Mit Wuthering Waves möchte Entwickler Kuro Games dem Gacha-Primus Genshin Impact Konkurrenz machen. Im Test zeigt sich, ob das Spiel eine eigene Identität aufbauen kann oder Wuthering Waves ein weiterer, erfolgloser Versuch bleibt.
Keine Frage – der chinesische Entwickler MiHoYo hat mit Genshin Impact eine absolute Gelddruckmaschine produziert. Der Free-to-Play-Titel erschien 2020 und begeistert Millionen von Spielern mit seinen wechselnden Events, regelmäßigen Story-Updates und vielem mehr. Kein Wunder, dass Genshin Impact im Mobile-Segment über 120 Millionen Dollar weltweit eingenommen hat – in einem Monat. Da wundert es nicht, dass viele Entwickler versuchen, ein Stück vom Kuchen zu bekommen. 2022 erschien etwa Tower of Fantasy, das zwar respektabel startete, aber mittlerweile komplett in Vergessenheit geraten ist. Wuthering Waves hat schon bei der Ankündigung 2022 hohe Wellen geschlagen, auch wenn viele eine dreiste Kopie erwarteten. Nun ist das Spiel erschienen – behielten die Skeptiker Recht?
Willkommen, wandernder Rover.
An den Ufern liegen die stillen Glutnester einer Welt während der Ebbe. Verwüstet vom Klagegesang, sind die einstigen Schöpfungen und irdischen Wesen starr zurückgeblieben. Doch sie schlagen zurück, stark genug, um die Stille zu durchbrechen. Die Menschheit ist aus den Aschen der Apokalypse wiedergeboren.
Und du, Rover, bist bereit für ein Abenteuer des Erwachens. Triff Gefährten, besiege Feinde, gewinne neue Kräfte, entdecke verborgene Wahrheiten, bestaune ungeahnte Schauspiele… Eine große Welt voller Möglichkeiten erwartet dich. Die Wahl liegt in deinen Händen. Sei die Antwort, sei der Anführer und folge den Klängen in eine neue Zukunft. Während die Wogenden Wellen endlos erklingen, begibt sich die Menschheit auf eine neue Reise. Erhebe dich und mache dich auf deine Odyssee, Rover. (Synopsis via Epic Games)
Wuthering Impact
Und schaut man sich die vielen Bilder oder Trailer an, kommt der Vorwurf eines Genshin-Klons nicht von ungefähr: Auch wenn beide Spiele auf verschiedene Engines aufbauen (Genshin Impact Unity, Wuthering Waves Unreal Engine 4), gibt es neben optischen Ähnlichkeiten auch ein fast identisches Interface. Auch der zweite Blick wirft die Frage auf, ob es ein dreister Klon ist: Euch erwartet hier das gleiche Spielerlebnis, das Genshin Impact salonfähig gemacht hat.
Ihr erkundet eine Open-World, erfüllt viele Nebenaufgaben und Tätigkeiten, levelt eure Charaktere und Waffen und erlebt eine Geschichte, die allerlei Zwischensequenzen mit sich bringt. Bosskämpfe? Zeichnen sich durch große Lebensbalken und mehrere Phasen aus. Allerdings sind es die vielen Details, die Wuthering Waves vom Gacha-Primus unterscheiden.
Das Free-to-play-Game hat natürlich auch ein ähnliches Monetarisierungsmodell, wie Genshin Impact. Es existiert ein Daily Pass, den man für einen Monat zahlt um täglich Ingame Währung zum Beschwören von Charakteren zu erhalten, diese müssen manuell abgeholt werden (ähnlich wie der Mondsegen).
Ein Battlepass existiert ebenfalls, wenn man für diesen bezahlt gibt es Extragoodies. Ebenso kann man auch direkt für die Ingame Wahrung zahlen.
Die kleinen, aber feinen Details machen den Unterschied
Das lässt sich vor allem an zwei Punkten erklären: das verfeinerte Kampfsystem mit eigenen Mechaniken und die sogenannten Echos.
Auf den ersten Blick wirkt das Kampfsystem wie das von Genshin Impact: Wie im Original steuert ihr in Wuthering Waves eine Truppe, im Gegensatz zu Genshin Impact eine Dreiergruppe keine Vierergruppe, die allerlei Fähigkeiten und Waffen besitzt. Ebenfalls eine Rolle spielen die Elemente der Figuren, die durch das Stein-Schere-Papier-Prinzip ermöglichen, massiven Schaden am Gegner anzurichten.
Greifen euch die menschlichen sowie mutierten Tiere/Monster an, sind hier die größten Unterschiede zum Genre-Primus zu finden: Drückt ihr im passenden Moment die Ausweichen-Taste, geht das Spiel in eine kurze Bullet-Time-ähnliche Phase über. Attackiert ihr in diesem Zeitfenster den Feind, wird die gegnerische Ausdauerleiste reduziert. Ist diese leer, bleibt der Gegner für einen Moment betäubt und man kann weiteren Schaden anrichten.
Dieser kleine Twist im Action-Gameplay von Wuthering Waves ist dabei so groß, dass sich die Kämpfe gerade im Vergleich zum großen Bruder viel taktischer und auch wuchtiger anfühlen. Wer das nicht möchte, kann wie in Genshin Impact aber weiterhin Button-Smashing mit dem Figurenwechsel betreiben.
Gotta Fight ‚Em All
Mit den Echos bringt Wuthering Waves außerdem eine weitere Würze in die Mob-Kämpfe. Denn es lohnt sich, jeden Gegner mehrmals anzugreifen und zu besiegen! Macht ihr das, gibt es eine Wahrscheinlichkeit, dass diese eine gelbliche Silhouette hinterlassen, die man absorbieren kann. Anschließend habt ihr die Möglichkeit, diese Feinde aktiv im Kampf einzusetzen. Am ehesten lässt sich das System wie in Pokémon Legenden: Arceus erklären, wobei ihr natürlich in Wuthering Waves mit Wahrscheinlichkeiten zu kämpfen habt; nicht jeder Feind hinterlässt sofort einen Echo. Diese Echoes kann haben verschiedene Stati, die eurem Charakter hinzuaddiert werden – folglich kann man die Echos am ehesten mit den Artefakten in Genshin Impact vergleichen.
Zwischen den Welten gefangen
Erzählerisch gibt es, wie für Gacha-Spiele üblich, viel zu sagen, aber ohne eine richtige Aussage zu treffen: Wuthering Waves dümpelt bei der Geschichte wie alle anderen asiatischen Free-to-Play-Titel vor sich hin, nur um dann irgendwann zu eskalieren. Gerade zu Beginn werdet ihr mit allerlei Fremdwörtern und Ingame-spezifischen Ausdrücken bombardiert. Das ist dann irgendwann so viel, dass man automatisch mit dem Kopf woanders ist. Hier wurde es versäumt, irgendwann mal einen Schlussstrich beim Worldbuilding zu machen. Das ist umso ärgerlicher, da die eigentliche Prämisse mit der Post-Apokalypse und dem Fantasy-Steampunk einen interessanten Ansatz bietet.
Im Übrigen sind die lokalisierten Texte dann auch nicht hilfreich. Es spielt keine Rolle, ob ihr auf Deutsch oder Englisch spielt, jede Version kränkelt mit allerlei groben Fehlern. Und das demotiviert sehr stark, sich weiter mit der Geschichte und den vielen Nebenmissionen zu befassen.
Kuro Games hat noch viel Arbeit vor sich
Am Ende hat Wuthering Waves durchaus das Potenzial, dem Platzhirschen Genshin Impact Spieler streitig zu machen. Denn die Basis stimmt: Die Kämpfe machen Spaß, das Erkunden der Welt mit all den Quality-of-Life-Features motiviert und generell wirkt vieles durchdacht. Aber es muss noch einiges getan werden: Die Übersetzungen sind ein Witz, diverse Bugs und Glitches stören das Spielerlebnis. Immerhin zeigt der Entwickler, dass das Spielerfeedback wichtig ist: Es erscheinen jeden Tag Hotfixes und kleinere Patches.
Pro
- Spaßiges Kampfsystem
- Ordentlicher Umfang
- Echos motivieren zu kämpfen
- Viele Nebentätigkeiten
- Atmosphärische Open-World
- Hauptcharakter spricht aktiv mit
- Verschiedene Dialogoptionen bringen Abwechslung
- Gelungene QoL-Features wie schnelles klettern
Contra
- Schreckliche Übersetzung (DE/EN)
- Einige Bugs und Glitches
- Überladene Dialoge
- Kein Controllersupport (Mobile)
- Performance hat noch Luft nach oben (PC)