Ein Überblick der deutschen Anime- und Mangapresse

Ich habe mir Gedanken über Internetseiten gemacht, die einen Fokus auf Anime, Manga und Gaming haben. Ein Überblick der deutschsprachigen Anime- und Mangapresse.

Vorneweg: Ich möchte kein böses Blut. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Bestandsaufnahme. Ich möchte keineswegs die Arbeit, die hinter den Seiten steckt, diskreditieren.

Social Media im Wandel

Die erste Aufgabe bestand für mich darin, herauszufinden, welche Seiten mit Themenbezug Anime, Manga und Gaming überhaupt noch aktiv sind. Denn wir erleben mit Social Media aktuell einen riesigen Wandel: weg von den „klassischen“ Plattformen wie Twitter, Facebook oder Instagram und hin zu Diensten wie TikTok. Dadurch haben „reguläre“ Medien, wie Newsseiten sie eben sind, teils massive Probleme. Egal, ob es sich dabei um Pressemitteilungen oder das Verbreiten von Nachrichten handelt, Newsseiten sind, da normalerweise Recherche betrieben wird, immer langsamer als andere Plattformen.

Hinzukommt die nötige Zeit und Pflege, die so eine Homepage erfordert: Viele haben das Schreiben als reines Hobby angefangen und wenn die Klickzahlen wegbleiben oder die verantwortlichen Personen merken, dass es ihnen keinen Spaß mehr macht, wird die Seite wieder geschlossen.

Ich konnte bei meiner Recherche insgesamt 14 Seiten ausfindig machen, welche inzwischen noch (semi-)aktiv Artikel veröffentlichen. Als Zeitraum beschränke ich mich auf Daten der letzten vier Jahre (Stand: 21.10.2023).

Nicht gezählt sind die Seiten großer Verlagshäuser und Newsseiten, welche mittels Google Übersetzer englisch- oder anderssprachige Texte 1:1 auf Deutsch übersetzen. Auch Seiten, die über Anime berichten, aber zum Beispiel „Gärtnern“ als Hauptthema haben, sind nicht inbegriffen. Fanseiten zu einzelnen Werken wurden ebenfalls nicht betrachtet.

Zu folgenden Ergebnis bin ich gekommen:

Kuchen-Diagramm, was die verschiedenen prozentualen Anteile von News/Interviews/Essays und Reviews von Anime/Mangaseiten zeigt.
Keine Überraschungen

Wenig überraschend ist ein großer Anteil der News-Sektion. In den letzten vier Jahren wurden bei den 14 von mir betrachteten Seiten fast 47.000 News-Beiträge veröffentlicht. Das entspricht einem Prozentsatz von knapp 93,6 %. „Knapp“ dahinter sind 2.361 Rezensionen, die 4,7 % ausmachen. Zudem wurden 286 (0,6 %) Interviews mit japanischen und deutschen Gesprächspartnern geführt. Hier merkt man vor allem die COVID-19-Zeit, denn ich kann mir durchaus vorstellen, dass, wenn die Messen und Conventions nicht ausgefallen wären, es mehr zu Gesprächen – und damit zu mehr Interviewbeiträgen – gekommen wäre.

Dagegen wurde der Bereich der Essays, oder besser gesagt der Beiträge, welche einen „aufklärenden“ oder ausführlichen Einblick in ein Thema X bieten, fast schon stiefmütterlich behandelt. Und dabei bin ich durchaus flexibel mit dieser Bezeichnung gewesen und habe etwa Messeberichte und dergleichen mitgezählt. Zusammengerechnet bin ich auf eine im Vergleich mickrige Zahl gekommen – 83 Stück, so wenig, dass der Wert mit einem Anteil von rund 0,2 % nicht einmal im Kuchendiagramm oben sichtbar ist. Gerade dieser Wert bestätigt meine Einschätzung, dass Newsseiten und Redaktionen neben News und Rezensionen vergessen haben, dass Anime und Manga – oder Japan generell – viel mehr Themen bieten.

Natürlich gibt es auch Themen, die gegebenenfalls in Videoform besser aufgehoben sind. Wieso aber wird dann nicht der Versuch gewagt? Ich habe zwei, drei Versuche mitbekommen, allerdings wurde das schnell verworfen und der Fokus weiter auf den alltäglichen Seiteninhalt gelegt, ohne dem Medium auch nur eine reelle Chance zu geben.

Gründe, weshalb kein Mehraufwand betrieben wird
  • Fehlendes Personal

„Bewirb dich bei uns“, „Bewirb dich!“, „Wir suchen dich!“.

Solche und ähnliche Beiträge sieht man praktisch auf jeder Anime- oder Mangaseite. Denn: So aktiv die Redakteure auch sind, es mangelt schlicht an weiteren Schreibenden, um auch andere Themen behandeln zu können, die etwas mehr Recherche benötigen. Nicht viele haben Lust, nach einer Arbeitswoche noch weitere Stunden Mehrarbeit zu investieren, für etwas, dass ihnen praktisch keinerlei Mehrwert und nur Stress bietet. Genau damit kommen wir zum zweiten Punkt:

  • Mit Fanprojekten lässt sich kein Geld verdienen

Fehlendes Personal in den Redaktionen kommt auch daher, dass fast keine Seite die Redakteure bezahlt beziehungsweise bezahlen kann. In jeder Ausschreibung wird (deswegen) vor allem mit drei Dingen geworben: kostenlose Rezensionsexemplare, freier Zugang zu Conventions und Messen sowie „Erfahrung sammeln“. Das ist alles, aber nicht lukrativ. Das hat zur Folge, dass Redakteure „praktisch für lau“ arbeiten und durch generierte Werbegewinne maximal der Server der Seite (halbwegs) kostendeckend betrieben werden kann.

  • Zu starker Fokus auf SEO und Klickzahlen

Berücksichtigt man die zwei zuvor ausgeführten Punkte und denkt, dass es dennoch möglich sei, aufwändige Artikel zu schreiben, liegt man hier natürlich nicht falsch. Allerdings wird trotz Fanstatus wohl zu stark auf die Klickzahlen geschaut. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass von zehn Redakteuren mit Sicherheit zwei auf eine ausführliche Aufarbeitung des Themas X Lust hätten, aber mit „Der Aufwand lohnt sich nicht für solche Klicks“ abgewürgt werden. Und natürlich handelt es sich dabei um einen validen Grund – für YouTuber wie für Einzelprojekte. Hat man aber schon ein mehrköpfiges Team, nennt sich „Redaktion“ und sucht aktiv „Redakteure“, gibt es neben den Grundpfeilern „neu“ und „wichtig“ auch das Segment „interessant“. Und da reicht es meiner Ansicht nach nicht, nur skurrile oder „kontroverse“ Meldungen zu veröffentlichen.

  • Fehlende Unterstützung von Publishern und Japan direkt

Viele Publisher und Verlage sind im Jahr 2023 schlicht nicht mehr von (fanbetriebenen) Newsseiten abhängig. Das hat zur Folge, dass alle ihr eigenes Süppchen kochen. Das bedeutet, dass man nur zögernd oder gar keine Hilfe für aufwändige Artikel erhält. Lass es nur ein Interview zu einem älteren Werk sein, egal ob Anime oder Manga: Auch Japan interessiert es (überwiegend) nur, wenn es sich dabei um Anfragen zu neuen Releases handelt – von deutscher Seite aus wird sowas zumeist schon vorab abgewürgt. Und dabei rede ich nicht einmal von Themen wie Verkaufszahlen, sondern von einfachen Fragen zu älteren Mitwirkungen.

Und hat man erst einmal sinnvolle Kontakte geknüpft, möchte man diese natürlich nicht verlieren. Dadurch verliert sich ein weiterer Punkt: Sachliche, sinnvolle Kritik zu äußern, ohne Verlust jener Kontakte.

  • Mangelndes Interesse der Fans, Fokus auf Konsum anstatt Wissenswertes

Und natürlich muss ich hier noch die Fanbase, für die die Artikel erstellt werden, ansprechen. Denn oft wirkt es so, dass aufwändig zusammengestellte Artikel und Videos schlichtweg keine Liebe, d. h. nicht die verdiente Aufmerksamkeit, bekommen. Natürlich ist es toll, wenn ein Publisher Titel X oder Y nach Deutschland bringt, schließlich stecken da oft lange Verhandlungen dahinter. Gleichwohl wird die Arbeit an größeren Essays oder ähnlichem meiner Meinung nach kaum gewürdigt. Es scheint eher so, dass man schlichtweg nur noch konsumieren möchte, mehr nicht. Das ist eine, wie ich finde, falsche Entwicklung des Ganzen.

Und wagt man dann, etwas zu kritisieren, wird einem mitunter vonseiten der Fans selbst ein Strich durch die Rechnung gemacht. „Sei doch froh, dass es überhaupt hier scheint“ oder „Du weißt doch nicht, wie es intern abläuft“ sind hier die gängigsten Totschlagargumente.

„Aber du machst doch genauso wenig!“

Allerdings steht auch fest: Ich sollte als gutes Beispiel vorangehen und mehr Themen ansprechen. Doch selbst wenn es „nur“ als Ausrede betrachtet wird: Ich besitze schlichtweg nicht die Manneskraft. Wenn aber Redaktionen teilweise über zehn Redakteure „angestellt“ haben, ist das ein komplett anderes Kräfteverhältnis. Zum Vergleich: Bei fünf der vierzehn Seiten, kam ich auf eine durchschnittliche Anzahl von zehn Schreibenden.

Ausländische Fangruppen sind weitaus aktiver und versierter

Für diesen Artikel habe ich mir außerdem persönliche Meinungen eingeholt. Einige der Aussagen decken sich mit meiner eigenen Erfahrung: Die englischsprachige Anime- und Manga-Presse ist, was die Variation angeht, um ein Vielfaches breiter aufgestellt. Egal, ob es sich dabei um Interviews zu älteren Titeln oder schlicht um reine Statistiken und Verkaufszahlen handelt, die englischsprachige Fangemeinde bietet quasi ein endloses Fass an Informationen und Themen, auf das die deutsche „Fachpresse“ nur neidisch schauen kann. Natürlich hinkt dieser Vergleich etwas, so ist man auf Englisch immerhin weitaus internationaler unterwegs und zudem weniger begrenzt – sowohl bei den Beiträgen als auch bei den (potenziellen) Redakteuren. Aber trotzdemfehlt es hierzulande an Varianz bei den Themen.

Was die Zukunft bringen wird

Klar, im Endeffekt ist es eine Mischung aus allen vier Punkten und es wird natürlich versucht, Variation zu bringen. Aber wo sind dann Artikel zu Kentaro Miura oder Kazuki Takahashi? Bis auf die Todesmeldung hat keines der 14 Angebote auch nur irgendetwas über den enormen Einfluss der beiden Mangaka geschrieben, obwohl es sich bei diesen Personen durchaus „gelohnt“ hätte. Nein, stattdessen gab es auf jeder Seite die Todesmeldung und mehr nicht. Und dass man dieses Potenzial anscheinend nicht gesehen hat, ist einfach nur schade. Es ist ermüdend zu sehen, wie viele Themen quasi unter den Teppich gekehrt werden. 

Neben der hiesigen Presse sehe ich aber auch Publisher in der Pflicht, mehr zu wagen; von sich aus auf die Content Creator und Portale abseits der “guten Kontakte” zu gehen und Vorschläge zu Themen zu machen und nicht nur stumpf Rezensionsexemplare umherzuschmeißen, weil das die Verkäufe ankurbelt. Das wäre allerdings, genauso wie die AniTube-Landschaft, ein eigenes Thema.

Das ist meine Ansicht auf das Thema. Wie sieht es bei euch aus?

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