Viele Anime-Fans staunten bei Crunchyroll nicht schlecht, als sie mit den Neuerscheinungen der Herbstseason 2025 starten wollten: Quasi ohne Vorankündigung erhielten sämtliche Neustarts plötzlich Untertitel, deren Formatierung sich deutlich von der bisherigen unterschied. Doch was steckt dahinter? Was genau hat sich verändert … und warum?
Die aktuelle Situation
Mit dem Beginn der Herbstseason 2025, die traditionell Ende September beziehungsweise Anfang Oktober startet, bekamen mehrere neue Titel eine überarbeitete Untertitelformatierung. Dazu zählen unter anderem Yano-kun’s Ordinary Days oder This Monster Wants to Eat Me.
Auch Kaiju No. 8, eigentlich ein Titel der Sommerseason, erhielt in seiner letzten (!) Episode der Staffel die neue Formatierung. Aktuell sieht es so aus, dass bis auf Fortsetzungen nahezu alle neuen Serien der Herbstseason von Crunchyroll mit der neuen Untertitel-Richtlinien versehen wurde.
Der nicht reibungslos verlaufende Wechsel
Hintergrund dieser plötzlichen Umstellung ist ein technischer und organisatorischer Wandel bei Crunchyroll. Bisher wurden Untertitel dort in einem System erstellt, das einer mittlerweile längst vergangenen Ära kommt: Der Fansub-Szene. Aegisub war und ist heute DAS Programm, wenn es um die Untertitel-Erstellung ging.
Mit Aegisub lassen sich Untertitel äußerst flexibel gestalten: Schriftarten, Farben, Positionen und Animationen können frei angepasst werden. Das dort verwendete ASS-Format (Advanced SubStation Alpha) erlaubt es den Erstellenden, beliebig viele Textzeilen gleichzeitig anzuzeigen, etwa für Dialoge und eingeblendete Schilder. Diese Freiheit machte Aegisub zum Liebling der Fansubber und prägte über Jahre hinweg auch den professionellen Crunchyroll-Workflow.
Denn als Crunchyroll im Laufe der Zeit zahlreiche Fansubber einstellte, wurde dieser Workflow samt Arbeitsweise und teilweise auch Übersetzungsstil in die professionelle Umgebung des Anime-Riesen übertragen. Zwar passte man im Laufe der Jahre manche Details an branchenübliche Standards an, doch die Arbeit von damals blieb heute gleich: Anime-Untertitel enthalten oft sehr wortgetreue Übersetzungen, viel Text und ein höheres Lesetempo („CPS“ – Characters per Second), als es sonst in der Branche üblich ist.
Den Branchenstandard findet man als .PDF beim AudioVisuelle Übersetzer*innen – AVÜ e. V.
Warum sich das jetzt ändert
Die aktuelle Änderung hat jedoch nichts direkt mit Aegisub oder irgendwelchen Präferenzen der Übersetzenden zu tun, sondern mit einer umfassenden Software-Umstellung auf ein neues, Cloud-basiertes System.
Aus Branchenkreisen habe ich gehört, möchte man damit vor allem Sicherheits- und Workflow-Probleme beheben, denn durch den Cloud-Ansatz müssen keine Videodateien mehr lokal verschickt werden. Das erschwert Leaks und erleichtert zeitgleich die Zusammenarbeit zwischen Übersetzenden, Editierenden sowie den QC-Teams.
Das neue System arbeitet allerdings nicht mehr mit dem Aegisub-eigenen .ass-Format, sondern nutzt die internationalen Streaming-Standards wie .vtt oder .dfxp, wie sie etwa auch bei Amazon oder Netflix zum Einsatz kommen. Diese Formate unterstützen zwar theoretisch Typografie-Optionen wie Schriftart oder Positionierung: In der Praxis werden diese jedoch meist vom Player selbst vorgegeben.
Gerade Amazon dürfte hier ein ausschlaggebender Faktor sein: Crunchyroll betreibt dort einen Prime-Video-Channel, der als lukratives Zusatzgeschäft gilt. Die dort angebotenen Anime konnten bislang jedoch nicht 1:1 übertragen werden, da neben der Formatumwandlung auch sämtliche Typesettings entfernt und die Untertitel auf eine Zeile begrenzt werden mussten. Mit dem neuen System lassen sich diese zusätzlichen Arbeitsschritte künftig einsparen.
Damit fällt das bisherige, kreative „Typesetting“ weitgehend weg:
Das neue System erlaubt immer nur einen Untertitel gleichzeitig, egal ob für Dialog oder Schildtext. Was früher getrennt und typografisch gestaltet war, muss nun in eine einzige Zeile gepackt werden … mit allen Nachteilen für Lesbarkeit und Übersicht.
Ein denkbar schlechter Zeitpunkt für den Wechsel
Damit prallen zwei Welten aufeinander. Während die großen Streaminganbieter ihre Untertitel konsequent auf maximal zwei Zeilen und 15 bis 17 Zeichen pro Sekunde (CPS, inklusive Leerzeichen) begrenzen, fährt Crunchyroll weiterhin das volle Programm: Es wird alles übersetzt, was im Bild gezeigt wird, also wortwörtlich und oft ohne inhaltliche Priorisierung. Mehrzeilige Untertitel mit über 20 CPS sind keine Seltenheit.
Hinzu kommt, dass der aktuelle Crunchyroll-Player weiterhin das alte .ass-Rendering nutzt, wodurch die neue Schriftart; ein dicker, weißer Ersatzfont, nur notdürftig angepasst wirkt.
Dieser vermutlich lange geplante Wechsel wurde nun ausgerechnet zur Herbstseason 2025 vollzogen. Das führte zu genau dem, was Crunchyroll derzeit massive Kritik einbringt: kaputte Einträge, unübersichtliche Dialoge, zu große Schriftarten und fehlerhafte Sprachen.
Auch wenn die Boykott-Rufe auf Social Media eher politischer Natur sind und die eigentliche Kritik sich in Grenzen hält, hat man sich mit diesem scheinbar plötzlichen und ungetesteten Wechsel keinen Gefallen getan. Für viele Fans hat sich der Marktführer im Anime-Streaming damit über Nacht unanschaubar gemacht.
Eines wird mit dieser Umstellung jedenfalls deutlich:
Die Zeiten, in denen Crunchyroll noch ein Anbieter „von Fans für Fans“ war, sind offiziell vorbei.
Das frühere Selbstverständnis – nah an der Community, offen für Feedback, mit einem Team aus passionierten Anime-Liebhabenden – scheint durch diesen Schritt endgültig verdrängt worden zu sein.
Auch wenn der letzte Punkt vielleicht noch wahr ist, Crunchyroll wirkt inzwischen wie jeder andere große Streamingkonzern: mit Standardantworten im Support, Entlassungswellen und einem zunehmend entfremdeten Verhältnis zur eigenen Zielgruppe.
Keine Untertitelerstellung mit KI
Zum Schluss noch ein Wort zu den Vorwürfen rund um KI-generierte Untertitel:
Im viel diskutierten Fall (siehe Titelbild) wurden die Untertitel von einer Third-Party-Instanz innerhalb der Vertragskette selbst bereitgestellt und durften anfangs nicht bearbeitet werden. Erst nach dem öffentlichen Aufschrei und einer nachträglichen vertraglichen Anpassung wurden die Untertitel altbewährt erstellt.
Auch eine Entwarnung an dieser Stelle:
Zwar bietet die Dachfirma der Cloud-Plattform theoretisch KI-Unterstützung an, werden die Untertitel weiterhin vollständig von Hand erstellt. Nach aktuellem Stand sind die kursierenden Vorwürfe oder Befürchtungen von KI-Subs unbegründet. Immerhin werden auch jetzt noch die gleichen Übersetzenden angegeben, wie in der Sommerseason.
2 Antworten
Ich verstehe den Schritt aus Unternehmenssicht, denn den meisten Nutzern wird die Umstellung gar nicht erst aufgefallen sein. Für uns wenige, denen das Typesetting wichtig ist, lohnt es sich vermutlich nicht den Mehraufwand weiterhin zu betreiben und man verzichtet im Zweifel auf wenige Nutzer. Leider verwirft Crunchyroll damit den aus meiner Sicht einzigen Wettbewerbsvorteil, den es gegenüber den anderen großen Playern hat, nämlich genau die Unterstützung von ASS Untertiteln. Gerade bei Animes geht durch die technischen Einschränkungen bei Prime, Netflix und co. häufig viel an Kontext verloren (Will gar nicht wissen, wie viele Gags mir deshalb bei CITY durch die Lappen gegangen sind). Ich hoffe zwar weiter, dass sie genug berechtigten Gegenwind bekommen um die Situation zu bessern, aber Hoffnung mache ich mir keine. Wichtig wäre dann nur, dass sie ihre Prozesse auch an das Downgrade anpassen, damit die reduzierten Untertitel dann auch wieder schaubar sind.
Die Untertitel bei Crunchyroll waren bisher im Vergleich zur Konkurrenz vorbildlich umgesetzt. Nicht perfekt, aber sehr gut mit einem gut lesbaren Font.
Netflix und Amazon sind was Untertitel angeht ganz schlecht. ADN machts ganz gut, wenn man über Chromecast oder Web schaut, aber Crunchyroll fand ich bisher besser.
Die neue Art geht gar nicht. Aber was soll man als Fan jetzt tun? Man hat ja keine Wahl, wenn man weiter die Anime schauen will..
Auf meine Nachricht an den Kundensupport wurde mir wie folgt geantwortet:
„vielen Dank für Deine Nachricht und dein Feedback zu den Untertiteln.
Aufgrund technischer und softwarebedingter Probleme kam es bei einer kleinen Auswahl unserer Simulcast-Titel zu einer abweichenden Darstellung der Untertitel. Wir arbeiten bereits an der Behebung dieses Fehlers. Das Erscheinungsbild der Untertitel aller Kataloginhalte ist weiterhin unverändert.
Unsere Teams arbeiten mit Hochdruck an einem Update, und sobald das Problem behoben ist, werden alle Untertitel wieder einheitlich angezeigt.
Vielen Dank für deine Geduld und dein Verständnis!“
„einheitlich angezeigt“ lässt jetzt natürlich einiges an Interpretationsspielraum.
PS: Man kann die Darstellung der Untertitel in den Einstellungen seines Profils anpassen und die Einstellung hatte bei mir dann auch Auswirkung auf die Darstellung in den Apps für die Folgen, die die neuen Untertitel verwenden. Das hat die lesbarkeit für mich schonmal erhöht.