Pokémon Legenden: Arceus Review: Die langersehnte Weiterentwicklung?

Der Aufschrei war groß, als der erste Teaser zu iPokémon Legenden: Arceus während der Pokémon Direct 2021 gezeigt wurde. Nun ist es am 27.01.2022 erschienen und die Fachpresse hatte sehr viel Lob übrig. Arceus wird als eine notwendige und wichtige Weiterentwicklung der Pokémonreihe angesehen. Doch stimmt das? Das möchte ich in dieser Review klären!

Das Pokémon-Franchise

Über Pokémon muss man eigentlich kaum ein Wort verlieren: Jeder kennt es, viele lieben und ebenso viele hassen diese Reihe. Game Freak hat gemeinsam mit der Nintendo Company ein Massenphänomen sondergleichen erschaffen. Was mit den Pokémon-Grünen, Roten und Blauen Editionen 1996 in Japan und 1999 (ohne die Grüne Edition) in Europa auf dem Game Boy begann und mit Pokémon Legenden: Arceus seinen aktuellen Höhepunkt erlebt, ist der Traum vieler Manager. Und nicht nur das: Pokémon konnte viele Kinder begeistern. Die Taschenmonster (Pokémon steht für Pocket Monster) haben sämtliche Heranwachsende in ihren Bann gezogen. Egal, ob Videospiel, TV-Serie (seit 1999) oder im Kartenformat als TCG, selbst als Erwachsener konnte man dem Hype nicht entkommen. Es ging so weit, dass Pokémon-Karten auf dem Schulhof verboten waren, man mit Suchtpotenzial rechnete und vieles mehr. Auch 26 Jahre später sind viele der Kinder von damals, obwohl nun im Erwachsenenalter, noch Pokémonfans. Eine stetige Weiterentwicklung der Hauptreihe mit immer neuen Pokémon-Arten und „Generationen“, erfolgreiche Mobilableger (wie Pokémon GO), durchgehende Merchandise-Präsenz oder einfache Neuveröffentlichungen alter Titel halten die Reihe frisch und schaffen neue Fans jeglichen Alters.

Viele Fans wurden immer skeptischer

Seit der Veröffentlichung von Pokémon X und Y auf dem Nintendo 3DS im Jahr 2013 ist die Fangemeinde jedoch trotz Vorfreude auf neue Ableger immer zwiegespaltener. Durch Gadgets wie den dauerhaft aktiven EP-Teiler wurde das Spielerlebnis für viele neue Spieler erleichtert, für Alteingesessene jedoch zu leicht. Klar, das Spielsystem hat sich in der Hauptreihe nie sonderlich verändert; es kamen lediglich neue Kniffe und weitere Gadgets hinzu. Das süchtig machende Grundprinzip, immer neue Pokémon zu fangen, diese zu trainieren und in rundenbasierten Kämpfen gegen menschliche oder NPC-Trainer antreten zu lassen, blieb unangetastet und hat immer funktioniert. Mit Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle, den Neuauflagen von Diamant und Perle aus dem Jahr 2006, ist für viele Fans allerdings das Fass übergelaufen. Auch wenn die Spiele nicht von Game Freak direkt, sondern von iLCA entwickelt wurden, kamen die Änderungen hinsichtlich der Optik sowie der generell leichte Schwierigkeitsgrad semigut an.

Immer noch ein Spiel für die jüngere Generation

Zwar vergessen viele ältere Fans gerne, dass Pokémon vorrangig für Kinder entwickelt wurde. Man kann diesen kritischen Stimmen jedoch dahingehend zustimmen, dass Game Freak und Nintendo vergessen haben, dass auch ältere Semester ihre Spiele lieben.

Nun ist Pokémon Legenden: Arceus für die Nintendo Switch erschienen. Das Spiel wurde direkt von Game Freak entwickelt und stellt in vielen Bereichen ein Novum dar. Es gibt nur eine Version des Spiels (und nicht wie so oft zwei) und es bedient außerdem ein komplett neues Genre. Schon vorab gab es viel Wirbel um die angeblich schlechte Optik. Was erwartet einen nun?

Ich werde versuchen, diesen Text möglichst spoilerfrei zu halten hinsichtlich Story oder Gameplay-Mechaniken. Trotzdem muss ich letzteres ausgiebig besprechen. Daher gilt: Spoilerwarnung! Außerdem werde ich im kommenden Abschnitt näher auf den Story-Anfang eingehen.

Klappentext von Pokémon Legenden: Arceus

Ein Abenteuer aus der Vergangenheit der Sinnoh-Region

Fange, beobachte und erforsche wilde Pokémon, um den ersten vollständigen Pokédex der Sinnoh-Region zu erstellen – in Pokémon-Legenden: Arceus, das für Nintendo Switch erscheint. Pokémon-Legenden: Arceus bleibt dem grundlegenden Gameplay vorheriger Pokémon-Spiele treu und erweitert es um neue Action- und Rollenspielelemente.

Du reist in die Sinnoh-Region, dem Schauplatz von Pokémon Diamant und Pokémon Perl – doch diese Geschichte spielt in einer Zeit lange bevor es Pokémon-Trainer oder eine Pokémon-Liga gab. Du bist umgeben von wilden Pokémon, die in unwirtlichen Gebieten leben. Hier entdeckst du Sinnoh von einer Seite, die du in Pokémon Diamant und Pokémon Perl nicht gesehen hast.

Um Pokémon in Pokémon-Legenden: Arceus zu fangen, wirst du zunächst ihr Verhalten studieren. Dann schleichst du dich an sie heran und wirfst deinen Pokéball! Dein Pokémon-Begleiter kann dich beim Fangen unterstützten, indem es gegen wilde Pokémon kämpft. Wirf einfach den Pokéball, in dem sich dein Pokémon-Begleiter befindet, auf ein wildes Pokémon, um nahtlos in den Kampf zu wechseln. Wähle die Attacken aus, die dein Pokémon beherrscht, um ihm Befehle zu erteilen. Offizielle Story von Amazon

Pokémon Legenden: Arceus beginnt schleppend

Obwohl es bereits in der ersten Zwischensequenz eine große Story-Überraschung gibt, kann man zu Beginn des Spiels noch klassisch seinen Charakter auswählen, indem man das Geschlecht sowie die typischen Haut- und Haarfarben bestimmt. Auch der Name darf natürlich beliebig gewählt werden. Sobald man wortwörtlich in der Sinnoh-Welt gelandet ist, beginnt zugleich einer meiner wenigen Kritikpunkte: Das Tutorial erstreckt sich über knapp eine Spielstunde. Zwar ist es gerade in diesem Ableger essentiell, es zu spielen, da sich doch vieles verändert hat. Andererseits handelt es sich um einen von Zwischensequenz zu Zwischensequenz Lauf, mit allerlei Erklärungen, Tafeln und Ähnlichem. Andere Pokémonteile hatten dieses Problem nicht. Trotzdem hätte man es eleganter lösen können.

Schon während des Tutorials merkt man, dass Legenden: Arceus anders ist als die gewohnten Pokémon-Spiele, denn das Spiel versteht sich als Prequel zu Diamant und Perle. Spielt man also nicht in der aktuellen Zeitepoche, befindet man sich in Legenden: Arceus in einer Epoche, die an die japanische Edo-Zeit angelehnt ist. Schon früh sieht man aber Elemente der (historisch späteren) Taisho-Ära und vieles mehr. Nichtsdestotrotz erlebt man den sprichwörtlichen Anfang. Jubelstadt aus Diamant/Perle ist noch Jubeldorf, es existieren praktisch keine Straßen und Pokémon sind noch die fremden Kreaturen, die Menschen angreifen. Pokémon-Trainer, wie wir sie in der Neuzeit kennen? Praktisch Fehlanzeige. Pokébälle werden noch von Hand bemalt!

Unbelievable! Aller Anfang ist schwer

Um das zu ändern, wurde ein Expeditions-/Forschungsteam um Professor Laven, Leiter Denboku und weitere Personen gegründet und auf den Kontinent geschickt. Schon früh trifft man auf Professor Laven, der einem das gemeinsame Ziel einprägt: Das Erschaffen des allerersten Pokédex. Während dies die Hauptaufgabe ist, gerät man in einen Konflikt zwischen dem Diamant- und dem Perle-Clan. Beide Clans, um deren Anführer Diam und Perla, haben unterschiedliche Ansichten über das Verehren der Sinnoh-Gottheiten. Und so bereist man nach kurzer Zeit die erste große Karte von Legenden: Arceus, mit dem Ziel, Pokémon zu fangen und zu studieren.

Das Studieren ist dabei das Stichwort, denn im Gegensatz zu den „modernen“ Teilen beschränkt es sich nicht nur auf ein Pokémon. Um den Pokédex-Eintrag zu vervollständigen, müssen mehrere Aufgaben erfüllt werden. Schafft man dies, steigt das Forschungslevel des jeweiligen Pokémon und bei Level 10 ist es vollständig erforscht.

(K)ein klassisches Pokémon-Spiel

„Also bewege ich mich durch’s hohe Gras und suche Pokémon, richtig?“ Nicht ganz! Denn Game Freak hat sich einiges von Capcom’s Monster Hunter abgeschaut. Während die Kämpfe noch klassisch rundenbasiert sind, bewegt man sich in den eingeteilten Arealen frei herum. Die Pokémon laufen ebenfalls frei herum.

„Also kann man frei Schnauze alles einfangen, voll einfach!“ Absolut nicht! Jedes frei umherlaufende Pokémon lässt sich in drei Gemütszustände einteilen: scheu, angriffslustig oder „Mir ist alles egal“. Während erstere bei Begegnung mit dem Spieler davonlaufen, sind angriffslustige dementsprechend, was man von Zufallskämpfen kennt. Sie wollen angreifen. Die „Mir ist alles egal“-Pokémon schließlich streifen in der Wildnis umher und lassen alles mit sich machen.

Neben den drei Verhaltensmustern gibt es zwei Möglichkeiten, das Pokémon zu fangen: Entweder man kämpft direkt gegen das Pokémon oder man schleicht gebückt durchs hohe Gras und fängt das Pokémon aus dem Hinterhalt. Dazu gibt es allerlei Hilfsmittel wie Beeren und vieles mehr.

That’s it! Unzählige Neuerungen und wenige Altlasten

Zum ersten Mal gibt es in einem Pokémon-Spiel sowohl Haupt- als auch Nebenmissionen. Während die Hauptmissionen die spannende Handlung vorantreiben, geht es bei den Nebenmissionen hauptsächlich darum, die über 250 Pokémon zu fangen und zu trainieren. Wenn man in den großen Arealen ein bestimmtes Pokémon fängt und dann in die Hauptbasis Jubeldorf zurückkehrt und dies dem Professor meldet, erscheint oft eine Nebenmission bei einem der Einwohner. In der Regel dreht sich diese um das gefangene Pokémon. Anschließend muss man eine bestimmte Aufgabe erfüllen, zum Beispiel dem Besitzer ein Pokémon mit einem bestimmten Gewicht, Größe oder Geschlecht bringen. Oft wollen sie auch mehr über das gefangene Pokémon erfahren und man muss es dann auf Stufe 10 (von 10) trainieren.

Die Mühe soll dabei nicht umsonst sein, denn neben den Erfahrungspunkten, die man beim Kämpfen oder Fangen von Pokémon erhält, bekommt der Spieler auch eine Belohnung, wie zum Beispiel Crafting-Gegenstände oder Pokébälle.

Ja, ihr habt richtig gelesen: Pokémon Legenden: Arceus führt ein Crafting-System ein. Nicht nur ist es mit Blick auf die Spielwelt logisch, sondern es wirkt auch keineswegs aufgesetzt.

Inventar-Management ist wichtig

Es kommt oft vor, dass man auf der Suche nach neuen Pokémon allerlei Gräser, Steine und Gegenstände einsammelt und weiterverarbeitet. Generell verbringt man eine gewisse Zeit mit dem Verwalten des Inventars, da der Platz begrenzt ist und man ihn nur gegen Geld erweitern kann. Es gibt zwar einen Händler, aber sein Angebot ist zunächst rudimentär und wird erst mit fortschreitender Spielzeit umfangreicher. Hier kann das bekannte Crafting am Handwerkstisch Abhilfe schaffen. Um zum Beispiel Pokébälle herzustellen, benötigt man eine Aprikoko und einen Glanzstein. Für einen Superball benötigt man dann bereits Eisen, eine Aprikoko und einen Glanzstein. Das Gleiche gilt in ähnlicher Form auch für Heiltränke, EP-Booster und andere Items, die durchaus überlebenswichtig sind.

Denn Pokémon können, bedingt durch das frühe Entdecken, keine Items oder Beeren bei sich tragen. Heilung ist nur während Kämpfen separat möglich oder nach dem Kampf. Ein Pokécenter gibt es selbstverständlich nicht, aber die KP und AP werden an einem der beiden Basislager aufgeladen, von denen es pro Karte zwei gibt.

Endlich eine Herausforderung!

Nie zuvor waren Items in einem Pokémon-Spiel so wichtig. Während vergangene Spiele bei vielen Spielern als zu leicht empfunden wurden, ist Pokémon Legenden: Arceus durchaus knackig. Zwar sind die Pokémon auf verschiedene Gebiete aufgeteilt, wodurch man in etwa abschätzen kann, auf welchem Level sie sind. Trotzdem heißt das nicht, dass man einfach durch die Pokémon durchfegen kann. Die sogenannten Eliten-Pokémon, die im Verhältnis zu den normalen riesig sind, haben einen Levelunterschied von bis zu 30. Doch damit nicht genug: Eine weitere Neuerung sind Angriffstypen. Hat ein Pokémon eine Attacke „gemeistert“, kann der Spieler zwischen einem Kraft- und einem Tempomodus wählen. Ersterer ist stärker, dafür muss man länger warten, bis man wieder angreifen kann, während der Tempomodus es ermöglicht, schneller aber schwächer anzugreifen.

Auch wilde Pokémon besitzen diese Typen und setzen sie durchaus ein. Selbst wenn sie es nicht schaffen zu gewinnen, machen sie einen regulären Kampf trotzdem erfrischend „schwer“. Gegnerische Pokémon machen auch dann genügend Schaden, wenn sie 10 bis 15 Level unter dem eigenen liegen. Man ist oft regelrecht gezwungen, andere Pokémon auszuwählen.

Insgesamt bietet das Spiel somit eine deutlich höhere Schwierigkeit als seine Vorgänger. Mit den neuen Herausforderungen und dem Crafting-System ist Pokémon Legenden: Arceus ein hervorragendes Spiel für alle, die eine spannende und herausfordernde Pokémon-Erfahrung suchen.

Es gibt immer eine zweite Chance

Und was passiert, wenn alle sechs Pokémon besiegt sind und es zum Game Over kommt? Man ist nicht KO, sondern hat die Möglichkeit zu flüchten. Klingt das immer noch nach einem einfachen Spiel? Mitnichten! Denn ähnlich wie in einem Action-Adventure kann die Spielfigur Schaden nehmen und die Pokémon-Attacken können auch Menschen verletzen! So kann es vorkommen, dass man ein wildes Pokémon unbeabsichtigt anlockt, es seine Attacke einsetzt und man überrascht wird. Es ist nun auch möglich, sich während der Kämpfe frei zu bewegen. Wenn man also wieder einmal eines der Elite-Pokémon herausfordert und feststellt, dass man Level-technisch weit unterlegen ist, kann man bereits die Flucht antreten und aus dem Sichtfeld verschwinden, bevor man im eigentlichen Kampf auf „Flüchten“ klickt.

Man könnte über Pokémon Legenden: Arceus ewig weiterschreiben, was es alles Neues gibt. Es gibt Mini-Spiele, NPCs haben alle Namen, der Aufbau des Pokédex, Pokémon entwickeln sich nicht mehr automatisch, die wachsende Stadt Jubeldorf und vieles mehr. Habe ich schon erwähnt, dass man wie in einem Dark Souls-Spiel den Pokémon-Attacken ausweichen kann (und sollte)? Ihr merkt: Es handelt sich bei diesem Spiel um eine komplett neue Pokémon-Erfahrung, die erfrischend ist und nach jahrelanger Stagnation einfach nötig war.

No way! Negative Aspekte sind dennoch vorhanden

Ist wirklich alles easy in Hisui? Leider nein. So fortschrittlich das Spiel auch sein mag, gibt es dennoch einige Kritikpunkte, die den Spielspaß mindern könnten. Da wäre natürlich der Aufreger schlechthin: Seit den ersten Bildern zum Spiel gibt es endlose Debatten, Diskussionen und Memes zur Optik. „Das ist ein GameCube-Spiel!“ heißt es hier. „Selbst Spiel XY auf der Nintendo Switch sieht besser aus“ heißt es da.

Und ja, man muss auch als Fan des Spiels zugeben: Die Optik ist wirklich nicht berauschend. Hier sollte man wirklich kein optisches Highlight erwarten, wie etwa Shin Megami Tensei V, das teilweise bietet. Einiges ist natürlich der Hardware-Basis der Nintendo Switch geschuldet (Stichwort Anti-Aliasing…). Und dann gibt es noch die Probleme der zu geringen Sichtweite, die mit Sicherheit implementiert wurde, um ein ruckelfreies Erlebnis zu schaffen. Diese reduzierte Sichtweite bringt aber weitere Probleme mit sich, die sich auf die Optik niederschlagen. Es werden nach etwa 10 Metern keine Bäume oder Gräser mehr angezeigt, und die Pokémon kann man zwar noch erkennen, aber gerade Flugpokémon sind nur noch in geringen Frames zu sehen. Geht man näher an diese Pocket Monster heran, bewegen sie sich wieder so flüssig wie eh und je, als wäre nichts gewesen. Die Welt von Hisui mag mit allerlei großartiger Detailliebe erschaffen worden sein, aber was bringt einem das, wenn die Texturen doch sehr matschig sind? Das Wasser zeigt zwar teilweise schöne Reflexionen, ist aber ansonsten nicht schön anzuschauen.

Auch die Beleuchtung lässt teilweise zu wünschen übrig. So sind Höhlen bis auf eine Ausnahme sehr hell, und die Schatten der NPCs sind teilweise sehr seltsam. In Verbindung mit dem seltsamen Wasser und der geringen Sichtweite entstehen dann jene Bilder, die man aus den Memes kennt.

30 FPS nicht immer gegeben

Ein weiterer Punkt ist die Performance. Das Spiel läuft mit 30 FPS auf der Nintendo Switch, und es gelingt durchaus, ein ruckelfreies Erlebnis zu liefern. Dann sind kleine Stotterer umso ärgerlicher. Gerade in Jubeldorf oder bei vielen Pokémon kann es vorkommen, dass das Spiel bei einer 360°-Drehung kurz schluckt.

Vielen Spielern ist die Optik wichtig, keine Frage. Gerade für ein Milliarden-Franchise wie Pokémon ist das Gebotene allerdings sehr dürftig. Aber wisst ihr was? Das Spiel macht trotzdem Spaß. Denn mit dem Gameloop hat Game Freak etwas geschaffen, was die Grafik sehr oft vergessen lässt. Kritisieren darf man sie dennoch deswegen, aber man muss es nicht so übertreiben, wie viele es machen – ohne das Spiel je gespielt zu haben.

Charaktere aus dem Copy/Paste-Workshop

Doch es gibt auch noch anderes zu kritisieren: Ja, die NPCs tragen alle Namen. Doof ist halt nur, dass es bis auf wenige Ausnahmen optisch keinerlei Unterschiede zwischen ihnen gibt. Und die Gesichtsanimationen? Auch hier kann man lobend erwähnen, dass immerhin angedeutet wird, dass sie sprechen. Aber das Ganze wirkt irgendwie unfreiwillig komisch. Ein optisches Highlight sind aber die Attacken sowie die Charakterdesigns von Take, dem Künstler hinter den Katanagatari-Light-Novels. Die Attacken fühlen sich allesamt wuchtig an und es ist immer eine Freude, den Pokémon dabei zuzusehen, wie sie diese einsetzen. Das kann auch nicht das Wettersystem mit seinem Regen, Nebel sowie Tag/Nacht-Modus trüben.

Incredible! Atmosphärischer, gelungener Soundtrack

Während man die Grafik also mit „ausreichend“ bewerten kann, überzeugt der Soundtrack auf ganzer Linie: So abwechslungsreich hat man Pokémon noch nie gehört. Es gibt praktisch zu jeder Situation ein anderes Lied. In der Nacht und bei Nebel wird etwas Mystisches abgespielt. Im Tag bzw. bei vollem Sonnenschein gibt es die „übliche“ Abenteuermusik mit voller Basslastigkeit.

Und auch die seit Generationen gleiche Pokémon-Musik, etwa bei einer Entwicklung oder im Kampf, wurde modernisiert und dem Genre angepasst. Gerade die Pokémon-Entwicklung ist nicht nur optisch ein Schmankerl, auch wurde bei der Musik das „wilde“ hervorragend umgesetzt.

Leider fehlt gerade in diesem Teil eine deutsche Sprachausgabe. Die Texte sind zwar allesamt gut geschrieben, aber eine Synchronstimme für die NPCs würde einiges mehr an Tiefe bringen.

Weitere Schönheitsfehler, die den Spielspaß trüben könnten

Weitere Schönheitsfehler trüben jedoch den Spielspaß und dazu gehören die Glitches und Bugs, auf die man im Laufe der etwa 25-stündigen Kampagne stoßen kann. Wer das Spiel vollständig durchspielen möchte, muss rund 80 Stunden einplanen. Es kam vor, dass sich zwei NPCs ineinander verkeilten, aber bei meinem Spieldurchlauf waren das die einzigen Fehler, die ich bemerkt habe. Andere Spieler berichten jedoch von weitaus schwerwiegenderen Problemen.

Ebenfalls ärgerlich ist die Steuerung: Da das Spiel sich komplett anders spielt als die Vorgänger, muss man sich an eine neue Knopfbelegung gewöhnen. Einige Aktionen sind jedoch so unnatürlich in der Bewegung, dass es einem häufig passiert, leere Pokébälle gegen Bäume zu werfen oder sich weg zu ducken, anstatt auszuweichen. Solche Momente können zwar auch amüsant sein, aber sie können dennoch frustrieren.

Das Spiel hat zwar einen umfangreichen Singleplayer-Modus, aber Multiplayer-Puristen kommen fast vollständig zu kurz. Es gibt keinen Player-vs-Player-Modus wie in den anderen Teilen. Man kann nur mit Menschen aus der Freundesliste Pokémon tauschen. Es macht zwar im Spiel Sinn, dass Trainerkämpfe nicht möglich sind, da alles noch wild und ungezähmt ist. Es sollte jedoch erwähnt werden, da sich mit Sicherheit einige Spieler auf Kämpfe gegen andere Spieler gefreut haben.

 

Really good! Die nötige Weiterentwicklung mit Luft nach Oben

Vielleicht habt ihr es schon anhand des Textes gemerkt: Game Freak hat mit Pokémon Legenden: Arceus vieles absolut richtig gemacht und eine Spaßgranate fallen gelassen. Der Gameloop mit seinen Sidequests zum Pokémonfangen, -leveln, -erforschen und -Stadt-ausbauen macht sehr viel richtig. Der Genrewechsel ist so konsequent, dass man Pokémon Legenden: Arceus nicht mit älteren Pokémon-Ablegern vergleichen sollte, sondern mit Monster Hunter Rise & Co.

Ja, das Spiel hat noch seine Ungereimtheiten, wie etwa den langsamen Beginn oder andere Schönheitsfehler, und die Grafik könnte besser sein. Ich sehe Pokémon Legenden: Arceus allerdings als einen mehr als gelungenen Prototypen, der die zukünftigen Pokémonteile maßgeblich prägen kann und hoffentlich wird. Pokémon in 3D zu sehen, wie sie Hyperstrahl und/oder andere Techniken verwenden, ist ein komplett anderes Erlebnis als sich das Spiel nur in 2,5D vorzustellen.

Wohin es nun als nächstes geht? Gute Frage! Es gibt bereits einige Theorien und Mutmaßungen. Auch kann man gespannt sein, ob die Spielidee, die mit Pokémon Legenden: Arceus eingeführt wurde, einmalig bleibt oder weiter fortgesetzt wird. Eines lässt sich aber sagen: Jeder, der Pokémon auch nur ein bisschen mag, sollte dieses Spiel (an)spielen. Es macht zu viel gut, als es nur wegen der biederen Optik links liegen zu lassen.

Pro
Contra
Spielspaß
Pokémon Legenden: Arceus (Nintendo Switch) 87%
Gelungene Neuinterpretation der bekannten Pokémon-Formel. Trotz schwacher Optik ein unheimlich motivierendes Jagen zum ersten kompletten Pokédex der Sinnoh-Region. Lediglich die wenigen Glitches und Bugs stören gemeinsam mit der hakeligen Steuerung den Spielspaß.

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