Im vierten Teil der Serie „Die Produktion eines Anime“ beschäftigen wir uns mit dem eigentlichen Ziel hinter Anime-Produktionen. Denn nicht immer ist das Ziel eine vollständige Adaption.
Das Ziel eines Anime besteht prinzipiell darin, das zugrundeliegende Originalwerk (Manga, Light Novel, Videospiel, Roman) zu fördern und bekannter zu machen sowie den Verkauf anzukurbeln.
Der Effekt ist je nach Erfolg unterschiedlich
Doch wie groß ist denn nun der Effekt für das Originalwerk wenn ein Anime produziert wird?
Hierzu möchte ich nun das „Wunder“ Attack on Titan oder Shingeki no Kyojin genauer beleuchten. Der Manga startete im Jahr 2009 und wies damals eine noch kleine Fanbase auf – der Manga war 2009 noch nicht einmal unter den Top 20 der meistverkauften Manga zu finden. Im Jahr 2010 wurde die Fanbase jedoch immer größer, jedoch reichte es auch hier nicht aus, um in die Liste der Top 20 zu kommen. Im Jahr 2011 wurde schließlich mit einem 11. Platz (Verkaufszahlen von 3,8 Millionen verkauften Bänden) ein erster großer Erfolg erzielt. Nach und nach erlangte der Manga immer mehr Bekanntheit.
Im Jahr 2012 erkannte Kodansha Inc., ein Verlag, der Manga vertreibt, dass der Manga Shingeki no Kyojin langsam aber sicher Sphären erreichte, welche eine Adaption unumgänglich machten, da die Verkaufszahlen zwar solide, aber rückgängig waren. Aus finanziellen Gründen wurde ein Produktionskomitee gegründet und am 08.12.2012 erschien das erste PV (Promotional Video) für den Anime „Shingeki no Kyojin“. Was danach passierte, sollte jedem Animefan bekannt sein.
Dieses Prozedere lässt sich prinzipiell auf jeden Anime ausweiten, der einen Manga oder eine Light Novel adaptiert. Gehen die Verkaufszahlen zurück, steigen die Chancen auf einen Anime. Aber es gehören auch weitere Faktoren dazu, wie zum Beispiel:
- Besteht die Möglichkeit, ein Franchise aus dem Manga oder Anime zu bilden?
- Ist es möglich, Figuren, Poster und Cosplay-Artikel zu verkaufen?
- Ist der Autor damit einverstanden, dass ein Anime produziert wird?
- Gibt es eine großflächige Zielgruppe, die den Manga oder die Light Novel kaufen wird?
- Kann der Anime international bekannt werden?
- Ist die Reihe bald beendet oder läuft sie noch?
Nicht jeder Anime bekommt eine Fortsetzung
Gerade der letzte Punkt ist sehr oft ausschlaggebend für einen Anime: eine bald abgeschlossene Reihe zu animieren, lohnt sich schlichtweg nicht, da die Fans wahrscheinlich bereits alle Manga besitzen oder der Hype, welcher die Reihe eventuell hervorgebracht hat, bereits abgeklungen ist. Ein großer Nachteil bei der Adaption eines abgeschlossenen Werks ist auch die Tatsache der Erwartungshaltung: Wenn ein Werk abgeschlossen wurde, erwarten die Fans auch eine 1:1 Nacherzählung, was bei vielen Serien aufgrund der festgelegten Folgenanzahl je Season bei 12/24 oder 13/26-Folgen bleibt und eingehalten werden muss. Die Adaption eines laufenden Werks erlaubt dem Animestudio, flexibler mit dem vorhandenen Material umzugehen – hier ein Kapitel überspringen, da etwas von der Handlung variieren – da das Originalwerk noch läuft, wird darauf spekuliert, dass, wenn der Anime beliebt ist, sich die Fans den Manga oder die Light Novel kaufen.
Denn wie wir bereits aus dem Beitrag über das Produktionskomitee wissen, machen die Firmen eine Anime-Adaption nicht aus Fanliebe – es geht schlichtweg um Geld.
Das Musterbeispiel Attack on Titan
Attack on Titan erhielt aufgrund rückläufiger Mangaverkäufe im Jahr 2013 eine Anime-Adaption und die Serie schlug ein wie eine Bombe – sowohl national als auch international. Und wie sieht es mit dem Manga aus? Schauen wir uns die Zahlen an:
Ich würde meinen Hintern darauf verwetten, dass selbst Kodansha von diesem Erfolg überrascht war – schließlich konnte man fast den Dauerbrenner One Piece vom Thron stoßen. Auch der Anime selbst war für das Animestudio ein voller Erfolg. Hier kommen wir jedoch zu einem Punkt, der bei deutschen Anime-Fans immer ein Thema ist: die zweite Staffel.
In Japan lief bei Attack on Titan alles wunderbar, die Lizenz konnte teuer ins Ausland verkauft werden und die Verkäufe des Merchandise sind wahrscheinlich ebenfalls explodiert – alles erreicht oder übertroffen, was auch nur möglich war. Der Zweck, weshalb ein Anime produziert wird, wurde somit mehr als erfüllt. Im Komitee wurden wahrscheinlich vertraglich nur 26 Episoden festgelegt, weshalb das Komitee für alles weitere erneut zusammensitzen musste. Dies geschah jedoch erst wieder im Jahr 2016, nachdem die Verkäufe des Mangas wieder rückläufig wurden. Während 2013 noch der zweite Platz behauptet wurde, sah es in den Folgejahren wie folgt aus:
- 2014: Platz 2, 11. Millionen verkaufte Bände
- 2015: Platz 3, 8. Millionen verkaufte Bände
- 2016: Platz 4, 6.5 Millionen verkaufte Bände
- 2017: Platz 4, 6.5 Millionen verkaufte Bände (erste Jahreshälfte)
Wer mag – hier gibt es die genauen Zahlen.
Man erkannte die erneut sinkenden Verkaufszahlen und beschloss 2016, eine 12-teilige Staffel zu produzieren – mit mäßigem Erfolg. Zwar konnte die Talfahrt gestoppt werden, jedoch konnte der Erfolg nicht gesteigert werden. Und hier kommen auch Kinofilme ins Spiel: Ist ein Manga oder eine Light Novel bereits älter und hat bereits eine Adaption erhalten (wie No Game No Life), wird mit vergleichsweise günstigen Kinofilmen geprüft, ob das Franchise oder die jeweilige Marke noch beliebt ist unter den japanischen Fans. So kann zwar noch etwas Geld eingenommen werden, aber floppt ein Film, wird das jeweilige Kapitel „zweite Staffel“ als beendet erklärt und es wird nie mehr etwas produziert.
Im Falle von Attack on Titan schaut Kodansha genau darauf, wie die dritte Staffel im Jahr 2018 ankommen wird.
4 Antworten
Ich finde es sehr gut, dass du auf das Thema mit den zweiten Staffel eingegangen bist, da ich wahrscheinlich nicht der einzige war, der sich gefragt hat, warum es so viele Jahre gedauert hat, bis der Megahit Attack on Titan eine zweite Staffel bekam. Also sehr lehrreich in den Aspekt.
Ich persönlich ziehe aber Anime Originals dem Haufen an Adaptionen vor. Da es hier natürlich eine starke Vision eines Teams und einen sehr willigen Sponsor braucht, ist die Anzahl leider gering. Aber zum Glück gibt es Studios wie 3Hz, die es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht haben Originals zu pushen.
Wollte dich noch auf einen Fehler hinweisen. Beim Part über die Preview von Attack on Titan hast du versehentlich 2016 statt 2012 geschrieben.
(interessant das mir das WordPress nicht als Nachricht gezeigt hast das du mir was kommentiert hast…aber gut, die haben noch nicht die Zeitumstellung gemacht…^^)
Ich sage mal so: das sind die mitunter offensichtlichsten Gründe weshalb es so lange gedauert hat. Klar, kann es auch mit vertraglichen Aspekten zu tun haben oder gar anderweitige Dinge (WIT Studio war ja danach ausgebucht wie nochmal was).
Mittlerweile find ich Originals auch interessanter, aber da sind die Qualitätsunterschiede noch deutlich zu erkennen. Wenn Titel wie Houseki no Kuni (absolute Empfehlung meinerseits! Unbedingt anschauen – Blogeintrag darüber kommt auch noch) herauskommen, bin ich zwar auch zufrieden…aber naja.
Ist korrigiert, danke!
Houseki no Kuni ist den Blick auf jeden Fall wert. Der Anime gibt mir wieder die Hoffnung, dass CG Anime endlich in die richtige Richtung geht. Vom Weltendesign und der Arbeit mit den Hintergründen ist der Anime auf jeden Fall unglaublich.