernt – auch ihr als Wanderer bekommt neue Fähigkeiten. Neben den neun Waffentypen, die sich komplett unterschiedlich spielen (persönliches Highlight: Twin Pikes), erhaltet ihr im Laufe des Spiels die Kontrolle über eine eigene kleine Streitmacht. Diese könnt ihr nutzen, um flächendeckende Attacken auszuführen, die je nach Timing massiven Schaden verursachen – sehr cool! Allerdings lässt sich das nicht endlos ausnutzen, da es natürlich eine Cooldown-Mechanik gibt.
Viele kleine Anpassungen
Generell merkt man schnell, dass sich Dynasty Warriors: Origins zwar wie „more of the same“ anfühlt, es aber gelungen ist, an den kleinen Stellschrauben zu drehen, um ein runderes Spielerlebnis zu schaffen. Bestes Beispiel: das RPG-System. Neben dem Ergrinden verschiedener Waffenstärken gibt es nun auch einen mehrstufigen, passiven Skilltree. Man kann ihn größtenteils ignorieren – aber wenn man ihn nutzt, spürt man deutliche Verbesserungen in der Stärke des Wanderers. Das macht das Farmen von Seelenpunkten, die für das Freischalten des Skilltrees benötigt werden, um einiges belohnender – zumal nur die Bonding-Missionen besonders viele Punkte abwerfen.
Bonding-Events? Sind wir in Persona?
Nicht ganz – aber es gibt einige Vorteile, wenn ihr euch mit den Offizieren der drei Fraktionen anfreundet. Das geschieht durch Story-Events, Trainingsmissionen (= mehr Sidequests) und persönliche Missionen.
Diese Bonding-Events bieten nicht nur tiefere Einblicke in die Gefühlswelten der Charaktere, sondern belohnen euch auch mit seltenen Kampfkünsten für eure Waffen. Das Ganze fügt sich zudem nahtlos in den Gameplay-Loop von Dynasty Warriors: Origins ein und wirkt nie aufgesetzt.
Stabile Technik
Auch technisch überzeugt Dynasty Warriors: Origins. Vorbei sind die langen Ladezeiten, ruckeligen Animationen und störenden Pop-Ups: Origins läuft auf dem PC absolut sauber, bietet hervorragende (Kampf-)Animationen und liefert schnelle Ladezeiten sowie minimale Pop-Ups. Die Entscheidung, die Open-World des Vorgängers zugunsten größerer, in sich abgeschlossener Areale aufzugeben, hat sich definitiv ausgezahlt. Diese Areale wirken zudem lebendiger und nicht mehr so leer und ausgestorben. Klar, an manchen Stellen wünscht man sich mehr Details, doch das sind Kleinigkeiten, die inmitten der riesigen Kämpfe kaum ins Gewicht fallen – schließlich ist man meistens damit beschäftigt, hunderte Gegner niederzumähen.
Die Open-World ist übrigens nicht völlig verschwunden, sondern wurde in Form einer riesigen Karte integriert, auf der wir als Wanderer in einem Hub-System neue Missionen auswählen können.
Und man muss es immer wieder betonen: Die Schlachtfeld-Atmosphäre von Dynasty Warriors ist einzigartig. Wenn die rockige, fernöstlich angehauchte Musik einsetzt, Schlachtrufe überall ertönen und Schwerter aufeinandertreffen, entfaltet das Spiel seine volle Stärke. Diese Disziplin beherrscht Koei Tecmo einfach – und Origins ist da keine Ausnahme. Der neu hinzugefügte Wetterwechsel, durch den sich ein sonniges Schlachtfeld innerhalb von Sekunden in eine schlammige Matschhölle verwandeln kann, trägt zusätzlich zur Immersion bei.
Ein kleiner Wermutstropfen sind die gelegentlichen Kamera-Aussetzer, die durch die schiere Masse an Gegnern verursacht werden. Besonders in der Nähe von Karten- oder Basenrändern kann es passieren, dass die Kamera zu nah heranzoomt und man die Übersicht verliert – was gerade in hektischen Kämpfen frustrierend sein kann.
Löblich ist hingegen, dass auch an Spieler unterwegs gedacht wurde: Dynasty Warriors: Origins bietet einen speziellen „Steam Deck“-Preset – eine willkommene Ergänzung!
Der Kampf danach
Nach etwa 20 bis 40 Stunden, wenn die Hauptkampagne abgeschlossen ist, bietet das Spiel ein New Game+. Dieses lohnt sich vor allem für Statistikjäger, da es die Möglichkeit gibt, alternative Enden freizuschalten, indem bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Wem das nicht reicht, kann sich außerdem daran machen, stärkere Waffen mit Legendenstatus freizuschalten, die zusätzliche mächtige Fähigkeiten und Attacken bieten. So kann man problemlos bis zu 100 Stunden in das Spiel versinken.
Alles in allem zeigt Koei Tecmo mit Origins, dass das Dynasty Warriors-Franchise noch lange nicht abgeschrieben werden sollte. Es wurden an den richtigen Stellschrauben gedreht, sodass sowohl langjährige Fans als auch komplette Neulinge auf ihre Kosten kommen. Ja, es gibt weiterhin monotone Aufgaben, und ja, der Protagonist hätte besser ausgearbeitet werden können. Die Story? Schon hundertmal erzählt und trotz aller Dramaturgie nichts Besonderes.
Und trotzdem sitzt man gespannt vor dem Bildschirm, metzelt sich durch abertausende Soldaten und freut sich darauf, den nächsten Skillpunkt freizuschalten. Es fühlt sich einfach rund an – und genau das war die Intention von Origins: ein solides, gut durchdachtes Spielerlebnis zu bieten, auf das man in Zukunft aufbauen kann. Und das ist definitiv gelungen. Man darf gespannt sein, wohin die Reise von Dynasty Warriors als Nächstes führt.
Pro
- Massenschlachten mit großartiger Atmosphäre
- Sechs verschiedene Enden möglich
- Optisch ansprechend
- Durchaus fordernde Kämpfe
- Spaßiges Kampfsystem
- Gelungene Zwischensequenzen
- Neun spielerisch unterschiedliche Waffen
- Umfangreiche Kampagne (20 - 40 Stunden)
- Motivierendes Fortschrittssystem und lohnender Grind
Contra
- Stummer Protagonist ohne echte Persönlichkeit
- Sehr linear
- Wenig spielerische Abwechslung außerhalb der Kämpfe
- Viele Nebenmissionen nach Schema F
- Teilweise sehr überladen
- Kamera macht hin und wieder Probleme