Wieso Anime-Spiele im qualitativen Durchschnitt landen

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Dragon Ball, Attack on Titan, Naruto und One Piece sind nicht nur beliebte Anime- und Manga-Serien, sondern auch Videospiel-Adaptionen, die entweder eine wechselnde Qualität aufweisen oder grundsätzlich gemieden werden sollten. Aber woher kommt das? Das möchte ich in diesem Artikel erklären.

Verschiedene Definitionen von Lizenzspielen

Bevor wir uns den Lizenzspielen widmen, muss zunächst eine Aufklärung erfolgen. Es gibt drei Arten, diese Videospiele anzugehen. Zunächst haben wir jene Spiele eines Multimedia-Projektes (in Japan Media Mix genannt), bei der entschieden wird, wie weit Projekt X gehen und mit neuen Spielen, Anime, Manga betreut wird. Bekannte Beispiele dafür wären .hack, BanG Dream!, Kagerou Project oder Digimon. Darin wird das Projekt in regelmäßigen Abständen mit neuen Inhalten versorgt. Als Zweites hätten wir Franchises wie etwa Black Clover, Attack on Titan, Dragon Ball oder Sword Art Online, usw. Diese sind meist auf einen Mangaka/Autor zurückzuführen. Die Spiele greifen die Grundidee des Originalwerkes auf und versetzen den Spieler in jene Welt; ohne dass es Pflicht ist, die Ursprungswerke zu kennen. Als Drittes gibt es die Games, die als Originalvorlage dienen, sei es als Visual Novel oder reguläres Spiel (z. B. God Eater, Danganronpa, Higurashi). Im folgenden Text wird vor allem die zweite Variante behandelt.

Anime-Videospiele existieren länger als man denkt

Videospiele, die auf Anime oder Manga basieren, sind genauso wie ihre westlichen Counterparts älter, als manche annehmen würden. Bereits 1980 gab es mit einem Arcade-Ableger von Lupin the 3rd die erste Möglichkeit, in die Haut des Lieblingscharakters zu schlüpfen. Mehrere Jahre und ein Video Game Crash (1983 in den USA) später, bei dem die Industrie in Japan keinerlei Schaden davongetragen hat, erschienen mit zwei Mobile Suit Gundam-Spielen nicht nur ein Space Invaders-Klon, sondern auch ein Textadventure mit Shooter-Passagen namens Kidou Senshi Gundam Part 1: Gundam Daishi ni Tatsu.

Doch es sollte nicht nur bei diesem Titel bleiben. Nachdem Kidou Senshi Gundam Part 1: Gundam Daishi ni Tatsu 1984 eine Fortsetzung erfahren hatte, erschienen weitere Videospiel-Ableger von bekannten Franchises wie etwa Golgo 13 (NES), Doraemon (Arcadia 2001, Cassette Vision) und Kinnikuman (PC-88, NES). Auch das erste Dragon Ball-Spiel erschien 1986 für die Cassette Vision; damals ohne Bezug zu Bandai bzw. Namco Bandai. Allerdings hatten viele Spiele wie etwa die Videospiel-Adaption zum Kultfilm Akira, auch schon damals Probleme: Qualitativ waren die Spiele nie gut. Im Falle von Akira wurde das Spiel fünf Monate nach Erstaufführung des Films veröffentlicht und war in einem schrecklichen technischen Zustand.

Immer mehr Publisher wenden sich dem Vertrieb von solchen Spielen zu, wie etwa Taito, Konami, Capcom, Marvelous, Bandai oder (Koei) Tecmo. Schon damals waren viele Anime-Lizenzspiele reine Kopien bekannter Spielelemente ohne eigenen Einfluss oder gar Ideen.

Viele Spiele erscheinen nicht im Westen

Heutige Anime-Lizenzspiele werden nur noch von sehr wenigen Vertrieben veröffentlicht, da viele der Unternehmen, die in den Jahren 1980 bis 2000 solche Lizenzspiele vertrieben haben, aufgekauft oder aufgelöst wurden. „Marktführer“ kann dabei Bandai Namco genannt werden. Seit dem Zusammenschluss von Bandai und Namco im Jahr 2005 wurden über 100 Anime-Spiele veröffentlicht, die der oben genannten zweiten Kategorie zuzuordnen sind. Der springende Punkt dabei ist: Viele Titel erscheinen nicht im Westen. Zwar besitzen einige Spiele englische Untertitel für den asiatischen Raum, offiziell für den westlichen Markt sind sie allerdings nie veröffentlicht worden.

Zeitnahe Veröffentlichung wichtig für Erfolg

Lizenzspiele zu Filmen bzw. Serien im Westen sowie die japanischen Lizenzspiele werden oft so entwickelt und angekündigt, dass sie nur mit wenigen Monaten Verzögerung veröffentlicht werden. So erschien etwa das PS4-Videospiel von Spiderman vier Monate vor dem Film Into the Spider-Verse. The Seven Deadly Sins: Knights of Britannia erschien im Februar 2018 während des Simulcasts der zweiten Staffel des Anime The Seven Deadly Sins: Revival of The Commandments. Dieses Muster lässt sich bei vielen, aber nicht allen Adaptionen erkennen. Das zweite Spiel zu My Hero Academia, My Hero’s One Justice, erschien etwa einen Monat nach der Ausstrahlung der dritten Staffel, usw.

Der Grund für dieses Muster ist simpel: Möglichst viele Fans vom Hype der Serie auffangen und hoffen, dass diese Spiele sich verkaufen. Mit Erfolg: Das Spiel wurde 500.000 Mal verkauft. Das Spiel musste die Erwartungen übertroffen haben, denn knapp 2 Jahre später wurde die Fortsetzung My Hero One’s Justice 2 veröffentlicht – mit leichten Gameplay-technischen Änderungen sowie der Story, die beim Vorgänger ansetzt (Ende Staffel 3) bzw. in Staffel 4 als Anime erzählt wird.

„Für Fans“

Keine Frage – der Veröffentlichungszeitraum für ein Nischenspiel (was Anime-Games nun mal sind), ist wichtig und weitgehend vertretbar. Anders sieht es mit der Qualität aus: Viele Spiele kommen nicht über den Durchschnitt hinaus. Viele (internationale) Spiele-Redaktionen haben genauso große Anime- und Manga-Fans wie es sie in den Communities zuhauf gibt; einige freuen sich sicherlich darauf, virtuell mit ihren Lieblingscharakteren loszulegen. Dementsprechend groß muss oft die Ernüchterung sein. Das sieht man dann in der Endwertung.

Natürlich ist Metacritic keine gute Anlaufstelle, um über ein Spiel zu urteilen; zu verschieden sind die Testmethoden der Magazine, zu groß die Wertungsdefinitionen. Es zeigt allerdings sehr gut, wie weit der Wertungstrend der Magazine geht. Mit Ausnahmen wie etwa Dragon Ball FighterZ, Granblue Fantasy: Versus oder dem zweiten Attack on Titan-Spiel sind sämtliche Titel im durchschnittlichen Bereich. Durchschnittlich heißt allerdings nicht, dass das Spiel schlecht ist. Es bedeutet lediglich, dass es für Fans des Spielgenres oder der Vorlage interessant/spaßig sein kann. Lediglich in seltenen Fällen wird der „durchschnittliche, aber qualitativ nicht schlechte“ Spielspaß von Games übertrumpft, die nicht nur Fans der Vorlage gefallen könnten.

Man kann folgende Gründe in Betracht ziehen, weshalb Anime-Spiele nur selten über den Durchschnitt hinauskommen:

Fehlende Genre-Vielfalt bei Anime-Spielen

Wie bereits erwähnt, bekommen nur wenige Anime-Spiele eine englische oder deutsche Lokalisierung. Diejenigen Titel, die es schaffen, sind meist auf ein paar Genres beschränkt: Nischen-Beat-‚em-Ups, entweder mit Musou-Gameplay-Elementen oder grindlastige Action-Adventures. Es gibt kaum Experimente mit neuen Genres oder bekannten Marken. Wenn es doch welche gibt, dann nur in kleinen Schritten. Ein Beispiel dafür ist Little Witch Academia: Chamber of Time, ein Sidescroller mit Action-Rollenspiel-Elementen. Es ist nett, aber auch sehr allein.

Woran liegt das?

  1. Weil die Titel nicht mehr hergeben! Praktisch jeder beliebte Shounen eignet sich durch die große Anzahl von Charakteren für Beat-‚em-Ups! Außerdem bietet die Geschichte genug Material, um einen Story-Modus zu rechtfertigen. Aber wie würde zum Beispiel ein Kochspiel von One Piece aussehen? All das wird nie beantwortet.
  2. Weil die Fans es wollen! Man muss sich nur die Community anschauen. Überall gibt es Duelle zwischen verschiedenen Charakteren. Sei es ein Stärkevergleich im gleichen Universum oder ein Crossover, Kämpfe gegeneinander gibt es durchgehend. Jeder Fan möchte wissen, ob sein Lieblingscharakter gegen Charakter Y bestehen kann. Dieser Reiz wird mit dem Genre des Beat-‚em-Ups am besten erfüllt.
  3. Weil der Westen nicht die richtige Zielgruppe ist! Beat-‚em-Ups haben in Japan und den USA vor allem durch die Arcade-Spielhallen eine riesige Tradition. Auch jetzt erscheinen in Japan immer wieder neue Arcade-Geräte, die verschiedene Anime integrieren. Zwar gibt es immer noch viele Turniere in den USA, aber Deutschland hinkt aufgrund der fehlenden Spielkultur stark hinterher.
    Dasselbe gilt für das Musou-Genre. In Japan sind die grindlastigen Abenteuer sehr beliebt, aber in Deutschland agiert dieser Massenprügler vollkommen unter dem Radar.

Viele Spiele verlieren schnell die Puste – zum Vollpreis

Oftmals hinterlassen Anime-Spiele oberflächlich einen sehr guten Eindruck. Die Optik wird oft dem Anime gerecht, viele Effekte verzieren die Kämpfe und auch die echten Synchronsprecher sind dabei. Auch die Zwischensequenzen, die meistens vom Anime 1:1 übernommen werden, wissen zu gefallen. Allerdings passiert es oft, dass dann nichts mehr kommt. Entweder wird die Geschichte durch grindlastige Momente langgezogen (One Punch Man: A Hero Nobody Knows), ist praktisch nicht existent (Tokyo Ghoul:re Call to Exist) oder die Immersion geht durch eine konfuse Erzählstruktur vollständig flöten (The Seven Deadly Sins: Knights of Britannia).

Das sind oft Probleme, über die man hinwegsehen kann. Aber es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass viele der Titel zu vollständigen Preisen angeboten werden und damit oft überteuert sind.

Mobile Games sind im Vormarsch

Kaum zu glauben, aber wahr: Mit regulären Vollpreisspielen lässt sich weitaus weniger Geld verdienen als mit sogenannten Gacha-Games! Mittlerweile besitzt jeder ein spielbares Handy mit akzeptablem mobilen Internet. Titel wie Fate/Grand Order oder Fire Emblem Heroes zeigen, dass sich für bekannte Marken Mobile-Ableger durchaus lohnen. Zwar wird versucht, mit regelmäßigen Character-DLCs den Spielen noch mehr Leben einzuhauchen; doch sterben diese oft einen schnellen Tod, da sie kaum noch gespielt werden. Natürlich kann man die Fans noch mit neuen Inhalten und Spielen versorgen, aber oft merkt man an der Qualität, wie wichtig die Spiele für den Publisher sind, egal ob DLCs erscheinen oder nicht.

Es gibt jedoch qualitative Ausnahmen

Natürlich muss man bei allem Durchschnitt die Titel loben, die es geschafft haben, qualitativ zu überzeugen. Dragon Ball Z Kakarot ist trotz erneuter Z-Verwurstung ein sehr gelungenes Open-World-Action-Adventure mit Singleplayer-Fokus. Auch die Naruto-Reihe bietet mit Naruto Shippuden: Ultimate Ninja Storm 4 trotz ihres Alters und ihres Brawler-Status eine gelungene Mischung aus dynamischen Kämpfen und genügend Inhalten, um einen Platz auf der positiven Seite zu finden.

Es ist teilweise schlimm anzusehen, wie gute Lizenzen nur halbgare Spiele bekommen. Meist erkennt man schnell, dass die jeweiligen Entwicklerteams eine Idee für ihr Spiel hatten, die auch meistens umgesetzt wurde. Trotzdem scheitern viele an grundlegenden Mechanismen wie einer stabilen Framerate oder einem guten Umfang. Und so landen viele Anime-Spiele, die auf Manga oder Anime basieren, oft auf dem bekannten Grabbeltisch im hiesigen Elektromarkt und verschwinden aus dem Gedächtnis der Fans, wenn die Fans sich den Titel überhaupt zugelegt haben.

Hervé Hoerdt, der Senior Vice President im Bereich Digital & Marketing bei Bandai Namco, hat 2018 verkündet, dass 50% der kommenden Spiele aus neuen IPs bestehen sollen. Das bedeutet, dass neben neuen Spielen auch bekannte Franchises mit neuen Videospielen unterstützt werden sollen. Bei der jetzigen Qualität vieler solcher Spiele steht allerdings die Frage im Raum, ob das nicht als Drohung gewertet werden kann.

Frage an die Leser!

Wie steht ihr zu Anime-Spielen, die auf bestehenden Marken basieren? Feiert ihr diese? Kauft ihr die Spiele zum Vollpreis oder wartet ihr auf Angebote? Was ist euch bei einem solchen Spiel wichtig? Schreibt es gerne in die Kommentare!

 

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