Blick hinter die Kulissen der Anime-Produktion 2/2

Teil drei meiner Reihe: „Die Produktion eines Anime„. Heute geht es um den zweiten Teil des Blicks hinter die Kulissen!

Animation Production (Animation Seisaku, アニメ制作進行くろ)

Nun geht es um das Team, das für die Animation des Projekts zuständig ist. Um Verwirrungen zu vermeiden: Der Sponsor wird speziell nach dem Opening genannt – bei Chūnibyō Demo Koi ga Shitai! war es Ponycanyon, während das Animationsstudio selbst Kyoto Animation ist und unter Animation Production gelistet wird. Unter diesem Punkt gibt es noch vier weitere Unterpunkte, die oft im selben Atemzug genannt werden:

  • Production (Seisaku, 製作)
  • Production Manager(Seisakubuchou, 製作部長)
  • Production Controller (Seisakudesuku, 製作デスク)
  • Production Assistant (Seisakushinkou, 制作進行くろみち)

Die seisaku-Abteilung kümmert sich um das Projekt während des Entstehungsprozesses. Die Mitarbeiter überwachen und kontrollieren jeden Aspekt des Projekts, von jedem Papier und Pixel bis hin zu jedem Skriptbuch, das vom Director verloren wurde. Jede Sekunde, die durch eine (Schlaf-)Pause verloren geht, wird anderweitig wieder eingeholt. In diesem Bereich zu arbeiten erfordert viel Geduld – das Telefon klingelt unaufhaltsam, es herrscht durchgehender Stress und Druck seitens der Chefs. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Arbeitstag 14 Stunden oder länger dauert. Am Ende eines Projekts feiert die Mannschaft zwar gemeinsam, aber die seisaku-Abteilung muss sich bereits um das nächste Projekt kümmern.

Art Director (Bijutsukantoku,美術監督)

Der „Bijutsukantoku“ ist verantwortlich für die Gestaltung der Umgebung im Anime und erstellt sogenannte Imageboards. Dabei handelt es sich um Illustrationen von den wichtigsten Orten und Gegenden im Skript, welche das generelle Setting und die Farbpalette definieren. Zum Beispiel war Tadashi Kudou der Art Director bei White Fox für Katanagatari und nutzte die Illustrationen von Take als Vorlage. Der Art Director erstellt auf Basis des settei (ähnlich wie bei den Charakteren) die Hintergründe, die von den restlichen Hintergrundkünstlern und Schlüsselbildanimatoren umgesetzt werden müssen. Um Art Director zu werden, muss man gut in Terminplanung sein, da das Produktionsteam oft Zeitdruck hat. Auch Trinkfestigkeit ist eine humorvolle Anforderung.

Color Coordination (Iroshitei, 色指定)

Die Farbkoordination ist für die Farbgestaltung der Bilder verantwortlich und erstellt ein Farbmodellpaket namens iroshitei hyou, das im Studio als Referenz genutzt wird, um die Szenerie zu gestalten. Für den Job in der Farbkoordination benötigt man nicht nur einen guten Farbsinn, sondern auch ein gutes Gedächtnis. Der leitende Iroshitei muss die gesamte Szenerie sowie Farbpalette jedes Zentimeters kennen und auf Abruf nennen können – jedoch nicht bei jedem Detail. Um flexibler zu sein, erstellt er ein Modell der Charaktere und Proportionen per PC, das die nachfolgenden Maler je Szene verwenden.

Früher gab es in Japan 327 sogenannte Taiyou Shikisai der Taiyo Paint Company, welche Celluloid-basierte Farbpaletten waren. So gab es dann in den Katalogen über 1.000 verschiedene Farben, wobei jede Farbe ein DIC (Dai Nippon Ink Company) besaß. Der DIC ist eine Reihenfolge von Buchstaben und Zahlen, die als Standard angesehen wurden (Beispiele wären GY-40 oder RP-99). Zwar wurden auch anderweitige Farbpaletten genutzt, diese waren jedoch meist teurer und von anderer (meist besserer) Qualität.

Cel Painting / Computer Coloring (shiage)

Die Shiage-Abteilung fügt den Inbetweens Farbe hinzu oder überträgt sie mithilfe eines Pantographen auf einen PC. Heutzutage wird dies per PC eingescannt. Früher, als auf Celluloid gezeichnet wurde, gab es eine Kündigungsrate von 90%, da die Arbeit nicht nur sehr monoton war, sondern auch schlecht bezahlt wurde, sodass viele Mitarbeiter am Ende des Jahres aufhörten. Die Digitalisierung hat vieles vereinfacht, sodass es heute nicht mehr ausreicht, „nur“ Inbetweens zu colorieren. Für diese Art von Aufgaben wird mittlerweile Outsourcing betrieben, d.h. sie werden in „ärmlicheren“ asiatischen Ländern wie China, Korea und den Philippinen erledigt.

Special Effects (Tokushukouka)

Diese Unterabteilung des Shiages ist zuständig für alle gängigen Special Effects wie Regen, Nebel, Rauch, Schnee und Wind sowie die Hintergrundbeleuchtung (Toukakou). Mit der Hintergrundbeleuchtung wird eine gewisse Tiefe erzeugt, wodurch sich die Effekte von der Szenerie abheben. Programme wie Adobe AfterEffects und Photoshop sind mittlerweile gängige Mittel.

Inbetween (Dougakensa) und Cel/Coloring Check (Shiagekensa)

Diese Mitglieder kontrollieren die Inbetweens und Cels. Sie werden auch Douken und Seruken genannt.

Camera Director (Satsuekantoku)

Hier werden alle Cels, Bilder, Hintergründe und andere Dinge Frame für Frame zusammengefügt, sodass alles betrachtet werden kann. Nach dem Zusammenschneiden wird die Helligkeit der Szenen angepasst, usw. Das Zusammenschneiden kann selbst eine Woche dauern – für einen 80-minütigen Film. Aufgrund des Drucks der oberen Chefetage ist es üblich, dass die Mitarbeiter – je nach Auftrag – einen Nervenzusammenbruch oder Ähnliches erleiden, von Überarbeitung ganz zu schweigen.

Mitunter gehört diese Abteilung zu den wichtigsten bei der Animeproduktion überhaupt. Dadurch das weniger Cels verwendet werden wie z.B. bei amerikanischen Produktionen sorgen die Leute dafür, das die fehlende Bewegung (fps) durch mehr Kamerawinkel ausgeglichen wird.

Editing (Henshuu)

Dies ist im Wesentlichen dasselbe wie bei Live-Action-Serien und Filmen. Das (japanische) Wort hat nichts mit henshin (Transformation) oder hentai (Perversion) zu tun.

Music Producer (Ongaku Producer)

Hier kümmert man sich um die musikalische Untermalung, ähnlich wie bei LA-Musikproduzenten. Oft wird dieser Posten durch einen Mitarbeiter eines Sponsors besetzt, um Kosten zu senken. Der Producer entscheidet auch über die Synchronsprecher und hat Mitspracherecht.

Music Production (Ongaku Seisaku)

Dies ist die kleine Gruppe, die die Drecksarbeit bei der Musikproduktion erledigt. Sie sind für die Hintergrundmusik (BGM) zuständig.

Recording Production (Rokuon Seisaku)

Dieses Team kümmert sich um die allgemeine Musikproduktion. Sie spielen Musikclips/BGM zur passenden Szene ein und mischen sie ab.

Recording Studio (Rokuon Sutajio)

Um Kosten zu sparen, werden oft Synchronsprecher, Musikaufnahmen, Soundeffekte und Mischung am gleichen Ort durchgeführt.

Sound Effects (Kouka)

Die Person hinter diesem Bereich entscheidet, sammelt und bearbeitet die Soundeffekte. Sie wählen die Geräusche für Kampfszenen aus (z.B. Berserk 2016) und spielen sie dem Regisseur live vor oder zeigen sie ihm per Videodatei. Der Prozess, bei dem sich Synchronsprecher und Musik „vermischen“, wird als Dubbing bezeichnet.

Engineering (Chousei)

Dies sind die Leute hinter den Kulissen bei der Musikproduktion, die wissen, wie das mit dem Soundpult funktioniert.

After Recording (Afureko) & Pre-scoring (Puresuko)

Es gibt zwei Möglichkeiten, einen Titel zu synchronisieren: Die größten Projekte werden mit Afureko produziert, das heißt, die Anime-Produktion ist abgeschlossen, und die Synchronsprecher folgen den Zeilen während der Aufnahme. Der Nachteil bei dieser Methode ist, dass die Lippensynchronität nicht gewährleistet ist. Den Japanern scheint dieses Detail jedoch relativ egal zu sein.

Voice Actors (Seiyuu)

Jeder kennt sie, jeder liebt sie und manchmal auch nicht. Doch die Seiyuus werden oft erst gegen Ende der Produktion ausgewählt, es sei denn, eine Musikfirma hat bereits Geld in das Projekt investiert und somit die Wahl der Seiyuus beeinflusst.
Aufgrund der Tatsache, dass die Anime-Industrie in den letzten Jahren an Qualität verloren hat, aber durch Quantität glänzen kann, haben immer mehr unerfahrene Synchronsprecher an Bedeutung gewonnen. Sie mögen zwar beim Karaoke großartig sein, haben aber oft nicht die Qualität, um professionell bei Auditions zu bestehen, was zu vielen Takes und Überstunden führen kann. Die steigenden Kosten eines Synchronstudios (Miete!) möchte man hier gar nicht erwähnen.
Ein großer Grund für den Seiyuu-Boom war die Erkenntnis der Firmen/Komitees, dass sie mit bestimmten Kriterien (süße/hübsche Frauen) mehr Geld durch Merchandise, Live-Auftritte usw. verdienen können. Dadurch ist eine Idolisierung entstanden, die mittlerweile weit verbreitet ist. Bei Projektvorstellungen ist es üblich, die Seiyuus vorzuschicken und sie „ihre Arbeit machen zu lassen“, während das eigentliche Produktionsteam im Hintergrund bleibt, auch weil sie oft „schüchtern“ sind.

Und was ist mit dem Gehalt? Hierzu möchte ich einfach ein kleines Bild aus dem Anime „Shirobako“ (Empfehlung!) teilen. Obwohl nicht alle Berufe aufgelistet sind, gibt es einen guten Überblick darüber, wie das Gehalt ausgezahlt wird.

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5 Antworten

  1. Ich muss sagen, dass ich an dem Beitrag hier vor allem die kleinen Randinformationen wertschätze. Also sowas wie die Color Coordination vor der PC Zeit gemacht wurde. Ziemlich interessante Sachen.

    Das mit der Idolisierung ist wohl der Hauptgrund warum Synchronsprecher genauso bekannt, wenn nicht sogar bekannter sind als sogar die Regisseure. Ich meine, hast du schon mal einen Live Auftritt von Kana Hanazawa gesehen? Ich mag Kana Hanazawa zwar, aber es wäre schön zu sehen, wenn Synchronsprecher mehr nach ihrer Qualität als Synchronsprecher, anstatt ihrer Qualität als Idol ausgewählt werden würden.

    1. Vielen Dank! 🙂
      Generell wäre es mit SIcherheit auch eine Erwähnung wert wie wirklich „handgezeichnet“ alles damals war – also auch vor Ghibli.

      Ich muss ja sagen das ich eine absolute Niete bei japanischen Synchronsprecher bin. Klar, einige erkennt man einfach von der Stimme wieder – aber müsste ich Namen nennen würde ich komplett durchfallen.

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