Kyoto Animation genießt in der Anime-Fangemeinde einen ausgezeichneten Ruf, der durch die wegweisenden Animetitel und aktuellen Produktionen des Studios erworben wurde. Der Brandanschlag am 18.07.2019, bei dem 34 Menschen starben, traf ein Animestudio, das weitaus mehr für die japanische Anime-Industrie tut, als man denkt.
Beginn der Magie
Die Anfänge des 1981 gegründeten Studios in Kyoto waren von kleineren Animationsaufträgen und dem Design von Openings und Endings geprägt. Bekanntere Anime-Titel, bei denen KyoAni involviert war, sind beispielsweise InuYasha und das Tenchi-Universum. Die erste „eigene“ Produktion war eine OVA zum Nurse Witch Komugi-chan-Franchise. Seitdem hat KyoAni mehrere sehr erfolgreiche Anime produziert, darunter Fullmetal Panic!, die Neuauflage von Air und Kanon sowie das in Deutschland überaus beliebte Clannad. Der mitunter größte Wurf gelang mit der Anime-Adaption der Suzumiya Haruhi no Yuuutsu-Light Novel, deren Auswirkungen noch heute spürbar sind.
Erster Kracher, der auch international bekannt wurde
Die ersten internationalen Erfolge erzielte Kyoto Animation mit der Veröffentlichung von Suzumiya Haruhi no Yuuutsu, das ein riesiges Publikum erreichte. Die Serie verkaufte sich blendend und es entstand das erste größere Internet-Phänomen aus dem asiatischen Raum, der Hare Hare Yukai-Tanz. Der Einfluss vom Haruhiism auf andere Animetitel ist bis heute spürbar, insbesondere bei den Tanzsequenzen an den Endings. Dass die Seiyuus bzw. Synchronsprecher idolisiert wurden und ein besonderes Augenmerk auf sie gelegt wurde, ist auch der genialen Songeinlage von Aya Hirano zu verdanken.
Doch neben dem Einfluss auf die Animeindustrie in der Mitte der 2000er-Jahre ist KyoAni durch etwas anderes bekannt geworden: die Optik.
Im Gegensatz zu anderen Animestudios setzt KyoAni eher auf Qualität als auf Quantität. Während einige Studios praktisch jede Saison einen Titel nach dem anderen produzieren, erscheinen aus dem Hause Kyoto Animation maximal zwei bis drei Titel pro Jahr. Diese Zeit wird genutzt, um dem Studio die hervorragende Optik zu verleihen, die wir heute im Jahr 2023 kennen.
Das Charakterdesign ist stilistisch für Kyoto Animation
2009 wollte KyoAni aufgrund des immensen Erfolgs des Liedes „God Knows“ im Haruhi-Anime etwas mit Musik machen. Neben der Tatsache, dass Haruhi und K-On! als Musterbeispiele für das „moe“-Revival gelten, ist es vor allem das Charakterdesign, das bis heute beibehalten wurde. Yukiko Horiguchi, die Mangaka von „Kokoro Connect“, hatte maßgeblichen Einfluss auf das, was Kyoto Animation bisher produziert hat. Sowohl die Gesichtsform, der Fokus auf die Augenfarbe als auch die Haarstile sind einprägsam genug, um auf viele Titel übertragen zu werden. Obwohl K-On! im Westen kein großer Erfolg war, versuchten viele, auf den moe-Zug aufzuspringen, den K-On! ausgelöst hat. KyoAni selbst hat den Stil jedoch mit jedem weiteren Titel weiter verfeinert, wie man unter anderem an Titeln wie „Hyouka“ sehen kann.
Nachdem KyoAni das Kapitel Haruhi 2009 mit dem grandiosen Film abgeschlossen hatte, wurde etwas ins Leben gerufen, das unter anderem der Grund für diesen Blogeintrag war: die Kyoto Animation Light Novel Awards.“
Der Kyoto Animation-Award
Beim Award gibt es mehrere Dinge zu beachten. Neben Geldpreisen, die aufgeteilt werden in einen Hauptpreis (300.000 Yen) und mehrere Trostpreise (100.000 Yen), gibt es eine maximale Ausschüttung von 1.000.000 Yen. Außerdem stellt Kyoto Animation auch eine Anime-Adaption in Aussicht – auch wenn es zu keinem Podiumsplatz reicht, können die Titel dann animiert werden. Die Awards sind in drei Bereiche unterteilt: Light Novel, Manga sowie Szenario. Der Award wird seit 2010 vergeben und hier sind die bisherigen Gewinner:
- Ausführung (2010)
Kein Hauptpreis in allen drei Kategorien, mehrere Trostpreise u.a. für Chuunibyou demo Koi ga Shitai!-Light Novel (inkl. eine Animeadaption die 2012 erschien) - Ausführung (2011)
Kein Hauptpreis in allen drei Kategorien, mehrere Trostpreise u.a. für die Kyoukai no Kanata – Light Novel (inkl. Animeadaption 2013) sowie Free! (ink. Animeadaption 2013) - Ausführung (2012)
Sowohl keine Hauptgewinner als auch Trostpreise. Fiel aus. - Ausführung (2013)
Kein Hauptpreis in allen drei Kategorien, mehrere Trostpreise für u.a. die Musaigen no Phantom World-Light Novel (inkl. Anime-Adaption 2016) - Ausführung (2014)
Ein Hauptpreis im Bereich Light Novel für Violet Evergarden – Animeadaption wurde 2018 veröffentlicht. Auch mehrere Trostpreise wurden vergeben. - Ausführung (2015)
Sowohl keine Hauptgewinner als auch Trostpreise. Fiel aus. - Ausführung (2016)
Keine Hauptgewinner als auch Trostpreise, jedoch Jury-Sonderpreise – u.a. für Kazemai High School Japanese Archery Club (inkl. Animeadaption 2018) - Ausführung (2017)
Keine Hauptgewinner als auch Trostpreise außer für Hiroshi Yūki’s Nijūseiki Denki Mokuroku (inkl. Animeadaption für 2018)
Durch diesen Award ist Kyoto Animation beinahe unabhängig, wenn es um Anime-Produktionen geht. Während andere Studios gerade durch Produktionskomitees „gezwungen“ werden, (für uns) fragwürdige Titel zu erschaffen, kann das Studio Entscheidungen treffen, wann und wie diese Anime adaptiert werden. Doch damit nicht genug: Dadurch leistet Kyoto Animation etwas, das vor allem aktuell wichtiger ist denn je – die Talentförderung junger Schreiber.
KyoAnis Standing innerhalb der Anime-Industrie
Es geht noch weiter: Das Studio aus Kyoto fördert junge Talente mithilfe einer eigenen Schule. In dieser Schule lernen angehende Animatoren die Grundkenntnisse, die für diese Industrie notwendig sind. Durch die Altersbeschränkung von 23 Jahren und der Möglichkeit, bei Kyoto Animation anzufangen, wird außerdem den Talenten eine Zukunft ermöglicht.
Ist man erst bei Kyoto Animation direkt angestellt, erfährt man auch weitere Vorteile. Während in der Anime-Industrie viele Animatoren als Freelancer gerade so über die Runden kommen, bezahlt das Animestudio die festangestellten (!) Mitarbeiter monatlich. Außerdem wird den Mitarbeitern genügend Zeit für die Animeprojekte gegeben, was gemeinsam mit dem überdurchschnittlichen Mindestlohn eine sehr gute Arbeitsatmosphäre ermöglicht. Damit unterscheidet sich das Studio enorm von vielen anderen Animationsfirmen in Japan.
Und auch bei einem weiteren Punkt unterscheidet sich Kyoto Animation von anderen Anime-Produktionsstätten. In einer von Männern dominierten und arbeitstechnisch harten Industrie setzt sich KyoAni dafür ein, Frauen für die Produktionen einzustellen.
Was wird die Zukunft bringen?
Eine der größten Fragen, die man sich nach dem Brandanschlag vom 18.07.2019 stellen kann, ist: Wird sich Kyoto Animation von diesem Tag erholen?
Kyoto Animation besteht aus mehreren Studios, vom Brandanschlag war das Gebäude namens „Studio 1“ betroffen. Die Arbeiten der Mitarbeiter sind komplett vernichtet, der wirtschaftliche Schaden lässt sich noch nicht beziffern. Die (noch unbekannten) toten Personen lassen jedoch diesen mit Sicherheit hohen Schaden schmerzlich vergessen. Aktuell gibt es Überlegungen, das Studio abzureißen und zu Ehren der Toten ein Denkmal mit Park zu errichten.
Es bleibt nur zu hoffen, dass sich das Studio von diesem Trauma erholen und weiterhin die Anime-Industrie mit kreativen und qualitativ hochwertigen Produktionen bereichern wird.
4 Antworten
KyoAni ist so ziemlich seit K-On! mein absolutes Lieblingsstudio und einer der Hauptgründe, warum „Qualität statt Quantität“ soviel Bedeutung hat. Ich weiss zwar nicht ob KyoAni wirklich Verteidigung braucht, da es eines der beliebtesten Studios ist, aber ich denke, dass der Beitrag hier dem ein oder anderen noch was beibringen kann.
Was ich noch hinzufügen möchte ist, dass Kyoto Animation zusätzlich noch über Naoko Yamada verfügt, die meiner Meinung nach, die momentan beste Anime Regisseurin ist. Selbst wenn man mir da nicht zustimmt, spricht ihr Alter und ihre Erfolge denke ich für sie.
Man muss halt gerade bei Titel wie Phantom World mit der Stirn runzeln. Optisch wunderbar, doch gerade die Story ist bei KyoAni-Titel eher schlecht als recht. Klar, es gibt Ausnahmen….aber naja.
Naoko Yamada verdient einen seperaten Eintrag, das stimmt.
Was ich bei KyoAni etwas schade finde ist, dass sie vom Zeichenstil her zu wenige Experimente eingehen.
Da werden mir wohl sicherlich viele widersprechen, aber ein Anime hebt sich vor allem auch durch seinen Zeichen- und Animationsstil ab und der hat sich seit K-ON gefühlt kein bisschen verändert.
Es ist immer der selbe „moehaft“ niedliche sanftfühlige Charakterdesign mit fast schon melancholisch gemalten Hintergründen. Klar steigert das den Wiedererkennungswert der Studiowerke, aber der fast schon einheitliche Zeichenstil kann dazu führen, dass man die Animes optisch kaum wirklich voneinander unterscheiden kann. Es fehlt das besondere, das entscheidende Merkmal, dass die einzelnen KyoAni-Titel so auszeichnet. Momentan kann ich zu Titeln wie K-ON, Love Chunibyo & other Delusions, Tamako Market, Hibike Euphonium, Free! und noch anderen Titeln sagen, dass das zwar KyoAni Animes sind, aber nicht was diese Animes für sich gesehen optisch einzigartig macht. Diesen Anspruch kann man als Zuschauer von einem Studio, dass sich immer für Qualität stark macht und sich für ihre Animes Zeit nimmt, schon verlangen/erwarten.
Mit Nichijou hat KyoAni gezeigt, dass sie durchaus in der Lage sind von ihrem üblichen Schema abzuweichen ohne sich komplett zu entfremden. Am Animationsstil hatte man nämlich immer noch die Handschrift von KyoAni gesehen.
Auch Studio Ghibli hatte gezeigt, dass sie immer wieder was neues auf die Beine Stellen konnten und man trotzdem bei allen Ghibli Filmen einen gemeinsamen roten Faden Anhand des Zeichen- und Animationsstils erkennen konnte.
Abgesehen davon mag ich aber KyoAni sehr, da sie sich in der japanischen Anime-Industrie sehr stark für faire Arbeitsbedingungen und eine gute Entlohnung einsetzt, bei ihren Animes (zumindest Optisch) immer auf Qualität setzt und auch ordentlich Nachwuchsförderung betreibt. Davor habe ich tiefsten Respekt und das hat auf jeden Fall meine Hochachtung verdient.
Auch wenn ich dir Recht geben muss, so muss ich dir auch in gewisser Weise widersprechen was die Entwicklung angeht. Ich würde es ja mit der Call of Duty-Reihe vergleichen. Im Prinzip bietet KyoAni ein (veraltetes) Charakterdesign ab, welche sich aber jedoch mit jeder weiteren Serie verfeinert – gerade wenn man K-On! mit Hibike vergleicht. So ist es auch bei Call of Duty, welches ja bis 2015 noch auf einer Enginge basiert welche 2002 produziert wurde.
Ich bin deshalb u.a. auf Violet Evergarden gespannt da sie hier ihr Design an die Spitze getrieben haben – ob die Serie auch qualitativ mitsprechen kann und auch so Akzente setzen kann muss man abwarten (obwohl ich einige kenne die es bei der EU-Premiere gesehen haben und auch inhaltlich begeistert waren)
Deshalb find ich es gut das sie auch mal Titel wie A Silent Voice herausgebracht haben – da erkennt man lediglich an den Hintergründen das es von KyoAni ist.